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Juristenausbildung in Baden-Württemberg: "Mannheimer Modell" ist rechtmäßig; Grundsatz der Chancengleichheit nicht verletzt
Datum: 27.03.2015
Kurzbeschreibung: Die Vorschriften der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Juristen in Baden-Württemberg (JAPrO) über gestufte Kombinationsstudiengänge sind mit höherrangigem Recht vereinbar. Die danach bestehende, im herkömmlichen Jura-Studiengang nicht eröffnete Möglichkeit, die Aufsichtsarbeiten der Staatsprüfung in der Ersten juristischen Prüfung zeitlich abgeschichtet in zwei Blöcken zu schreiben, verletzt nicht den Grundsatz der Chancengleichheit. Das hat der 9. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg mit einem in dieser Woche zugestellten Urteil vom 10. März 2015 entschieden.
Die Juristenausbildung in Baden-Württemberg umfasst grundsätzlich ein Universitätsstudium und das Referendariat. Das Universitätsstudium wird mit der Ersten juristischen Prüfung, bestehend aus einer Staatsprüfung und einer Universitätsprüfung, abgeschlossen. Der schriftliche Teil der Staatsprüfung umfasst sechs Klausuren, davon drei aus dem Zivilrecht, eine aus dem Strafrecht und zwei aus dem öffentlichen Recht. Mit einer Verordnung zur Änderung der JAPrO vom 25. August 2008 (GBl. S. 298) ermöglichte das Justizministerium Baden-Württemberg zur Erprobung an der Universität Mannheim und befristet bis zum 30. April 2019 "gestufte Kombinationsstudiengänge": In diesen kann der schriftliche Teil der Staatsprüfung zeitlich "abgeschichtet" abgelegt werden. Die Universität Mannheim führte daraufhin den Studiengang "Unternehmensjurist/in" ein. Dieser sieht ein sechssemestriges Jurastudium mit einer wirtschaftswissenschaftlichen Ausbildung bis zum Bachelor vor. Haben die Studierenden die schriftliche Bachelor-Prüfung und die drei Zivilrechts-Klausuren der Staatsprüfung bestanden, können sie ein Masterstudium aufnehmen oder den zur vollständigen Staatsprüfung führenden Ergänzungsstudiengang wählen und schließlich die restlichen Klausuren der Staatsprüfung ablegen ("Mannheimer Modell").
Die Klägerin hat an der Universität Tübingen im herkömmlichen Studiengang Jura studiert und zum zweiten Mal - und damit endgültig - die Staatsprüfung in der Ersten juristischen Prüfung nicht bestanden. Mit ihrer Klage begehrte sie u.a. eine erneute Wiederholung der Prüfung mit dem Einwand, das "Mannheimer Modell" verstoße gegen die Chancengleichheit. Die zeitliche Abschichtung von Prüfungsleistungen verzerre den landesweiten Maßstab der Staatsprüfung. Studierende der Kombinationsstudiengänge könnten sich zunächst nur auf einen Teil des Prüfungsstoffes vorbereiten. Das entlaste sie im nachfolgenden Abschnitt der Staatsprüfung, vor allem was die zu erbringende Gedächtnisleistung angehe. Eine solche Vergünstigung gebe es für Studierende an anderen Hochschulen in Baden-Württemberg nicht. Das Verwaltungsgericht Sigmaringen hat die Klage abgewiesen. Der VGH hat die dagegen eingelegte Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
Die Vorschriften der JAPrO über gestufte Kombinationsstudiengänge seien mit höherrangigem Recht vereinbar. Vorschriften, die für einen Beruf eine bestimmte Vor- und Ausbildung sowie das Bestehen einer Prüfung verlangten, erforderten wegen des Konkurrenzverhältnisses der Prüflinge eine besonders weitgehende Gleichbehandlung. Nach diesem im Grundrecht der Berufsfreiheit in Verbindung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz verankerten Grundsatz der Chancengleichheit müssten für vergleichbare Prüflinge so weit wie möglich vergleichbare Prüfungsbedingungen und Bewertungskriterien gelten. Es gebe aber keine starre Regel, dass gleichzeitig erbrachte Prüfungsleistungen stets nach gleichem Prüfungsrecht behandelt werden müssten. Eine unterschiedliche Behandlung im Hinblick auf den Zeitpunkt der Prüfungsleistung verletze den Grundsatz der Chancengleichheit nur, wenn sie nicht sachgerecht sei oder dazu führe, dass die erbrachten Leistungen nicht mehr als vergleichbar betrachtet werden können. Das sei hier nicht der Fall.
