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Verbot des Parkens auf schmalen Straßen in der Straßenverkehrs-Ordnung unwirksam
Datum: 08.03.2017
Kurzbeschreibung:
Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) hat mit heute verkündetem Urteil entschieden, dass § 12 Abs. 3 Nr. 3 der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) teilweise unwirksam ist. Die Vorschrift verbietet das Parken „vor Grundstücksein- und -ausfahrten, auf schmalen Fahrbahnen auch ihnen gegenüber“. Wer gegenüber einer Grundstücksein- oder -ausfahrt parke, könne nicht erkennen, ob dies erlaubt oder verboten sei. Denn es sei nicht hinreichend klar, was der Gesetzgeber mit dem Begriff der schmalen Fahrbahn meine. Die Norm sei daher zu unbestimmt und folglich unwirksam. Ein Anlieger könne ein Einschreiten der Straßenverkehrsbehörde folglich nicht schon wegen Verstößen gegen dieses Verbot, sondern nur verlangen, wenn er durch parkende Autos auf der gegenüberliegenden Straßenseite gehindert oder in erheblichem Maße behindert werde, die Grundstücksein- und -ausfahrt zu benutzen.
Der Kläger ist Eigentümer eines mit einem Wohnhaus und einer Garage bebauten Grundstücks in einem Karlsruher Wohngebiet. Das Grundstück grenzt an eine Gemeindestraße mit einer 5,50 m breiten Fahrbahn und einem 1,15 m breiten Gehweg. Die Garage ist vor dem Wohnhaus und etwas tiefer als dieses errichtet, so dass ihre Ausfahrt zur Straße leicht ansteigt. Parken auf der Straßenseite gegenüber andere Autos, kann der Kläger sein Auto nur unter mehrmaligem Rangieren auf die Straße bzw. von der Straße in seine Garage fahren. Im September 2012 beantragte der Kläger bei der Stadt Karlsruhe (Beklagte), auf der Fahrbahn gegenüber seiner Grundstücksausfahrt das Parken durch Verkehrszeichen zu verbieten. Das Parken sei dort bereits nach § 12 Abs. 3 Nr. 3 StVO unzulässig, weil die Fahrbahn im Sinne dieser Vorschrift "schmal" sei. Seit einiger Zeit würden gegenüber seinem Grundstück Autos eng hintereinander und nicht mehr wie bisher auf dem Gehweg geparkt. Dadurch betrage der Abstand zu seiner Garagenausfahrt nur noch 3,40 m. Eine geradlinige Ausfahrt sei mit seinem 4,92 m langen Auto völlig unmöglich. Er könne jetzt fast nur noch unter Mithilfe einer weiteren Person mit mehrmaligem Rangieren risikolos auf die Straße fahren.
Die Beklagte lehnte den Antrag nach einem Fahrversuch mit dem Kläger ab. Es sei zwar grundsätzlich möglich, das gesetzliche Parkverbot nach § 12 Abs. 3 Nr. 3 StVO im Einzelfall durch Anordnung von Verkehrszeichen, etwa einer Grenzmarkierung (Zeichen 299 StVO) oder eines Haltverbots (Zeichen 286 StVO), zu konkretisieren. Die Fahrbahn der betreffenden Straße sei beim Grundstück des Klägers jedoch nicht im Sinne des gesetzlichen Parkverbots "schmal", weil die Ausfahrt von diesem Grundstück im Falle eines gegenüber parkenden Autos in vorsichtiger Fahrweise und bei frühzeitigem Einlenken mit maximal zweimaligem Vor- und Zurücksetzen möglich sei. Bei einer solchen Sachlage sei eine Fahrbahn nicht "schmal", wie verschiedene Gerichte entschieden hätten.
