Stadt Blumberg: Teilwiderruf des Planfeststellungsbeschlusses für den Betrieb der “Sauschwänzlebahn“ aufgehoben

Datum: 17.07.2018

Kurzbeschreibung: 
Der zum Schutz von Fledermäusen in der Winterzeit ergangene Teilwiderruf des Planfeststellungsbeschlusses zum Betrieb der Museumsbahn der Stadt Blumberg auf dem Streckenabschnitt zwischen den Bahnhöfen Weizen und Zollhaus Blumberg ist rechtswidrig. Zwar sind Maßnahmen zum Schutz streng geschützter Fledermausarten, die in den Tunneln der Strecke überwintern, zwingend notwendig. Das Regierungspräsidium Freiburg hat jedoch nicht ausreichend geprüft, ob zumindest ein eingeschränkter Winterbetrieb der Museumsbahn ohne Gefährdung der Tiere möglich ist. Dieser Fehler führt zur Aufhebung des Teilwiderrufs. Das hat der 5. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (VGH) mit einem heute verkündeten Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung vom 4. Juli 2018 entschieden.

Die Stadt Blumberg betrieb auf der Grundlage eines Planfeststellungsbeschlusses aus dem Jahr 1978 auf dem besonders kurvenreichen Streckenabschnitt zwischen den Bahnhöfen Weizen und Zollhaus Blumberg, auf dem die Deutsche Bundesbahn ihren Betrieb im Jahr 1976 endgültig aufgegeben hatte, eine Museumsbahn. Im Jahr 2013 hat die Klägerin, ein Tochterunternehmen der Stadt, den Betrieb übernommen. Über mehrere Jahrzehnte wurden Personenfahrten lediglich außerhalb der Wintermonate durchgeführt. Im Jahr 2013 plante die Klägerin, ihr touristisches Angebot künftig unter anderem um sog. „Nikolausfahrten“ im Dezember zu ergänzen. Bereits zuvor durchgeführte Untersuchungen hatten allerdings ergeben, dass die Tunnel in dem Streckenabschnitt, insbesondere der Weiler Kehrtunnel, mehreren Fledermausarten, insbesondere der Mopsfledermaus, als Winterruhestätten dienen. Angesichts der befürchteten Störung der Tiere untersagte das Landratsamt des Schwarzwald-Baar-Kreises als untere Naturschutzbehörde zuletzt im Jahr 2014 die geplanten Winterfahrten. Ein gegen diese Untersagung gerichteter Eilantrag der Klägerin hatte beim VGH Erfolg. Der VGH hielt das Landratsamt wegen des umfassenden Planfeststellungsbeschlusses für unzuständig. Aus diesem Grund widerrief das Regierungspräsidium Freiburg als Planfeststellungsbehörde am 27. Oktober 2016 den Planfeststellungsbeschluss aus dem Jahr 1978 insoweit, als dieser einen Bahnbetrieb zwischen dem 1. November eines jeden Jahres und dem 31. März des Folgejahres zulässt. Die dagegen gerichtete Klage der Klägerin hatte Erfolg.

Zur Begründung hat der Vorsitzende des 5. Senats bei der mündlichen Urteilsverkündung im Wesentlichen ausgeführt:

Entgegen der Ansicht der Klägerin lägen hinreichende Gründe für eine nachträgliche Beschränkung des Bahnbetriebs grundsätzlich vor. Ob sich solche Gründe schon daraus ergäben, dass die Nutzung der Bahnstrecke mit den Erhaltungszielen des FFH-Schutzgebiets „Blumberger Pforte und Wutachflühen“, in dessen Einwirkungsbereich sich einige Tunnel befänden, unvereinbar sei, könne dahinstehen. Denn das Regierungspräsidium habe dies nicht näher im Rahmen einer FFH-Verträglichkeitsprüfung untersucht. Eine Beschränkung des Winterbetriebs sei jedoch aus Gründen des europarechtlichen Artenschutzes grundsätzlich gerechtfertigt. Bei den in den Tunneln nachweislich überwinternden Fledermäusen, insbesondere den Mopsfledermäusen, handele es sich um streng geschützte Arten, die bei Befahrung der Tunnel gestört und dadurch gefährdet würden. Aus den vom Regierungspräsidium eingeholten Stellungnahmen mehrerer Sachverständiger sowie den Angaben der in der mündlichen Verhandlung ergänzend angehörten Sachverständigen ergebe sich, dass durchfahrende Züge das Tötungsrisiko für die Tiere signifikant erhöhten. Hiermit verbunden sei eine Gefährdung des Erhaltungszustands der örtlichen Population der Mopsfledermaus, die zu einer der größten in der Bundesrepublik Deutschland zähle. Ein mögliches Vertrauen der Klägerin auf den Bestand des Planfeststellungsbeschlusses aus dem Jahr 1978 stehe einer nachträglichen Beschränkung nicht entgegen. Denn die nationalen Regelungen zum Artenschutz setzten zwingendes Recht der Europäischen Union um, das nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union auch - im Sinne einer fortlaufenden Verpflichtung - für den Fortbetrieb von Altanlagen gelte.

Das Regierungspräsidium Freiburg habe jedoch ermessensfehlerhaft die Prüfung unterlassen, ob mildere, die Klägerin weniger belastende Maßnahmen als ein Teilwiderruf des Planfeststellungsbeschlusses zum Schutz der Fledermausarten möglich sind. Der Teilwiderruf des Planfeststellungsbeschlusses bewirke ein vollständiges Fahrverbot für den streitigen Streckenabschnitt zwischen Oktober und März. Vor einer derart weitgehenden Maßnahme hätte die Behörde zunächst unter Mitwirkung der Klägerin prüfen müssen, ob mit bestimmten, gegebenenfalls durch Nebenbestimmungen zum Planfeststellungsbeschluss festzulegenden betrieblichen oder sonstigen Vorkehrungen die Befahrung der gesamten Strecke oder auch nur einzelner Tunnel zu bestimmten Zeiten, zumindest zur Durchführung von Wartungs- und Reparaturarbeiten, unter gleichzeitig hinreichendem Schutz der Tiere sichergestellt werden könne. Das sei nicht geschehen und müsse nachgeholt werden. Erst wenn eine solche Prüfung ergäbe, dass derartige Vorkehrungen keinen hinreichenden Schutz für die Tiere böten, käme ein Teil-Widerruf des Planfeststellungsbeschlusses in Betracht. Das Regierungspräsidium Freiburg habe zu erwägen, ob bis zum Abschluss der Prüfung vorläufige Schutzmaßnahmen zur Abwehr einer unmittelbaren Gefahr für die Fledermäuse geboten sind. Insoweit sei auch nicht ausgeschlossen, dass es unter Umständen zu einer vorläufigen Untersagung von touristischen Fahrten in der kommenden Wintersaison kommen könnte.

Die Revision wurde nicht zugelassen. Die Nichtzulassung der Revision kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden (5 S 2117/16).

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