Bisheriger Verfahrensablauf:
Die Antragstellerin - Betreiberin eines Seniorenzentrums im Landkreis Lörrach - beantragte beim Verwaltungsgericht und VGH erfolglos, das Landratsamt Lörrach (Antragsgegner) zur Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 20 Abs. 2 Coronaverordnung zu verpflichten. Sie begehrte die Wiedergestattung ihres – durch die Coronaverordnung der Landesregierung untersagten – gastronomischen Angebots ausschließlich für Bewohner und Mitarbeiter der Einrichtung, die einen vollständigen Impfschutz gegen das Coronaviurs SARS-CoV-2 vorweisen könnten oder von einer COVID-19 Infektion nachweislich genesen seien.
Zur Ablehnung des Antrags führte der VGH in seinem Beschluss vom 18. März aus, nach dem derzeitigen Stand der virologischen und epidemiologischen Forschung sei es nicht zu beanstanden, dass Geimpfte oder Genesene weiterhin infektionsschutzrechtlichen Maßnahmen unterworfen seien. Es sei derzeit wissenschaftlich nicht ausreichend aufgeklärt, ob diese Personengruppen das SARS-CoV-2-Virus weitergeben könnten. Es sei daher nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner die begehrte Ausnahmegenehmigung von dem grundsätzlichen Betriebsverbot für Gastronomiebetriebe nicht erteilt habe. Sollten in der Zukunft belastbare wissenschaftliche Aussagen zur Klärung der Fragen der Transmission vorliegen, werde freilich gerade auch die Landesregierung als Verordnungsgeber umgehend gehalten sein, diese auszuwerten und gegebenenfalls durch angepasste Maßgaben in der CoronaVO umzusetzen (Pressemitteilung des VGH vom 18.03.2021).
Anhörungsrüge:
Die Antragstellerin hat gegen den Beschluss des VGH vom 18. März Anhörungsrüge erhoben und geltend gemacht, der VGH habe Vorbringen übergangen. Der Antragsgegner ist der Anhörungsrüge entgegengetreten. Über die Anhörungsrüge ist noch nicht entschieden.
Im Anhörungsrügeverfahren hat der VGH heute den Beteiligten einen Vergleichsvorschlag gemacht. Nach diesem Vergleichsvorschlag gestattet der Antragsgegner der Antragstellerin, den Betrieb ihres Cafés als Gemeinschaftsraum mit Zugangsmöglichkeiten ausschließlich für Bewohnende und Mitarbeitende, die gegen das SARS-CoV-2-Virus geimpft sind oder nachweislich eine Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus überstanden haben und nicht mehr infektiös sind, wiederaufzunehmen.
Zur Begründung seines Vergleichsvorschlags führt der 1. Senat aus: Der Präsident des Robert Koch-Instituts habe mit Schreiben vom 31. März an das Bundesministerium für Gesundheit unter anderem ausgeführt, nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand sei das Risiko einer Virusübertragung durch Personen, die vollständig geimpft worden seien, spätestens zum Zeitpunkt ab dem 15. Tag nach Gabe der zweiten Impfdosis geringer als bei Vorliegen eines negativen Antigen-Schnelltests bei symptomlosen infizierten Personen. Aus Public Health-Sicht erscheine das Risiko einer Virusübertragung durch Impfung nach gegenwärtigem Kenntnisstand in dem Maße reduziert, dass Geimpfte bei der Epidemiologie der Erkrankung wahrscheinlich keine wesentliche Rolle mehr spielten. Das Robert Koch-Institut habe zudem mittlerweile seine Bewertung der Wirksamkeit der Impfungen modifiziert. In seiner im Zeitpunkt des Beschlusses vom 18. März aktuellen Bewertung sei es als zurzeit noch unsicher bezeichnet worden, in welchem Maße auch Geimpfte nach Kontakt mit dem Erreger diesen vorübergehend noch in sich tragen und andere Personen anstecken könnten. In der aktuellen Bewertung vom 1. April (unter FAQ, COVID-19 und Impfen, „Warum sollten auch COVID-19-geimpfte Personen die Infektionsschutzmaßnahmen weiterhin beachten?) heiße es, auf Basis der bisher vorliegenden Daten sei anzunehmen, dass die Virusausscheidung bei nach vollständiger Impfung Infizierten stark reduziert und damit das Risiko einer Übertragung (Transmission) vermindert sei. Es müsse jedoch davon ausgegangen werden, dass Menschen nach Kontakt mit dem Virus trotz Impfung infiziert werden könnten und dabei das Virus SARS-CoV-2 ausschieden. Daher sollten, solange das Infektionsgeschehen noch so dynamisch sei wie zurzeit, alle Maßnahmen eingehalten werden, um die Pandemie zurückzudrängen und alle Menschen bestmöglich vor Ansteckung zu schützen. Daher sollten als Vorsichtsmaßnahmen - bis zum Vorliegen weiterer Studiendaten - auch Geimpfte die Infektionsschutzmaßnahmen beachten.
Der Senat bewerte die Feststellungen des Robert Koch-Instituts dahin, dass Menschen nach Kontakt mit dem Virus trotz Impfung infiziert werden könnten und dabei das Virus SARS-CoV-2 ausschieden und daher als Vorsichtsmaßnahmen auch Geimpfte die Infektionsschutzmaßnahmen beachten sollten, dass die Virusausscheidung bei nach vollständiger Impfung Infizierten jedoch stark reduziert und damit das Risiko einer Transmission in einem Maße vermindert sei, dass Geimpfte bei der Epidemiologie der Erkrankung wahrscheinlich keine wesentliche Rolle mehr spielten. Für die vorliegende Konstellation, dass eine Genehmigung nach § 20 Abs. 2 CoronaVO begehrt werde, den gastronomischen Betrieb eines Cafés als Gemeinschaftsraum einer Seniorenresidenz mit Zugangsmöglichkeiten ausschließlich für Bewohnende und Mitarbeitende zu gestatten, die gegen das SARS-CoV-2 geimpft seien oder nachweislich eine Infektion mit dem SARS-CoV-2 überstanden hätten und nicht mehr infektiös seien, dürften daher nach vorläufiger Einschätzung überwiegende Gründe dafür sprechen, dass aufgrund der geänderten Erkenntnislage des Robert Koch-Instituts ein Anspruch auf die Ausnahmegenehmigung nun zu bejahen sei.
Im Verfahren der Anhörungsrüge nach § 152a VwGO könnten jedoch neue Tatsachen nicht geltend gemacht werden. Der Senat könne die neue Bewertung durch das Robert Koch-Institut auch nicht in einem Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO durch eine etwaige Abänderung seines Beschlusses von Amts wegen berücksichtigen. Denn der Senat sei nicht Gericht der Hauptsache im Sinne von § 80 Abs. 7 VwGO.
Aufgrund der geschilderten, geänderten Tatsachenlage und der gegebenen prozessrechtlichen Situation halte der Senat daher den unterbreiteten Vergleich für sachgerecht.
Der VGH hat die Beteiligten gebeten, sich bis zum 12. April (Montag) zum Vergleichsvorschlag zu äußern.
Hinweis: Mündliche Auskünfte werden nicht erteilt. Ihre schriftlichen Anfragen können Sie wie stets gerne an die Pressestelle des VGH richten.