Bei den Antragstellern handelt es sich um den Schüler einer 5. Klasse eines Gymnasiums und seine alleinerziehende Mutter.
Sie haben sich zum einen gegen Vorschriften aus der Corona-Verordnung der Landesregierung und einer Verordnung des Kultusministeriums gewandt, die vorsehen, dass der Schulbetrieb an öffentlichen Schulen nur schrittweise wiederaufgenommen wird und u.a. in 5. Klassen derzeit grundsätzlich noch kein Präsenzunterricht stattfindet. Sie haben geltend gemacht, sie seien dadurch in ihren Grundrechten verletzt. Es seien bereits die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Schulschließung nicht erfüllt, weil es sich bei dem Coronavrius nur um einen Virus unter vielen Erregern handele. Jedenfalls seien die angefochtenen Regelungen unverhältnismäßig. Die Schließung der Schule stelle eine Kindeswohlgefährdung dar. Die ersatzweise bereitgestellten digitalen Lernangebote hätten sich als wenig zweckmäßig erwiesen. Der Antragsgegner habe gegen das Recht des Schülers auf gleiche Teilhabe an der Bildung verstoßen. Die bisherigen Maßnahmen hätten sich insgesamt als schwere Störung und akute Gefährdung seiner seelischen und geistigen Entwicklung erwiesen.
Die Antragsteller haben sich außerdem gegen Vorschriften in der Corona-Verordnung der Landesregierung gewandt, die das Kultusministerium dazu ermächtigen, infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus im Bereich von Gottesdiensten anzuordnen. Sie haben dazu vorgetragen, der Schüler sei überzeugter Christ und Mitglied einer altkatholischen Gemeinde. Ein Gottesdienst nach altkatholischem Ritus und eine Gemeindeversammlung seien weiterhin untersagt. Die Corona-Verordnung stelle ein absolutes Religionsausübungsverbot dar und sei verfassungswidrig.
Der 1. Senat des VGH hat den Antrag abgelehnt. Zur Begründung führt er aus: Die Schließung von Schulen sei im Gesetz (§ 33 Infektionsschutzgesetz) ausdrücklich als Möglichkeit vorgesehen. Sie bezwecke, die Verbreitung des Coronavirus durch Unterbrechung der Infektionsketten zu verlangsamen. Beeinträchtigungen in der grundrechtlich geschützten Berufsausübung (Art. 12 GG) und der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) habe die Mutter wegen des hohen Gewichts des Gesundheitsschutzes hinzunehmen. Das gelte umso mehr, als die nachteiligen Folgen für die Betroffenen durch die Regelungen über die Gewährleistung der sog. Notbetreuung, die digitalen Unterrichts- und Lernangebote sowie die ergänzenden Präsenzlernangebote für digital nicht erreichbare oder besondere Bedarfe aufweisende Kinder etwas abgefedert würden. Wirtschaftliche Folgen für die Betroffenen würden zudem durch Hilfsprogramme der staatlichen Stellen etwas abgemildert.
Die Schulschließung sei auch mit dem grundrechtlichen Schutz der Familie vereinbar. Art. 6 Abs. 1 GG schütze insoweit die Familie als Autonomie- und Lebensbereich und insbesondere das Zusammenleben von Eltern und Kindern in einer häuslichen Gemeinschaft vor Eingriffen des Staates. Ein solcher Eingriff des Staates in das Zusammenleben der Familie fehle hier. Denn die Schulschließung führe gerade dazu, dass sich der Sohn überwiegend bei der Mutter selbst aufhalte und von ihr zu betreuen sei. Auch die sich aus Art. 6 GG folgende Schutz- und Förderpflicht des Staats zugunsten der Familie sei nicht verletzt. Zwar habe der Staat die Aufgabe, die Pflege- und Erziehungstätigkeit der Eltern durch geeignete wirtschaftliche Maßnahmen zu unterstützen und zu fördern. Konkrete Ansprüche auf bestimmte staatliche Leistungen ließen sich aus der Verfassung jedoch nicht herleiten.
Die schrittweise Wiederaufnahme des Schulbetriebs mit zunächst nur einigen Klassenstufen verstoße voraussichtlich auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Die Entscheidung für eine schrittweise Wiederaufnahme des Schulbetriebs diene dazu, die mit den Schulschließungen verbundenen Eingriffe in die allgemeine Handlungsfreiheit der Beteiligten abzumildern, ohne die bei einer sofortigen und schrankenlosen Freigabe der Kontaktmöglichkeiten in Schulen drohende Gefahr zu schaffen, dass die Infektionszahlen in kurzer Zeit wieder in die Höhe schnellten. Bei der Entscheidung, die schrittweise Wiederaufnahme des Schulbetriebes mit den prüfungsnahen Klassenstufen zu beginnen, habe der Antragsgegner zum einen berücksichtigen dürfen, dass dort ältere Schülerinnen und Schüler zusammenkämen, bei denen typischerweise eher zu erwarten sei, dass sie die Hygiene- und Abstandsvorgaben beachten würden. Er habe ferner berücksichtigen dürfen, dass der Bedarf an Präsenzunterricht bei Schülerinnen und Schülern in zeitlicher Nähe zu den Abschlussprüfungen besonders hoch sei. Der Grund für eine Differenzierung zwischen den gewählten Klassenstufen sei mithin infektionsschutzrechtlich, grundrechtlich und pädagogisch begründet und beruhe damit insgesamt auf sachlichen Erwägungen.
Durch die Corona-Verordnung werde der Schüler voraussichtlich auch nicht in seinem Grundrecht auf Religionsfreiheit (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG) verletzt. Die Corona-Verordnung stelle klar, dass Veranstaltungen und sonstige Ansammlungen von Kirchen sowie Religions- und Glaubensgemeinschaften zur Religionsausübung zulässig seien. Die auf ihrer Grundlage erlassene Verordnung des Kultusministeriums über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus im Bereich von Gottesdiensten begründe nicht, wie die Antragsteller behaupteten, ein „absolutes Religionsausübungsverbot“. Die darin geregelten Vorgaben u.a. zur Einhaltung von Abstands- und Hygieneregeln seien zwar gleichwohl erhebliche Eingriff in die Glaubensfreiheit, diese seien dem Antragsteller aber wegen des hohen Gewichts des Gesundheitsschutzes derzeit zumutbar.
Der Beschluss vom 18. Mai 2020 ist unanfechtbar (Az. 1 S 1357/20).