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Universitätsklinik Freiburg: Keine Abfindung für Prof. Dr. Friedl
Datum: 21.07.2015
Kurzbeschreibung: Prof. Dr. Friedl (Kläger) hat gegen die Universitätsklinik Freiburg (Beklagter) keinen Anspruch auf Zahlung der am 20. Februar 2009 vereinbarten 1,98 Mio. Euro Abfindung. Sein Abfindungsanspruch ist wegen nachträglichen Wegfalls der Geschäftsgrundlage entfallen. Das hat der 9. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (VGH) in einem in der letzten Woche zugestellten Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung vom 29. Juni 2015 entschieden und die Berufung des Klägers gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg (VG) zurückgewiesen, das seine Zahlungsklage abgewiesen hatte.
Der Kläger war seit 1997 Universitätsprofessor und Leiter der Abteilung Unfallchirurgie der Beklagten. Sein Dienstherr, das Land Baden-Württemberg (Beigeladener), leitete im Jahr 2000 unter dem Vorwurf schuldhaft fehlerhafter medizinischer Behandlung mehrerer Patienten ein Disziplinarverfahren gegen ihn ein und suspendierte ihn vorläufig vom Dienst. Das Disziplinarverfahren wurde wegen eines Strafverfahrens ausgesetzt. Im Februar 2003 verurteilte das Landgericht Freiburg den Kläger wegen vorsätzlicher Körperverletzung und fahrlässiger Körperverletzungen in drei Fällen zu 270 Tagessätzen á 90 Euro Gesamtgeldstrafe. Im Februar 2004 kündigte der Beigeladene die mit dem Kläger im Jahr 1997 geschlossene Vereinbarung über die Berufung als Leiter der Abteilung Unfallchirurgie (Berufungsvereinbarung). Das VG wies die dagegen erhobene Klage des Klägers im Juli 2006 ab. Anschließend stellte der Kläger einen Antrag auf Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil. Im April 2008 ordnete der VGH das Ruhen des Zulassungsverfahrens an.
Am 20. Februar 2009 vereinbarten der Kläger, der Beklagte und der Beigeladene außergerichtlich, dass der Kläger seine Entlassung aus dem Beamtenverhältnis beantragt, der Beklagte ihm 1,98 Mio. Euro Abfindung für entgangene und zukünftig entgehende Einkünfte aus Privatliquidation zahlt und alle Beteiligten eine Erledigung sämtlicher offenen Verfahren herbeiführen.
Unter Hinweis auf diese Vereinbarung erklärte der Beigeladene gegenüber dem VGH das Verfahren über den Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das klageabweisende Urteil des VG für in der Hauptsache erledigt. Auf die Bitte des VGH mitzuteilen, ob der Anregung des Beigeladenen folgend die Hauptsache ebenfalls für erledigt erklärt werde, teilte der Prozessbevollmächtigte des Klägers telefonisch mit, dass vom Kläger noch keine Erklärung abgegeben werde. Mit Beschluss vom 24. April 2009 lehnte der VGH den Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des VG ab.
Ende April 2009 wies der Beigeladene den Kläger darauf hin, im Lichte des VGH-Beschlusses vom 24. April 2009 sei die Vereinbarung vom 20. Februar 2009 nicht mehr vollziehbar. Der Kläger werde aufgefordert, die Verhandlungen wieder aufzunehmen, sowie um Äußerung gebeten, ob er seinen Entlassungsantrag aufrechterhalte. Der Kläger erwiderte, er halte an der Vereinbarung und an seinem Entlassungsantrag fest. Am 17. Juni 2009 entließ der Beklagte den Kläger auf seinen Antrag aus dem Beamtenverhältnis und stellte kurz darauf das Disziplinarverfahren ein. Im Juli 2009 fochten der Beklagte und der Beigeladene die Vereinbarung vom 20. Februar 2009 aus mehreren Gründen an. Die Abfindung wurde nicht ausgezahlt.
