Die Antragstellerin ist Inhaberin eines Friseursalons mit mehreren Angestellten im Landkreis Heilbronn. Sie hat mit ihrem am 2. Februar gestellten Eilantrag vorgetragen, bislang durchschnittlich einen jährlichen Umsatz von deutlich über 200.000 € erwirtschaftet zu haben. Seit der Schließung ab dem 11. Dezember habe sie im Vergleich zum Vorjahreszeitraum bis zum 29. Januar einen Umsatzverlust von mehr als 30.000 € erlitten. Sie habe bereits einen fünfstelligen Betrag aus ihrem Privatvermögen einsetzen müssen, um laufende Kosten zu decken. Die ihr entstehenden wirtschaftlichen Schäden würden derzeit überhaupt nicht oder noch nicht durch staatliche Entschädigungs- und Unterstützungsleistungen aufgefangen. Für den Monat Dezember habe sie keinen Anspruch auf staatliche Überbrückungshilfen, weil sie kurz vor der Schließung des Friseursalons im Dezember so umfangreich Friseurleistungen erbracht habe, dass sie die erforderliche Umsatzeinbuße von 30 % nicht habe verzeichnen können. Viele Hilfen könnten auch noch gar nicht beantragt werden und falls doch, sei dies komplex, umfangreich und zeitintensiv. Die Schließung greife unverhältnismäßig in ihre Grundrechte ein.
Der Antragsgegner ist dem Antrag entgegengetreten und hat geltend gemacht, wegen der Unsicherheiten infolge des Auftretens hochinfektiöser Mutationen des SARS-CoV-2-Virus in Baden-Württemberg sowie des noch nicht deutlich verbesserten Infektionsgeschehens seien die Betriebsschließungen verlängert worden.
Zur Begründung der Ablehnung des Eilantrags führt der 1. Senat des VGH aus, eine Gefahrenlage, die Betriebsuntersagungen rechtfertige, liege immer noch vor. Das pandemische Geschehen sei weiterhin angespannt, auch wenn seit Januar 2021 der „R-Wert“ konstant unter 1 liege und die Fallzahlen kontinuierlich sänken. Die Inzidenz der letzten 7 Tage liege deutschlandweit bei 68 Fällen pro 100.000 Einwohnern, in Baden-Württemberg bei 58. Durch das Auftreten verschiedener Virusvarianten bestehe aufgrund deren möglicherweise höherer Ansteckungsfähigkeit ein erhöhtes Risiko einer erneuten Zunahme der Fallzahlen.
Auch die Voraussetzungen des § 28a Abs. 3 IfSG lägen voraussichtlich vor. Mit diesen Regelungen - ausgehend von der Grundnorm des § 28a Abs. 3 Satz 2 IfSG - habe der Bundesgesetzgeber die Grundentscheidung getroffen, dass bei dem Erlass von Schutzmaßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie grundsätzlich ein differenziertes, gestuftes Vorgehen geboten sei, das sich an dem tatsächlichen regionalen Infektionsgeschehen orientieren solle. Für die aktuell vorliegende Situation einer bundes- und landesweiten Überschreitung des 7-Tages-Inzidenzwerts von 50 Infektionen je 100.000 Einwohnern sei der Anwendungsbereich des § 28a Abs. 3 Satz 9 und 10 IfSG eröffnet. Der Antragsgegner habe deshalb derzeit nach wie vor „landesweit abgestimmte umfassende, auf eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens abzielende Schutzmaßnahmen anzustreben“.
Im Hinblick auf eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens sei es vor dem Hintergrund zu erwartender Kundenbewegungen sinnvoll, Betriebsschließungen landeseinheitlich zu regeln. Es liege auf der Hand, dass z.B. geöffnete Friseurbetriebe in Landkreis X auch überregional Kunden aus anderen Regionen anziehen dürften und so gerade eine Mobilität zwischen Gebieten mit unterschiedlich hohen Infektionszahlen befördern könnte. Einer erneuten Ausbreitung von Infektionen würde hierdurch - anders im Falle der sog. „nächtlichen Ausgangssperre“ (s. Pressemitteilung vom 8. Februar 2021) - Vorschub geleistet.
Der Eingriff in das Grundrecht auf Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) sei verhältnismäßig. Die erheblichen Beeinträchtigungen seien den Betreibern von Friseurbetrieben bei der gebotenen Abwägung zum gegenwärtigen Zeitpunkt zumutbar. Ihren Belangen gegenüber stünden die ebenfalls gravierenden Folgen für Leib und Leben einer Vielzahl vom Coronavirus Betroffener, für die der Staat nach Art. 2 Abs. 2 GG eine Schutzpflicht habe, und die damit verbundene Erhaltung der Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems Deutschlands. Zum Überwiegen dieser Belange trage derzeit auch bei, dass zur Abmilderung der zu erwartenden wirtschaftlichen Einbußen weitgehende staatliche Hilfen vorgesehen seien. Der Einwand der Antragstellerin, die Beantragung der Hilfen sei mühevoll und zeitintensiv, führe zu keinem anderen Ergebnis, da der Antragstellerin entsprechende Anstrengungen, gegebenenfalls unter Zuhilfenahme von Fachleuten, zum Erhalt staatlicher Unterstützungsleistungen zugemutet werden könnten.
Zudem unterliege die Schließung von Betrieben als dauerhaft eingreifende Maßnahme der Verpflichtung der Landesregierung zur fortlaufenden Überprüfung, insbesondere, wie wirksam die Maßnahmen im Hinblick auf eine Verlangsamung der Verbreitung des Coronavirus seien, und wie sich die Schließungen für die betroffenen Betriebe auswirkten. Dass der Verordnungsgeber dieser Verpflichtung nicht nachkomme, sei nicht ersichtlich, er habe vielmehr am 10. Februar in Aussicht gestellt, das Betriebsverbot für Friseure „bei entsprechender Infektionslage“ ab dem 1. März aufzuheben
Der Beschluss vom 11. Februar 2021 ist unanfechtbar (Az. 1 S 380/21).