Mannheim: Fraktionsloser Gemeinderat erhält vorläufig kein Äußerungsrecht im Amtsblatt

Datum: 09.05.2017

Kurzbeschreibung: 
Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) hat in zwei Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes mit Beschlüssen vom 28. April 2017 entschieden, dass einem fraktionslosen Mitglied (Antragsteller) des Mannheimer Gemeinderats vorläufig kein Äußerungsrecht im Amtsblatt der Stadt Mannheim (Antragsgegnerin) einzuräumen ist.

Der Gemeinderat der Antragsgegnerin beschloss in der Sitzung vom 22.11.2016 ein Redaktionsstatut für das Amtsblatt. Dieses bestimmt, dass im Amtsblatt Fraktionen (mindestens 4 Gemeinderäte) und Gruppierungen (2 oder 3 Gemeinderäte) des Gemeinderats ihre Auffassungen zu Angelegenheiten der Kommune unter der Rubrik „Stimmen aus dem Gemeinderat“ darlegen können. Fraktionen erhalten ein Zeichenkontingent von 14.000 Zeichen plus 3.750 Zeichen pro Stadtrat, Gruppierungen eines von 7.500 Zeichen plus 3.750 Zeichen pro Stadtrat. Für Beiträge zu den Haushaltsberatungen bestehen weitere Kontingente. Einzelstadträte, die nicht Mitglied einer Fraktion oder einer Gruppierung sind, haben nach dem Redaktionsstatut kein Zeichenkontingent. Vor dem Beschluss vom 22.11.2016 war es Praxis der Antragsgegnerin, Einzelstadträten ein Zeichenkontingent von 3.750 Zeichen zu gewähren.

Gegen das Redaktionsstatut wendet sich der Antragsteller in einem Normenkontrollverfahren nach § 47 Abs. 1 VwGO, in dem er geltend macht, das Redaktionsstatut sei wegen Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz unwirksam (1 S 344/17). Ergänzend hierzu hat er beantragt, bis zur Entscheidung über das noch anhängige Normenkontrollverfahren durch einstweilige Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO das Redaktionsstatut vorläufig außer Kraft zu setzen (1 S 345/17).

Zudem beantragte der Antragsteller beim Verwaltungsgericht Karlsruhe, der Antragsgegnerin durch einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO aufzuerlegen, ihm vorläufig ein Zeichenkontingent für Beiträge im Amtsblatt der Antragsgegnerin von mindestens 3.750 Zeichen zu gewähren. Das Verwaltungsgericht lehnte den Antrag mit Beschluss vom 10. Februar 2017 ab. Hiergegen hat er Beschwerde zum VGH eingelegt (1 S 617/17).

Der 1. Senat des VGH hat mit den Beschlüssen vom 28. April 2017 den Antrag auf vorläufige Aussetzung des Redaktionsstatuts nach § 47 Abs. 6 VwGO (1 S 345/17) und die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe (1 S 617/17) abgelehnt.

Zur Begründung hat der VGH ausgeführt, ein Anspruch auf vorläufige Aussetzung des Redaktionsstatuts bestehe nicht (1 S 345/17). Die Erfolgsaussichten im anhängigen Normenkontrollverfahren seien offen. Gebe eine Gemeinde ein eigenes Amtsblatt heraus, das sie zur regelmäßigen Unterrichtung der Einwohner über die allgemein bedeutsamen Angelegenheiten der Gemeinde nutze, sei nach § 20 Abs. 3 Gemeindeordnung den Fraktionen des Gemeinderats Gelegenheit zu geben, ihre Auffassungen zu Angelegenheiten der Gemeinde im Amtsblatt darzulegen. Nach dieser gesetzlichen Regelung könnten Einzelstadträte keinen Anspruch auf Einräumung eines Veröffentlichungsrechts im kommunalen Amtsblatt haben. Es sei nicht erkennbar, dass die Beschränkung der Veröffentlichungsmöglichkeit auf Fraktionen in § 20 Abs. 3 Gemeindeordnung verfassungswidrig sei. Denn es sei anerkannt, dass Regelungen, bestimmte Rechte nur den im Gemeinderat vorhandenen Fraktionen einzuräumen und fraktionslose Gemeinderäte von diesen Rechten auszuschließen, im Hinblick auf die Bedeutung von Fraktionen zulässig sein können. Diese förderten nämlich eine Vorklärung des Meinungs- und Entscheidungsprozesses und strafften und erleichterten damit die Arbeit des Gemeinderats. Die Erfolgsaussichten in der Hauptsache seien gleichwohl offen. Denn der Gemeinderat der Antragsgegnerin habe es nicht bei der nach § 20 Abs. 3 Gemeindeordnung zulässigen Beschränkung des Veröffentlichungsrechts im Amtsblatt auf Fraktionen belassen, sondern darüber hinaus auch Gruppierungen ein solches Veröffentlichungsrecht eingeräumt. Die im Ausschluss des Veröffentlichungsrechts fraktionsloser Abgeordneter liegende Ungleichbehandlung im Verhältnis zu Gruppierungen müsse sich am Gleichbehandlungsgrundsatz messen lassen. Insoweit lasse die Argumentation der Antragsgegnerin, die angegriffenen Regelungen dienten der Straffung des Meinungsbildungsprozesses, nicht ohne Weiteres erkennen, aus welchen Gründen diese Straffung bei einem Veröffentlichungsrecht von sieben politischen Akteuren nicht beeinträchtigt, jedoch bei einem Veröffentlichungsrecht von zehn politischen Akteuren erheblich gestört sei. Trotz der offenen Erfolgsaussichten könne der Antragsteller eine vorläufige Aussetzung des Redaktionsstatuts jedoch nicht verlangen. Ihm entstehe durch das Redaktionsstatut kein schwerer Nachteil, der eine einstweilige Anordnung gebiete. Denn er habe andere Möglichkeiten, seine Auffassungen zu kommunalpolitischen Vorgängen publik zu machen.

Auch die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts sei unbegründet (1 S 617/17). Zutreffend habe das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass selbst bei Feststellung einer rechtswidrigen Ungleichbehandlung von fraktionslosen Gemeinderäten und Gruppierungen der Antragsteller wohl nur die Einräumung eines Zeichenkontingents für Gruppierungen im Gemeinderat beanstanden, aber nicht selbst die Einräumung eines entsprechenden Zeichenkontingents für Einzelstadträte verlangen könnte. Denn der Antragsgegnerin stünde es im Rahmen ihres Normsetzungsermessens voraussichtlich frei, allein den Fraktionen ein Zeichenkontingent zuzubilligen.

Die Beschlüsse vom 28. April 2017 sind unanfechtbar.

 

Für etwaige Rückfragen steht Herr Frank (Telefon: 292-4224) zur Verfügung.

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