Auch wenn die baden-württembergischen Verwaltungsgerichte im bundesweiten Vergleich relativ zügig entscheiden, kann ein Klageverfahren eine gewisse Zeit dauern. In der Schwebezeit zwischen Ergehen oder Unterlassen einer behördlichen Maßnahme einerseits und der Rechtskraft der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung andererseits ist die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes möglich. Grob gesagt kann man unterscheiden zwischen dem vorläufigen Rechtsschutz gegen belastende Verwaltungsakte, die Sie im Klageverfahren mit der Anfechtungsklage angreifen, und vorläufigem Rechtsschutz gegen die Versagung einer begünstigenden Maßnahme, die Sie im Klageverfahren mit der Verpflichtungs- oder Leistungsklage erstreiten wollen.
Aufschiebende Wirkung
Gegen einen Verwaltungsakt, der in Rechte des Bürgers eingreift, wird vorläufiger Rechtsschutz in der Regel schon durch das Gesetz gewährt. Der Bürger ist vor einer sofortigen Durchsetzung derartiger Verwaltungsakte durch eine grundsätzlich automatische aufschiebende Wirkung geschützt, sobald er gegen sie förmlich vorgeht. Dies ergibt sich aus § 80 Abs. 1 VwGO, in dem es heißt: Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. In diesen Fällen bedarf es deshalb keines besonderen vorläufigen Verwaltungsrechtsschutzes. Das Prinzip hat aber viele Ausnahmen. So heißt es beispielsweise in § 80 Abs. 2 Satz 1 VwGO, dass die aufschiebende Wirkung entfällt:
- Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten (z. B. Erschließungsbeitrag, auch bei kommunalen Steuern)
- bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten
- in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen
- bei Maßnahmen in der Verwaltungsvollstreckung (z. B. Festsetzung eines Zwangsgeldes), wenn durch den Landesgesetzgeber vorgesehen
- in sonstigen Fällen, in denen die Behörde die sofortige Vollziehung im überwiegenden öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten besonders angeordnet hat. In diesen Fällen muss das überwiegende öffentliche Interesse oder das überwiegende Interesse des Beteiligten besonders begründet werden (§ 80 Abs. 3 VwGO).
In diesen Fällen darf der Verwaltungsakt trotz des noch offenen Widerspruch- und Klageverfahrens vollzogen werden. Hiergegen kann man aber bei Gericht die Anordnung oder die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage (oder des Widerspruchs) beantragen. Die Einzelheiten ergeben sich aus §§ 80, 80a VwGO. Häufig bittet das Gericht bei Eingang eines solchen Eilantrags die Behörde bis zur Entscheidung freiwillig auf den Vollzug des Verwaltungsaktes zu verzichten. Dem kommen die Behörden in der Regel auch nach. Das Gericht bemüht sich um eine möglichst schnelle Entscheidung, die allerdings in der Regel erst getroffen werden kann, wenn die Behördenakten vorliegen. Erfolgreich ist der Antrag, wenn es an einem besonderen Vollziehungsinteresse fehlt. Dies wiederum ist regelmäßig der Fall, wenn sich der mit Widerspruch und/oder Klage angefochtene Verwaltungsakt schon bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage als voraussichtlich rechtswidrig erweist.
Einstweilige Anordnung
Der vorläufige Rechtsschutz gegen die Versagung einer begünstigenden behördlichen Maßnahme bestimmt sich nach §
123 VwGO; er wird durch Erlass einer einstweiligen Anordnung gewährt. Mit der Sicherungsanordnung wird verhindert, dass durch die
Veränderung des bestehenden tatsächlichen Zustandes die Verwirklichung eines Rechts wesentlich erschwert wird. Es kann auch eine
Regelungsanordnung ergehen, wenn ohne die Regelung eines vorläufigen Zustandes wesentliche Nachteile entstehen. Beispiel: Wer bei
einem in wenigen Tagen stattfindenden Volksfest einen Verkaufsstand aufstellen will, aber von der Behörde nicht zugelassen wurde, kann
beim Verwaltungsgericht beantragen, dass die Behörde im Wege der einstweiligen Anordnung (vorläufig) verpflichtet wird, ihn mit
seinem Verkaufsstand zu dem Volksfest zuzulassen. Hierfür muss glaubhaft gemacht werden, dass die Sache eilbedürftig ist und dass
im Falle des Unterbleibens einer solchen Anordnung Nachteile drohen. Ferner muss bei kursorischer Prüfung viel dafür sprechen,
dass der Antragsteller auch tatsächlich einen rechtlichen Anspruch auf die begehrte behördliche Maßnahme hat, also auch im
Widerspruchs- und Klageverfahren in dieser Sache mit hoher Wahrscheinlichkeit gewinnen wird.
Häufig kommt es hierbei auf Tatsachen an, deren Vorliegen von der Behörde gerade bestritten wird. Zur endgültigen
Klärung wird das Gericht im Klageverfahren über diese Tatsachen Beweis erheben. Im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes
können diese Beweise meist nicht erhoben werden, weil das Verfahren sonst genauso lange dauern würde, wie das Klageverfahren
selbst. Deshalb kommt es darauf an, dass der Antragsteller das Vorliegen der von ihm behaupteten Tatsachen zumindest glaubhaft macht. Das
kann unter anderem durch die Vorlage eidesstattlicher Versicherungen geschehen.
Gerichtliche Entscheidung
Über Anträge auf vorläufigen Rechtsschutz entscheidet das Gericht zumeist im schriftlichen Verfahren durch Beschluss.
Zuständig ist das Gericht der Hauptsache; dies kann also auch der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg sein, wenn die
Hauptsache - das Klageverfahren - bereits bei ihm anhängig ist. In allen anderen Fällen ist das Verwaltungsgericht
zuständig. Gegen seine Beschlüsse im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist grundsätzlich die Beschwerde zum
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg zulässig. Die Einzelheiten zur Zulässigkeit dieses Rechtsbehelfs ergeben sich aus
der Rechtsmittelbelehrung im Beschluss des Verwaltungsgerichts.