Die Antragstellerin - Betreiberin eines Seniorenzentrums im Landkreis Lörrach - beantragte beim Verwaltungsgericht, das Landratsamt Lörrach (Antragsgegner) zur Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 20 Abs. 2 Coronaverordnung zu verpflichten. Sie begehrte die Wiedergestattung ihres – durch die Coronaverordnung der Landesregierung untersagten – gastronomischen Angebots ausschließlich für Bewohner und Mitarbeiter der Einrichtung, die einen vollständigen Impfschutz gegen das Coronaviurs SARS-CoV-2 vorweisen könnten oder von einer COVID-19 Infektion nachweislich genesen seien.
Das Verwaltungsgericht Freiburg hat den Antrag mit Beschluss vom 3. März 2021 (8 K 435/21) mit der Begründung abgelehnt, dass es bislang nicht wissenschaftlich erwiesen sei, dass die Übertragung (Transmission) des Coronavirus durch geimpfte oder genesene Personen ausgeschlossen sei. Die betreffenden Bewohner und Mitarbeiter bewegten sich nicht in einer „geschlossenen Blase“, sondern unterhielten Außenkontakte mit Personen, die weder geimpft noch sonst immun gegen SARS-CoV-2 seien. Eine Weiterverbreitung der Infektion an diese Personen sei nicht ausgeschlossen, daher seien weiterhin die entsprechenden infektionsschutzrechtlichen Vorschriften einzuhalten.
Die hiergegen eingelegte Beschwerde hat der VGH am heutigen Tage zurückgewiesen.
Nach dem derzeitigen Stand der virologischen und epidemiologischen Forschung sei es nicht zu beanstanden, dass Geimpfte oder Genesene weiterhin infektionsschutzrechtlichen Maßnahmen unterworfen seien. Es sei derzeit wissenschaftlich nicht ausreichend aufgeklärt, ob diese Personengruppen das SARS-CoV-2-Virus weitergeben könnten. Es sei daher nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner die begehrte Ausnahmegenehmigung von dem grundsätzlichen Betriebsverbot für Gastronomiebetriebe nicht erteilt habe.
Zwar gebe es Berichte von Untersuchungen aus Israel, die den Schluss nahelegten, dass eine Impfung auch eine Weiterverbreitung verhindern könne. Diese Daten seien derzeit jedoch weder in einem wissenschaftlichen Fachmagazin noch als „Preprint“ veröffentlicht und hätten auch noch keinen wissenschaftlichen Begutachtungsprozess durchlaufen.
Solange eine wissenschaftliche Studie nicht begutachtet und veröffentlicht sei, könne dem Antragsgegner nicht vorgehalten werden, dass er sich mit ihr bislang nicht auseinandergesetzt habe. Dass etwaige Forschungsergebnisse von Robert Koch-Institut, Antragsgegner oder Landesregierung vorsätzlich ignoriert würden, sei nicht ersichtlich. Die vorhandene Datenlage reiche derzeit schlicht für eine valide Beurteilung der Situation nicht aus.
Gleiches gelte für die Beurteilung der Frage, ob Genesene das Virus weiterübertragen könnten.
Nach alledem sei nach derzeitigem Stand der Wissenschaft nicht auszuschließen, dass von Geimpften und Genesenen weiterhin eine Ansteckungsgefahr ausgehen und damit neue Infektionsketten - die das Gesundheitswesen weiterhin stark belasten könnten - entstehen könnten. Dieses Risiko wäre derzeit allenfalls vernachlässigbar, wenn auch außerhalb der „Blase“ des Betriebs der Antragstellerin eine Vielzahl von Personen immun bzw. durch eine Impfung vor einem schweren Krankheitsverlauf geschützt wären. Hiervon sei jedoch bei einer aktuellen Impfquote von 8,2 % Erstimpfungen und 3,6 % Zweitimpfungen bezogen auf die Gesamtbevölkerung (Stand 17.03.2021) derzeit noch nicht auszugehen. Das verbleibende Restrisiko sei daher auch nicht „sozialadäquat“.
Sollten in der Zukunft belastbare wissenschaftliche Aussagen zur Klärung der Fragen der Transmission vorliegen, werde freilich gerade auch die Landesregierung als Verordnungsgeber umgehend gehalten sein, diese auszuwerten und gegebenenfalls durch angepasste Maßgaben in der CoronaVO umzusetzen.
Der Beschluss vom 18. März 2021 ist unanfechtbar (Az. 1 S 774/21).
Hinweis: Mündliche Auskünfte werden nicht erteilt. Ihre schriftlichen Anfragen können Sie wie stets gerne an die Pressestelle des VGH richten.