Das große Sitzungszimmer wurde 2006 von dem bekannten Bildhauer Jürgen Goertz ausgestaltet. Als Grundlage diente dem 1939
geborenen Künstler das große baden-württembergische Landeswappen, das er dezent so umwandelte, dass weder die Heraldik noch
das Dekorum verletzt wurden. Ringsum läuft im Saal ein schwarzgelbes Band in den baden-württembergischen Landesfarben vor
hellblauem Himmel, Goertz nennt sie die „himmelblaue Sehnsuchts- und Freiheitsfarbe“. Die Plaketten darunter setzen sich aus
Motiven des Hauptwappens zusammen, das sich an der Stirnseite des Saales, über dem Richtertisch, befindet. Das Wappen wird gerahmt
durch eine profilierte Eiform, die eierschalenfarbig den Farbton der gesamten Gestaltung vorgibt.
Die drei staufischen Löwen werden links und rechts von den Schildhaltern Hirsch und Greif, den Wappentieren von Württemberg und
Baden, flankiert. Die Löwen sind relativ frei von Hand geformt, alles ruht auf der Postament genannten Horizontale, die Goertz mit in
Gips geformten Ästen und gedrechselten Holzteilen ausdrückt. Unter ihr schwimmt ein Fisch mit Flügeln aus Holz, wie er im
Landeswappen normalerweise nicht vorkommt, aber so gut den Wasserreichtum des Landes anspricht. Alle Tiere haben übrigens Glasaugen
wie Puppen. Über den Löwen sind die Wappen der Landesteile Franken, Hohenzollern, Baden, Württemberg, Kurpfalz und
Vorderösterreich angebracht.
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Plakette |
Landeswappen |
Hirsch und Greif sind jeweils aus einer Mischung aus Natur- und Kunstformen aufgebaut, nachgebildet in Gips, etwa aus dem Querschnitt
einer Wirbelsäule oder Teilen von Schraubzwingen. Der Kopf des Hirsches besteht beispielsweise aus einem liegenden Spielstein, wie man
ihn bei Brettspielen verwendet und der sehr an René Magritte erinnert, da dieser schon in seinen ersten surrealistischen Bildern
Schachfiguren als Bildmotiv einsetzte. Der Kopf des Greifs wiederum ist aus einem liegenden Hasen gebildet, der auf einem Zahnrad ruht. Die
Verwendung des Hasen als Kopf trägt vielfältige symbolische Züge (Fruchtbarkeit), aber auch der Kontext zur Kunstgeschichte
wird erkennbar, denken wir an Albrecht Dürers Hasen oder Joseph Beuys’ Aktion ‚wie man dem toten Hasen die Bilder
erklärt’ von 1965.
Goertz hält die Formen, die Umrisslinien der großen Wappentiere genau ein, bildet sie aber aus anderen Materialien nach,
natürlichen (Holz) und industriell geformten Stoffen (Zwinge), sprich er behandelt den Gegensatz von Natur und Kultur unauffällig
mit. Alle diese Materialien sind durch seine Hand nun Kunst geworden, sind transformiert. Dabei bildet er den natürlichen Stoff Holz
in Gips nach, eine weitere illusionistische Übertragung. Große Themen werden so über dem Richtertisch und im ganzen Raum
präsent gehalten wie die Welt an sich, Werden und Vergehen so wie auch das Individuelle und die Allgemeinheit, ausgedrückt durch
die Spielfiguren.
© Dr. Susanne Kaeppele