Gegen diese Entscheidung erhob der Kläger nach erfolglosem Widerspruch beim Verwaltungsgericht Karlsruhe Klage. Das Verwaltungsgericht nahm einen Augenschein ein, bei dem der Kläger demonstrierte, dass er mit seinem Auto erst nach dreimaligem Rangieren auf die Straße fahren könne. Das Verwaltungsgericht wies die Klage anschließend u.a. mit der Begründung ab, angesichts des heutigen Straßenverkehrs und des herrschenden Parkdrucks sei je nach den örtlichen Verkehrsverhältnissen auch ein dreimaliges Rangieren mit einem Auto heute üblicher Größe noch verkehrsadäquat. Mit dem heute verkündeten Urteil auf Grund mündlicher Verhandlung vom 22. Februar 2017 hat der VGH die Berufung des Klägers gegen dieses Urteil zurückgewiesen.
Zur Begründung hat der Vorsitzende des 5. Senats bei der mündlichen Urteilsverkündung im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte über seinen Antrag auf Erlass einer verkehrsrechtlichen Anordnung erneut entscheide.
Ein solcher Anspruch folge entgegen der Ansicht des Klägers nicht schon daraus, dass auf der seiner Garagenausfahrt gegenüberliegenden Straßenseite ein gesetzliches Parkverbot nach § 12 Abs. 3 Nr. 3 StVO bestehe, das dem Schutz seines Anliegergrundstücks diene und regelmäßig missachtet werde. Denn das betreffende Parkverbot nach § 12 Abs. 3 Nr. 3 StVO sei mangels Bestimmtheit unwirksam. Der Begriff “schmal” genüge nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Bestimmtheit von Normen. Es sei nicht möglich, den Begriff anhand anerkannter Auslegungsregeln zu konkretisieren. Verschiedene Oberlandes- und Oberverwaltungsgerichte hätten zwar als Maßstab eine maximal zulässige Zahl an Rangiervorgängen entwickelt, die für eine Ein- oder Ausfahrt im Einzelfall zumutbar seien. Die in der Rechtsprechung als zumutbar angesehene Anzahl der Rangiervorgänge variiere aber erheblich. Ungeachtet dessen sei dieses einzelfallbezogene Kriterium zur Konkretisierung des Begriffs "schmal" ohnehin untauglich. Denn der Adressat des bußgeldbewehrten Verbots, der Fahrer eines auf der gegenüberliegenden Seite einer Grundstücksein- und -ausfahrt geparkten Autos, könne selbst nicht hinreichend sicher ermitteln oder verlässlich einschätzen, wie viele Rangiervorgänge im jeweiligen Einzelfall nötig seien.
Der Kläger könne zwar auch unabhängig von der Gültigkeit des gesetzlichen Parkverbots nach § 12 Abs. 3 Nr. 3 StVO ein Einschreiten der Straßenverkehrsbehörde aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs verlangen, wenn er bei einem Parken von Autos auf der gegenüberliegenden Straßenseite daran gehindert oder in erheblichem Maße behindert würde, diese Garage zu benutzen. Diese Voraussetzungen seien hier aber bei Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles nicht erfüllt. Ein zu Lasten des Klägers gehender Gesichtspunkt sei insbesondere, dass er eine befestigte private Verkehrsfläche (Gehweg und Autostellplatz) neben der Garagenausfahrt auf seinem Grundstück höher als diese angelegt und mit Steinen begrenzt habe. Denn infolgedessen könne diese Fläche beim Herausfahren auf die Straße nicht mitbenutzt werden. Die dadurch bedingte höhere Anzahl von Rangiervorgängen habe der Kläger selbst zu vertreten und daher hinzunehmen. Denn es sei ihm zumutbar, die Garagenausfahrt insoweit zu verbreitern.
Die Revision zum Bundesverwaltungsgericht wurde zugelassen, da die Frage der Wirksamkeit des § 12 Abs. 3 Nr. 3 StVO grundsätzliche Bedeutung hat. Diese kann vom Kläger binnen einen Monats nach Zustellung des schriftlichen Urteils eingelegt werden (Az. 5 S 1044/15).