Im November 2011 hat der Kläger beim VG Klage auf Zahlung der Abfindung und Feststellung erhoben, dass der Beklagte ihm zum Ersatz des Schadens verpflichtet ist, der ihm durch die Nichtauszahlung der Abfindung entstanden ist und künftig entsteht. Das VG hat die Klage im Dezember 2013 abgewiesen. Der VGH hat diese Entscheidung mit seinem Berufungsurteil vom 29. Juni 2015 im Ergebnis bestätigt.
Der Kläger könne vom Beklagten weder die Zahlung von 1,98 Mio. Euro noch die begehrte Feststellung verlangen.
Die Vereinbarung vom 20. Februar 2009 sei vorbehaltlich rechtlicher Bedenken, die das Vertragsformverbot beträfen, ein wirksamer öffentlich-rechtlicher Vergleichsvertrag. Ein solcher Vertrag erfordere eine bei verständiger Würdigung des Sachverhalts oder der Rechtslage bestehende Ungewissheit, die durch gegenseitiges Nachgeben beseitigt werde. Diese Voraussetzungen seien hier erfüllt gewesen. Entgegen der Ansicht des VG sei es bei Abschluss der Vereinbarung höchst ungewiss gewesen, ob der Kläger dauerhaft von der Abteilungsleitung hätte ferngehalten und damit der Erwerb von Ansprüchen aus Privatliquidation hätte verhindert werden können. Die Vereinbarung verstoße auch nicht gegen ein gesetzliches Verbot. Die im Universitätsklinika-Gesetz festgelegte Pflicht des Beklagten zur Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sei kein Verbotsgesetz.
Der Abfindungsanspruch sei aber nachträglich entfallen. Zwar sei die Vereinbarung nicht schon durch Anfechtung wegen Irrtums oder arglistiger Täuschung rückwirkend unwirksam geworden. Der Abfindungsanspruch sei auch nicht dadurch entfallen, dass der Kläger seine ihm nach der Vereinbarung obliegende Pflicht, das Verfahren über den Antrag auf Zulassung der Berufung für in der Hauptsache erledigt zu erklären, infolge des VGH-Beschlusses vom 24. April 2009 nicht mehr habe erfüllen können. Der Abfindungsanspruch sei aber wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage entfallen. Zentrales gemeinsames Ziel der Beteiligten bei Abschluss der Vereinbarung im Februar 2009 sei gewesen, sämtliche zwischen den Beteiligten schwebenden Verfahren ohne gerichtliche Sachentscheidung vergleichsweise zu erledigen. Der Ungewissheit über den Ausgang des Verfahrens über den Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung betreffend die Teil-Kündigung seiner Berufungsvereinbarung habe eine Risikoverteilung zwischen den Beteiligten entsprochen, die das konkrete Maß des gegenseitigen Gebens und Nehmens bestimmt habe. Die Grundlage dieser von den Beteiligten gemeinsam vorausgesetzten Risikoverteilung sei durch den VGH-Beschluss vom 24. April 2009 nachträglich entfallen. Denn dadurch sei das Urteil des VG rechtskräftig geworden, das die Rechtmäßigkeit der Teil-Kündigung des Klägers bestätigt habe. Nunmehr habe festgestanden, dass der Kläger keine Berechtigung gehabt habe, in die Abteilungsleitung zurückzukehren, und habe sich das beim Beklagten insoweit bestehende Unterliegens-Risiko aufgelöst. Allein dieses Risiko habe es jedoch gerechtfertigt, dem Kläger eine Abfindung für entgangene und künftig entgehende Einkünfte aus Privatliquidation zu gewähren. Deshalb sei dem Beklagten ein Festhalten an der Verpflichtung zur Zahlung einer Abfindung nicht mehr zuzumuten gewesen.
Der VGH hat die Revision nicht zugelassen. Diese Entscheidung kann binnen eines Monats nach Zustellung des Urteils durch Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden (Az.: 9 S 280/14).