Für die Sachgerechtigkeit spreche der im Gesetz zur Reform der Juristenausbildung vom 11. Juli 2002 (BGBl. S. 2592) zum Ausdruck kommende Reformbedarf in der Juristenausbildung. Dieser sei damit begründet worden, dass die bisherige Juristenausbildung weitgehend auf den Richterberuf ausgerichtet sei und unzureichend auf den Anwaltsberuf sowie auf eine Tätigkeit in der Wirtschaft vorbereite. Die Regelungen über gestufte Kombinationsstudiengänge trügen diesem Reformanliegen Rechnung. Sie kombinierten Inhalte des rechtswissenschaftlichen Universitätsstudiums mit Inhalten nichtjuristischer Fachrichtungen. Das trage insbesondere zur Befriedigung der Nachfrage nach Volljuristen mit ausgeprägtem wirtschaftswissenschaftlichem Sachverstand bei.
Auch die Annahme des Verordnungsgebers, die für beide Vergleichsgruppen jeweils geltenden Anforderungen zur Ablegung der staatlichen Pflichtfachprüfung seien vergleichbar, sei rechtlich nicht zu beanstanden. Die Möglichkeit, Aufsichtsarbeiten zeitlich abgeschichtet zu schreiben, führe im Hinblick auf die zu erbringende Gedächtnisleistung und physische wie psychische Belastungen zwar zu einem Wettbewerbsvorteil für Studierende des Kombinationsstudiengangs. Dem stünden allerdings erhebliche Nachteile gegenüber, denen Absolventen des herkömmlichen Studiengangs nicht ausgesetzt seien. Denn Studierende des Kombinationsstudiengangs hätten in der Bachelor-Phase zu etwa einem Drittel wirtschaftswissenschaftliche Studieninhalte zu bewältigen und zahlreiche studienbegleitende Prüfungen in den Wirtschaftswissenschaften abzulegen. Auch könnten sie die Abschichtungsmöglichkeit nur in einem engen zeitlichen Rahmen in Anspruch nehmen. Schließlich würden sie in der mündlichen Prüfung trotz Abschichtung im Pflichtstoff aller Rechtsgebiete geprüft. Bei der gebotenen Gesamtschau sei danach ein klarer und ins Gewicht fallender Wettbewerbsvorteil nicht festzustellen. In dieser Lage sei es Sache des Normgebers zu beurteilen, ob (noch) eine Vergleichbarkeit der zu erbringenden Prüfungsleistungen oder (schon) eine den Grundsatz der Chancengleichheit verletzende Wettbewerbsverzerrung vorliege. Dafür spreche auch, dass der Bundesgesetzgeber den Ländern die Option der Abschichtung von Prüfungsleistungen ausdrücklich einräume. Ein Spielraum des Verordnungsgebers könne umso eher hingenommen werden, als eine in der JAPrO vorgeschriebene Evaluierung sicherstelle, dass der Normgeber die Wettbewerbssituation während des Erprobungszeitraums beobachte und bei auftretenden Verzerrungen gegebenenfalls Abhilfe schaffe.
Der VGH hat die Revision nicht zugelassen. Diese Entscheidung kann binnen eines Monats nach Zustellung des Urteils durch Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden (Az.: 9 S 2309/13).