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Stadt Fellbach: Baugenehmigung für Asylbewerberunterkunft im Roncalli-Haus in Oeffingen wieder vollziehbar; VGH ändert von Amts wegen Eil-Beschluss vom 14. März 2013 wegen Gesetzesänderung
Datum: 11.03.2015
Kurzbeschreibung: Die Baugenehmigung der Stadt Fellbach (Antragsgegnerin) zur Nutzung eines Gebäudes (Roncalli-Haus) im Gewerbegebiet "Handwerkergebiet“ in Fellbach-Oeffingen als Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber darf ab sofort wieder vollzogen werden. Das hat der 8. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (VGH) heute beschlossen und eine gegenteilige Eilentscheidung vom 14. März 2013 (vgl. Pressemitteilung vom 4. April 2013) im Hinblick auf eine Änderung des Baugesetzbuchs (BauGB) durch das Gesetz über Maßnahmen im Bauplanungsrecht zur Erleichterung der Unterbringung von Flüchtlingen vom 20. November 2014 von Amts wegen geändert. Damit haben die Klagen von zwei Grundstückseigentümern (Antragsteller) gegen die Baugenehmigung keine aufschiebende Wirkung mehr.
Die Antragsgegnerin erteilte dem Beigeladenen eine Baugenehmigung zur Nutzung des Roncalli-Hauses als Asylbewerberunterkunft. Eigentümer eines Nachbargrundstücks (Antragsteller) erhoben Widerspruch. Der VGH ordnete auf ihren Antrag im März 2013 die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs mit der Begründung an, eine Asylbewerberunterkunft sei wegen ihres wohnähnlichen Charakters in einem Gewerbegebiet grundsätzlich unzulässig. Der nachfolgende Antrag der Stadt, diese Entscheidung wegen einer vom Regierungspräsidium Stuttgart zwischenzeitlich erteilten Befreiung vom Bebauungsplan abzuändern, blieb erfolglos; der VGH hielt die Befreiung für rechtswidrig, weil sie einen Grundzug der Planung berühre. Auf die Klage der Antragsteller hob das Verwaltungsgericht Stuttgart die Baugenehmigung auf. Über die dagegen eingelegten Berufungen der Antragsgegnerin, des Beigeladenen und des im Klageverfahren ebenfalls beigeladenen Landkreises Rems-Murr-Kreis ist noch nicht entschieden.
Während des Berufungsverfahrens trat das Gesetz über Maßnahmen im Bauplanungsrecht zur Erleichterung der Unterbringung von Flüchtlingen vom 20. November 2014 in Kraft. Dieses fügt in § 246 BauGB einen neuen Absatz 10 ein, wonach bis zum 31. Dezember 2019 in Gewerbegebieten u.a. für Gemeinschaftsunterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende von den Festsetzungen des Bebauungsplanes unter erleichterten Voraussetzungen befreit werden kann. Der VGH hat im Hinblick auf diese Neuregelung die frühere Eilentscheidung von Amts wegen geändert.
Das Interesse der Antragsteller daran, dass die Baugenehmigung bis zur endgültigen Entscheidung über ihre Anfechtungsklage vorläufig nicht vollzogen wird, habe nach Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung geringeres Gewicht als bisher. Während ihre Klage bislang Aussicht auf Erfolg gehabt habe, seien die Erfolgsaussichten nunmehr offen. Die vom Regierungspräsidium Stuttgart erteilte Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplanes "Handwerkergebiet" sei nunmehr tatbestandlich voraussichtlich von § 246 Abs. 10 BauGB gedeckt. Auch sei die Baurechtsbehörde nach dieser Vorschrift wohl zugunsten des Beigeladenen zur Erteilung der Befreiung verpflichtet. Allerdings sei es eine im Berufungsverfahren noch zu klärende offene Rechtsfrage, ob die Befreiung bzw. die Baugenehmigung - wie geschehen - unbefristet erteilt werden dürften. Sollte eine Befristung rechtlich erforderlich sein, könnte dies jedoch im laufenden Hauptsacheverfahren nachgeholt werden. Bei dieser veränderten rechtlichen Ausgangslage und unter Berücksichtigung des dringenden Bedarfs an Unterbringungsmöglichkeiten für Asylbegehrende habe das Aufschubinteresse der Antragsteller geringeres Gewicht als das Interesse an der sofortigen Vollziehung der Baugenehmigung. Denn konkrete eigene Nachteile durch den Vollzug der Baugenehmigung hätten die Antragsteller nicht geltend gemacht und solche Nachteile seien auch sonst nicht ersichtlich.
Der Beschluss ist unanfechtbar (8 S 492/15).
§ 246 Abs. 10 BauGB lautet:
"Bis zum 31. Dezember 2019 kann in Gewerbegebieten (§ 8 der Baunutzungsverordnung, auch in Verbindung mit § 34 Absatz 2) für Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte oder sonstige Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende von den Festsetzungen des Bebauungsplans befreit werden, wenn an dem Standort Anlagen für soziale Zwecke als Ausnahme zugelassen werden können oder allgemein zulässig sind und die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit öffentlichen Belangen vereinbar ist. § 36 gilt entsprechend."