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Zweitveröffentlichungspflicht von Hochschullehrern: Verwaltungsgerichtshof ruft Bundesverfassungsgericht an
Datum: 06.11.2017
Kurzbeschreibung:
Mit Beschluss vom 26. September 2017 hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob § 44 Abs. 6 des Landeshochschulgesetzes - LHG - gegen Art. 71, Art. 73 Abs. 1 Nr. 9 GG verstößt. Nach der Überzeugung des 9. Senats hat das Land keine Befugnis, den Hochschullehrern eine Zweitveröffentlichungspflicht aufzuerlegen.
Nach § 44 Abs. 6 LHG sollen die Hochschulen die Angehörigen ihres wissenschaftlichen Personals durch Satzung verpflichten, das ihnen nach § 38 Abs. 4 UrhG zustehende Recht auf nichtkommerzielle Zweitveröffentlichung nach einer Frist von einem Jahr nach Erstveröffentlichung für entsprechende wissenschaftliche Beiträge wahrzunehmen. In der Satzung kann auch bestimmt werden, dass die Zweitveröffentlichung auf einem hochschuleigenen Dokumentenserver zu erfolgen hat. Auf dieser gesetzlichen Grundlage beruht die Satzung der Universität Konstanz (Antragsgegnerin), die den Gegenstand des von 17 Professoren (Antragsteller) beim Verwaltungsgerichtshof eingeleiteten Normenkontrollverfahrens bildet (vgl. bereits die Pressemitteilung vom 07.02.2017).
§ 44 Abs. 6 LHG ist nach der Überzeugung des 9. Senats mit dem Grundgesetz unvereinbar, weil dem Landesgesetzgeber insoweit die Gesetzgebungskompetenz gefehlt habe. Nach Art. 71 GG haben im Bereich der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung nur, wenn und soweit sie hierzu in einem Bundesgesetze ausdrücklich ermächtigt werden. Eine Ermächtigung in einem Bundesgesetz für den Erlass des § 44 Abs. 6 LHG gebe es nicht. Nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 9 GG habe der Bund für das Gebiet des Urheberrechts die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz. § 44 Abs. 6 LHG treffe eine Regelung auf dem Gebiet des Urheberrechts.
Zur Bestimmung der Materie „Urheberrecht“ dürfe der im geltenden Gesetzesrecht gesteckte Rahmen herangezogen werden. § 44 Abs. 6 LHG greife in den Regelungsbereich des Urheberrechts über. In der Bestimmung sei angelegt, den Urhebern der tatbestandlich erfassten wissenschaftlichen Beiträge das Ob und das Wie einer bestimmten Zweitverwertung ihrer Werke durch Satzung vorzugeben, was unter ausdrücklicher Anknüpfung an das in § 38 Abs. 4 UrhG normierte „Recht auf nichtkommerzielle Zweitveröffentlichung“ geschehe. Als Kehrseite dieser Verpflichtung zur Zweitverwertung ergäben sich neue erlaubte Nutzungen für all diejenigen, die - zu Zwecken von Bildung und Wissenschaft - auf die nichtkommerziell zugänglich gemachten Beiträge zugreifen wollten. Insoweit spreche alles dafür, § 44 Abs. 6 LHG als eine Komponente der sogenannten Bildungs- und Wissenschaftsschranke des Urheberrechts anzusehen.
Der Übergriff in den Kompetenzbereich des Bundes lasse sich nicht damit rechtfertigen, der Inhalt des § 44 Abs. 6 LHG gehöre auch beziehungsweise überwiegend zum Bereich des Hochschul-, des Dienst- oder des allgemeinen Wissenschaftsverbreitungsrechts und damit zu einer der Gesetzgebungskompetenz der Länder nach Art. 70 Abs. 1 GG unterfallenden Materie. Denn jedenfalls der Schwerpunkt der Vorschrift liege auf dem Gebiet des Urheberrechts. Mit der Regelung, ob dem Urheber eines wissenschaftlichen Werkes zum Teil die Befugnis über das Ob und das Wie einer „Zweitveröffentlichung“ genommen werde, habe die Norm genuin urheberrechtliche Zuordnungsfragen zum Gegenstand. Das in der Begründung des Gesetzentwurfs angesprochene öffentliche Interesse an der Wissenschaftsverbreitung („Open-Access-Gedanke“) bilde einen Gegenstand, der typischerweise gerade im Urheberrecht von Bedeutung sei und dort auch behandelt werde. In kompetenzrechtlicher Hinsicht bestehe eine Parallele zum Arbeitnehmererfindungsrecht, für das der Bundesgerichtshof bereits entschieden habe, dass die Gesetzgebungskompetenz des Bundes bestehe. Eine Überschneidung mit dem Dienst- und Arbeitsrecht lasse die Kompetenz aus Art. 73 Abs. 1 Nr. 9 GG nicht entfallen.
Die Zugehörigkeit der in § 44 Abs. 6 LHG geregelten Fragestellungen zum bundesrechtlichen Kompetenzbereich Urheberrecht werde auch durch die jüngsten Änderungen des Urheberrechtsgesetzes verdeutlicht. Mit dem Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz, das zum 01.03.2018 in Kraft trete (Art. 4 des Gesetzes), habe es der Bundesgesetzgeber unternommen, die Bildungs- und Wissenschaftsschranke des Urheberrechts neu zu strukturieren. Mit § 44 Abs. 6 LHG berühme sich der Landesgesetzgeber in der Sache der Kompetenz, sich in gleicher Weise bei der Neubestimmung der Bildungs- und Wissenschaftsschranke zu betätigen. Hierzu sei er nicht befugt.
Mit dem Vorlagebeschluss an das Bundesverfassungsgericht vom 26.09.2017 ist zugleich das Normenkontrollverfahren gegen die Satzung der Antragsgegnerin ausgesetzt worden (Az. 9 S 2056/16).