Polizeiverordnung über ein nächtliches Musik- und Spielverbot
Die Antragsgegnerin hat am 27. April 2021 eine bis zum 4. Oktober 2021 befristete „Polizeiverordnung 2021 über ein nächtliches Musik- und Spielverbot im öffentlichen Raum“ erlassen. Diese regelt auszugsweise:
„§ 1 Geltungsbereich
Diese Polizeiverordnung gilt im gesamten Herosé-Park (Flst. Nrn. 1772 und 1773) und auf allen übrigen öffentlichen Flächen des gesamten Stadtgebietes der Stadt Konstanz (einschließlich Ortsteile) im Umkreis von 50m zu bewohnten Gebäuden (Wohnhäuser, Beherbergungsbetriebe, Kliniken, Pflegeeinrichtungen).
§ 2 Musikverbot
In der Zeit von 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr (Nachtzeit im Sinne des Bundesimmissionsschutzgesetzes) ist es verboten, Rundfunk- und Fernsehgeräte, Lautsprecher, Bluetooth-Boxen, Tonwiedergabegeräte und Musikinstrumente zu betreiben oder zu spielen, es sei denn dies geschieht so leise, dass die Nachtruhe anderer Personen dadurch nicht gestört werden kann.
§ 3 Spiel-Verbot
In der Zeit von 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr (Nachtzeit im Sinne des Bundesimmissionsschutzgesetzes) ist es verboten, Spiele inklusive Partyspiele wie z.B. ,,beer-pong" oder „flunkyball" zu spielen, es sei denn dies geschieht so leise, dass die Nachtruhe anderer Personen dadurch nicht gestört werden kann.“
Zudem ist es in Konstanz aufgrund der allgemeinen Umweltschutz- und Polizeiverordnung der Antragsgegnerin vom 28. April 2005 verboten, in der Zeit von 22.00 - 06.00 Uhr die Nachtruhe anderer mehr als nach den Umständen unvermeidbar zu stören (§ 1) und dürfen Empfangsgeräte, Lautsprecher und Musikinstrumente nur in solcher Lautstärke betrieben oder gespielt werden, dass andere nicht erheblich belästigt werden (§ 2 Abs. 1).
Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz
Gegen die „Polizeiverordnung 2021 über ein nächtliches Musik- und Spielverbot im öffentlichen Raum“ vom 27. April 2021 wandten sich sechs in Konstanz wohnende Antragsteller am 9. Juni 2021 mit einem Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO. Sie brachten vor, sie seien an Wochenenden regelmäßige Besucher des Herosé-Parks und der angrenzenden Seepromenade und wollten sich auch nach 22:00 Uhr dort zum gemeinsamen Kartenspiel, Schachspiel und anderen Gesellschaftsspielen treffen und dabei Musik hören. Das verbiete die Verordnung und greife damit in ihre Grundrechte ein.
Die Antragsgegnerin trat dem Antrag entgegen und machte geltend, die Verordnung sei nötig zum Schutz der Nachtruhe der Anwohner.
Antrag zum Musikverbot abgelehnt
Der Antrag zum Musikverbot in § 2 der Verordnung vom 27. April 2021 blieb ohne Erfolg. Zur Begründung der Antragsablehnung führt der 1. Senat des VGH aus, die Erfolgsaussichten eines Normenkontrollantrags in der Hauptsache wären offen. Es sprächen aber gute Gründe dafür, dass ein solcher Antrag unbegründet wäre. Durch laute Musik in der Zeit der Nachtruhe könnten Gefährdungen der Gesundheit der Anwohner eintreten. Der Schutz der Bevölkerung vor Gesundheitsgefahren zähle zu den überragend wichtigen Gemeinschaftsgütern. Ausweislich der Akten komme es in den Gebieten bewohntes Seerheinufer/Herosé-Park/Seestraße in den Sommermonaten zur Nachtzeit durchgängig zum Abspielen von Musik insbesondere aus Musikboxen. So sei es z.B. nach den vorliegenden Berichten des Kommunalen Ordnungsdiensts im Juni 2021 am 1. Juni, 2. Juni, 3. Juni, 4. Juni, 5. Juni, 9. Juni, 10. Juni, 11. Juni, 12. Juni, 15. Juni, 16. Juni, 17. Juni, 19. Juni und 26. Juni zum Abspielen lauter Musik aus Musikboxen gekommen. Vergleichbare Feststellungen fänden sich auch für andere Zeiträume. Daher sprächen gute Gründe für die grundsätzliche Befugnis der Antragsgegnerin, ein Verbot des Abspielens lauter Musik aus Bluetoothboxen und ähnlichen Geräten zu erlassen.
