Landeskriminalamt Baden-Württemberg: Speicherung von Daten rechtswidrig

Datum: 19.02.2015

Kurzbeschreibung: Das Landeskriminalamt Baden-Württemberg speicherte in den Jahren 1999 bis 2007 rechtswidrig Daten über einen Atomkraftgegner unter anderem in der Arbeitsdatei Politisch Motivierte Kriminalität in Baden-Württemberg (AD PMK). Dies stellte der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH) mit dem vor wenigen Tagen den Beteiligten bekannt gegebenen Urteil vom 10. Februar 2015 fest.

Der Kläger wendet sich seit vielen Jahren gegen die friedliche Nutzung der Atomkraft in Atomkraftwerken. Er nahm u.a. an Protestaktionen gegen Castortransporte und Demonstrationen vor Atomkraftwerken teil und organisierte solche Aktionen auch selbst. Dabei wurden gegen ihn in einzelnen Fällen strafrechtliche Ermittlungsverfahren, u.a. wegen Nötigung und gefährlichen Eingriffs in den Bahnverkehr, eingeleitet. Das Landeskriminalamt speicherte Daten über den Kläger unter anderem in der Staatsschutzdatei AD PMK. Die Daten stammten aus strafrechtlichen Ermittlungsverfahren und polizeilichen Maßnahmen anlässlich von Demonstrationen. Sie betrafen zwölf Protestaktionen gegen die Nutzung der Atomenergie. Zudem wurden Fahrzeugdaten des Klägers gespeichert. Nach Löschung der vom Kläger bezeichneten Daten beantragte dieser beim Verwaltungsgericht Stuttgart gegenüber dem Land Baden-Württemberg (Beklagter) festzustellen, dass die Speicherung der Daten in den polizeilichen Auskunftssystemen des Landeskriminalamts von Anfang an rechtswidrig gewesen seien. Das Verwaltungsgericht Stuttgart wies die Klage mit der Begründung ab, die Klage sei unzulässig. Denn es fehle an dem für die Feststellungsklage erforderlichen Feststellungsinteresse.

 

Die vom VGH zugelassene Berufung des Klägers hatte - überwiegend - Erfolg. Der 1. Senat des VGH stellte die Rechtswidrigkeit der Datenspeicherungen fest. Die Feststellungsklage sei zulässig. Der Kläger habe wegen Wiederholungsgefahr ein berechtigtes Interesse an der Klärung, ob die Datenspeicherungen rechtswidrig gewesen seien. Denn es sei in der Zukunft mit vergleichbaren Datenspeicherungen durch den Beklagten zu rechnen. Der Kläger beabsichtige nämlich, weiterhin an Protestaktionen gegen die Nutzung der Atomenergie teilzunehmen, und der Beklagte halte an seiner Rechtsauffassung fest, dass die Speicherungen rechtmäßig seien.

 

Die Klage sei auch in der Sache begründet. Die Datenspeicherungen seien rechtswidrig. Nach § 38 Abs. 1 des Polizeigesetzes (in seiner Fassung von 1992) könne der Polizeivollzugsdienst personenbezogene Daten, die ihm im Rahmen von Ermittlungsverfahren bekannt geworden seien, zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten speichern. Das Gesetz setze dafür voraus, dass die betroffene Person verdächtig ist, eine Straftat begangen zu haben, und dass tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie künftig eine Straftat begehen wird (Wiederholungsgefahr). Der Polizei stehe ein gerichtlich nur beschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu, ob eine solche Wiederholungsgefahr bestehe. Denn diese Prognose erfordere eine fachliche Einschätzung, in die polizeiliches Erfahrungswissen einfließe. Die Gerichte hätten jedoch zu überprüfen, ob die Polizei bei ihrer Prognose einer Wiederholungsgefahr von zutreffenden Voraussetzungen ausgehe, zum Beispiel ob sie den zu Grunde liegenden Sachverhalt zutreffend und vollständig ermittelt habe. Daher sei die Polizei verpflichtet, ihre Prognoseentscheidung in den Akten nachvollziehbar zu dokumentieren. Daran fehle es hier. Eine Dokumentation der Gründe, weshalb im Fall des Klägers eine Wiederholungsgefahr zu bejahen sei, könne nicht festgestellt werden. Deshalb seien die Datenspeicherungen rechtswidrig.

 

Soweit der Kläger indessen erstmalig im Berufungsverfahren beantragt habe festzustellen, dass schon die Erhebung von Daten zu seiner Person rechtswidrig gewesen sei, bleibe er erfolglos. Denn dieser Antrag stelle eine unzulässige Klageerweiterung dar, da der Beklagte in sie nicht eingewilligt habe und diese auch nicht sachdienlich sei. Dies deshalb, weil zur Entscheidung über diese Klagerweiterung umfangreiche Ermittlungen erforderlich seien, die eine Entscheidung über das Verfahren verzögern würden. Insoweit war die Klage daher als unzulässig abzuweisen.

 

Die Revision wurde nicht zugelassen. Die Nichtzulassung der Revision kann binnen eines Monats nach Zustellung des schriftlichen Urteils durch Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht angefochten werden (Az.: 1 S 554/13).

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