Der Eilantrag der Anmelderin der Versammlung (Antragstellerin) gegen das von der Stadt Mannheim (Antragsgegnerin) ausgesprochene Versammlungsverbot hatte damit - anders als erstinstanzlich beim Verwaltungsgericht Karlsruhe, das gestern Abend den Eilantrag der Antragstellerin abgelehnt hatte - Erfolg. Der Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts gab der VGH statt.
Zur Begründung führt der 1. Senat des VGH aus, ein Versammlungsverbot dür-fe nur bei einer unmittelbaren Gefahr für die öffentliche Sicherheit erlassen werden. Insoweit berufe sich die Antragsgegnerin zu Unrecht auf die Vor-kommnisse bei der Pro Palästina-Demonstration am 15. Mai 2021 in Mannheim. Selbst nach dem von der Antragsgegnerin insoweit vorgelegten Polizeibericht vom 15. Mai 2021 sei es dort nur zu „vereinzelten Auseinandersetzungen mit Einsatzkräften“ gekommen, die sich zudem erst nach Auflösung der Versamm-lung ereignet hätten. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfas-sungsgerichts könnten jedoch nur konkrete Anhaltspunkte für eine kollektive Unfriedlichkeit einer Versammlung ein Verbot rechtfertigen. Greifbare Anhalts-punkte für eine solche kollektive Unfriedlichkeit der für heute angemeldeten Versammlung habe die Antragsgegnerin dem Gericht jedoch nicht präsentiert.
Auch auf das bei der Demonstration am 15. Mai 2021 mitgeführte Banner mit der Aufschrift „Kindermörder Israel“ könne sich die Antragsgegnerin nicht mit Erfolg berufen. Die Antragsgegnerin habe nicht dargelegt, dass es sich dabei um eine strafbare Volksverhetzung im Sinne von § 130 Abs. 1 StGB gehandelt habe. Zu berücksichtigen sei insoweit, dass eine Volksverhetzung nur vorliege, wenn mit dieser Äußerung zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen bestimm-te Bevölkerungsteile aufgefordert oder deren Menschenwürde angegriffen wor-den sei. Das Banner mit dieser Aufschrift könne auch eine scharfe, aber noch von der Meinungsfreiheit gedeckte Kritik am Verhalten des Staates Israel in der jüngsten Auseinandersetzung in Nahost gewesen sein.
Das Verbrennen einer Flagge des Staates Israel am 15. Mai 2021 könne ein Verbot der heutigen Versammlung ebenfalls nicht begründen. Ein solches Ver-brennen sei zwar eine Straftat im Sinne von § 104 StGB und könne daher grundsätzlich versammlungsrechtliche Maßnahmen rechtfertigen. Das Flagge-Verbrennen am 15. Mai 2021 sei jedoch nur durch eine Person und nur nach Auflösung der Versammlung erfolgt. Zudem habe die Antragstellerin ausdrück-lich dazu aufgefordert, zur heutigen Versammlung nur Palästina-Flaggen mit-zubringen. Die Antragsgegnerin behaupte selbst nicht, dass diese Aufforde-rung der Antragstellerin nicht ernst gemeint sei.
Der Beschluss ist unanfechtbar (Az. 1 S 1849/21).