Der damit verbundene Eingriff in die Rechte der Antragsteller sei für diese verhältnismäßig. Der Gesundheitsschutz habe hier Vorrang vor den Belangen der durch das Verbot Betroffenen. Der Eingriff in ihre Rechte sei vergleichsweise geringfügig, da das Abspielen von Musik auf anderen, vom Verbot nicht erfassten öffentlichen Flächen im Gebiet der Antragsgegnerin möglich sei. Zudem sei es nach der allgemeinen Umweltschutz- und Polizeiverordnung aus dem Jahr 2005 ohnehin verboten, in der Zeit von 22:00 bis 06:00 Uhr die Nachtruhe anderer mehr als nach den Umständen unvermeidbar zu stören, und dürften Empfangsgeräte, Lautsprecher und Musikinstrumente nur in solcher Lautstärke betrieben oder gespielt werden, dass andere nicht erheblich belästigt werden.
Offen sei allerdings, ob es Gründe für das Musikverbot auch in den Vororten gebe. Denn insoweit sei den vorgelegten Akten nicht zu entnehmen, dass das Abspielen lauter Musik mit Rundfunk- und Fernsehgeräten, Lautsprechern, Bluetooth-Boxen und Tonwiedergabegeräte dort zu nennenswerten Störungen der Nachtruhe geführt habe und insoweit eine polizeirechtlich relevante Gefahrenlage bestehe. Vergleichbares gelte für das Spielen von Musikinstrumenten. Gleichwohl bestehe auch in diesen beiden Punkten kein Anlass für den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Denn die Antragsteller machten nur geltend, sich im Bereich des Herosé-Parks und der angrenzenden Seepromenade treffen und dabei Musik hören zu wollen. Es sei nicht erkennbar, dass sie in anderen Bereichen in der Nachtzeit Musik hören oder dass sie nachts Musikinstrumente spielen wollten.
Antrag zum Spielverbot erfolgreich
Der Antrag zum Spielverbot hatte hingegen Erfolg. Der VGH setzte § 3 der Verordnung vom 27. April 2021 vorläufig außer Vollzug. Zur Begründung führt der 1. Senat aus, die Erfolgsaussichten eines Normenkontrollantrags in der Hauptsache gegen diese Vorschrift seien offen. Es sprächen aber gute Gründe dafür, dass ein solcher Antrag begründet wäre.
Das Verbot des § 3 beschränke sich - entgegen der ursprünglichen Absicht der Antragsgegnerin - nicht auf Trinkspiele, die nach den Akten zu Störungen der Nachtruhe geführt hätten. In den Anwendungsbereich der Vorschrift fielen nach dem klaren Wortlaut Spiele jeder Art. Mithin seien z.B. Gesellschaftsspiele (Kartenspiele, Würfelspiele, Brettspiele etc.), Bewegungsspiele (Fangen, Verstecken, Gummitwist etc.), Sport jedenfalls in bestimmter Form (Federball spielen, Tischtennis spielen etc.) Gegenstand des Verbots. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass jegliche Art des Spielens in der Zeit von 22:00 bis 6:00 Uhr im räumlichen Geltungsbereich der Verordnung zu einer Störung der Nachtruhe von Anwohnern führen könne, könnten den Akten nicht entnommen werden. Das Polizeigesetz gestatte jedoch nicht den Erlass eines Verbots für Verhaltensweisen, von denen keine polizeiliche Gefahr ausgehe.
Der Beschluss des VGH ist unanfechtbar (1 S 1894/21).