Präsidentinnen und Präsidenten der Oberverwaltungsgerichte und Verwaltungsgerichtshöfe der Länder und der Präsident des Bundesverwaltungsgerichts sprechen sich für Stärkung des Rechtsschutzes aus; Kompetenz im Instanzenzug soll erhalten bleiben

Datum: 29.04.2021

Kurzbeschreibung: 

Am 19. April 2021 fand die 31. Zwischentagung der Präsidentinnen und Präsidenten der Verwaltungsgerichtshöfe und Oberverwaltungsgerichte der Länder sowie des Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts statt.

In der pandemiebedingt online durchgeführten Konferenz befassten sich die Chefpräsidentinnen und -präsidenten der dreistufig aufgebauten Verwaltungsgerichtsbarkeit unter anderem mit aktuellen Maßnahmen des Gesetzgebers zur Verkürzung des Instanzenzugs. Dies betrifft namentlich die Verlagerung von erstinstanzlichen Zuständigkeiten auf die zweite Instanz für gerichtliche Verfahren zu infrastrukturellen Großvorhaben, die zunehmende Bestimmung des Bundesverwaltungsgerichts als Eingangsinstanz sowie Überlegungen zur Umgehung der zweiten Instanz, wie dies jüngst im Bereich des Eisenbahnrechts diskutiert wird. Die Präsidentinnen und Präsidenten erörterten darüber hinaus das sog. Maßnahmengesetzvorbereitungsgesetz, in dem eine Ausschaltung des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes zur Beschleunigung infrastruktureller Maßnahmen angelegt ist.

Einstimmig gefasst wurde in der Konferenz die folgende 

Gemeinsame Erklärung

der Präsidentinnen und Präsidenten der Oberverwaltungsgerichte und Verwaltungsgerichtshöfe der Länder sowie des Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts

vom 19. April 2021 

Rechtsschutz stärken - Kompetenz im Instanzenzug erhalten 

1. Die Präsidentinnen und Präsidenten begrüßen die jüngsten Reformen des Gesetzgebers, verwaltungsgerichtliche Verfahren zu infrastrukturellen Großvorhaben durch eine weitere Konzentration der Eingangszuständigkeiten bei den Oberverwaltungsgerichten und Verwaltungsgerichtshöfen zu beschleunigen. Gleichzeitig sehen sie aber mit Sorge, dass der Gesetzgeber für eine wachsende Zahl solcher Vorhaben das Bundesverwaltungsgericht als Eingangsgericht bestimmt. Die verfassungsrechtliche Vorgabe, dass das Bundesverwaltungsgericht in erster Linie Rechtsmittelgericht zu sein habe, wird damit zunehmend missachtet; zugleich wird die Leistungskraft der Oberverwaltungsgerichte und Verwaltungsgerichtshöfe unterschätzt. Diese Unterschätzung setzt sich in aktuellen Bestrebungen des Gesetzgebers fort, eine Verkürzung des Instanzenzugs durch Umgehung des Oberverwaltungsgerichts bzw. des Verwaltungsgerichtshofs zu erreichen. Richtig ist, dass es sich aufgrund der Vorgaben aus dem nationalen und dem europäischen Recht um hochkomplexe rechtliche und regelmäßig technische Fragestellungen etwa naturschutzfachlicher Art handelt, deren Klärung mit erheblichem Aufwand verbunden ist. Die Verwaltungsgerichtsbarkeit ist sich aber ihrer Verantwortung sehr bewusst und unternimmt alle erforderlichen Anstrengungen, um auch in derart hochkomplexen Verfahren einen zügigen und qualitativ hochwertigen Rechtsschutz zu gewährleisten. Die Verwaltungsgerichtsbarkeit wirkt mit weiteren Maßnahmen konsequent auf eine Beschleunigung der Verfahren und in geeigneten Fällen auf einvernehmliche Regelungen hin. 

2. Die Verwaltungsgerichtbarkeit insgesamt ist und bleibt nicht nur wegen der infrastrukturellen Großverfahren, sondern auch aufgrund eines fortlaufend hohen Bestandes an Asylverfahren wie auch der Vielzahl von neuen Verfahren im Zusammenhang mit den Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus derzeit und absehbar hoch belastet. Sie kann ihrer Verantwortung, einen zügigen und qualitativ hochwertigen Rechtsschutz zu gewährleisten, aber nur gerecht werden, wenn hierfür auch ausreichend personelle Ressourcen zur Verfügung stehen. Durch den Pakt für den Rechtsstaat im Jahr 2017 sind der Justiz in erheblichem Umfang Mittel zur Verfügung gestellt worden. Die Erwartung, dass die Länderhaushalte nach einer zweijährigen Anschubfinanzierung die Kosten für die zusätzlichen Stellen tragen können, ist aufgrund der Pandemie unter den gegenwärtigen Bedingungen in Gefahr. Die Präsidentinnen und Präsidenten fordern Bund und Länder auf, den Pakt für den Rechtsstaat durch einen erneuten Finanzzuschuss des Bundes zur Aufrechterhaltung der geschaffenen Stellenzuwächse zu erneuern, um die bisher erzielten Erfolge abzusichern und die Dauer verwaltungsgerichtlicher Verfahren weiter zu verkürzen. 

3. Ihren den gesellschaftlichen Frieden und den politischen Interessenausgleich fördernden Beitrag für den demokratischen Rechtsstaat kann die Verwaltungsgerichtsbarkeit nur dann leisten, wenn der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten weiterhin gewährleistet wird. Die Präsidentinnen und Präsidenten warnen daher eindringlich vor der Ausschaltung des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes zur Beschleunigung infrastruktureller Maßnahmen, wie dies im sog. Maßnahmengesetzvorbereitungsgesetz in Bezug auf einzelne Infrastrukturvorhaben angelegt ist. Der Ausschluss der verwaltungsgerichtlichen Kontrollmöglichkeit ist angesichts der erzielten Verfahrenslaufzeiten nicht notwendig. Er ist zudem auch rechtlich fragwürdig und untergräbt das Vertrauen in den demokratischen Rechtsstaat.

 

Diese Website verwendet Cookies. Weitere Informationen erhalten Sie unter Datenschutz.