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Baden-Baden: Kommunale Bauträgerschaft für Wohnungen mit gehobenem Wohnbedarf im Plangebiet "Zwischen Stephanien- und Vincentistraße“ unzulässig Privater Wettbewerber kann Beendigung einer entsprechenden Unternehmensbeteiligung der Stadt verlangen
Datum: 13.11.2014
Kurzbeschreibung: Die Stadt Baden-Baden (Beklagte) darf sich nicht über ihre Gesellschaft für Stadterneuerung und Stadtentwicklung Baden-Baden mbH (GSE) an einer Offenen Handelsgesellschaft (OHG) beteiligen, um zwei Grundstücke im Gebiet des Bebauungsplans "Zwischen Stephanien- und Vincentistraße“ zu erwerben und mit Wohnungen für gehobenen Wohnbedarf zu bebauen sowie diese Wohnungen zu vermarkten. Dies verstößt gegen das baden-württembergische Gemeindewirtschaftsrecht. Ein privater Wettbewerber um die Grundstücke (Klägerin) kann die Beendigung einer solchen Unternehmensbeteiligung verlangen. Auf welche Weise die Stadt das bewerkstelligt - etwa durch Veräußerung ihrer Beteiligung oder durch Kündigung der OHG aus wichtigem Grund -, bleibt jedoch ihr überlassen. Das hat der 1. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (VGH) mit einem heute bekannt gegebenen Urteil auf Grund mündlicher Verhandlung vom 5. November 2014 entschieden und damit ein Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe (VG) sowie seine im vorangegangenen Eilverfahren geäußerte Rechtsauffassung (vgl. Pressemitteilung vom 5. Dezember 2012) im Wesentlichen bestätigt.
Die zu 100 Prozent stadteigene GSE und ein privater Bauträger (GmbH & Co. KG) sind Gesellschafter einer OHG. Gesellschaftszweck ist es, zwei Grundstücke einer gemeinnützigen GmbH (Beigeladene) im Stadtzentrum zu erwerben, um sie städtebaulich zu entwickeln, zu bebauen, die errichteten Gebäude ganz oder teilweise nach dem Wohnungseigentumsgesetz aufzuteilen und - auch als Bauträger - zu verkaufen. Die OHG schloss mit der Beigeladenen im Oktober 2011 einen notariellen Kaufvertrag über die Grundstücke für 5.660.000 Euro. Die Klägerin, ein überwiegend im Bauträgergeschäft tätiges Wohnungsbauunternehmen, kam nicht zum Zug; sie hatte zuletzt 6,3 bzw. 6,6 Millionen Euro Kaufpreis geboten. Das Eigentum an den Grundstücken ist noch nicht auf die OHG übertragen. Das VG stellte auf Antrag der Klägerin fest, dass die Beteiligung der GSE an der OHG rechtswidrig ist, und verpflichtete die Beklagte sicherzustellen, dass die GSE im Rahmen der Geschäftsführung der OHG alle Maßnahmen und Erklärungen unterlässt, die auf den Erwerb des Eigentums an den Grundstücken gerichtet sind. Den weiteren Klageantrag, die Beklagte zu verpflichten, die OHG zu kündigen und deren Auflösung und Auseinandersetzung zu betreiben, wies das VG ab. Die Kosten des Rechtsstreits - mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen - legte das VG der Klägerin zu 1/3 und der Beklagten zu 2/3 auf. Der VGH hat auf die Berufung der Klägerin nur die Kostenquote geändert (Klägerin 1/5, Beklagte 4/5). Im Übrigen hat er die Berufung der Klägerin und die Anschlussberufung der Beklagten zurückgewiesen.
Die mittelbare Beteiligung der Stadt an der OHG über die GSE sei rechtswidrig. Sie verstoße gegen § 102 Abs. 1 Nr. 3 Gemeindeordnung (GemO). Danach ist eine Unternehmensbeteiligung der Gemeinde nur zulässig, "wenn bei einem Tätigwerden außerhalb der kommunalen Daseinsvorsorge der Zweck nicht ebenso gut und wirtschaftlich durch einen privaten Anbieter erfüllt wird oder erfüllt werden kann." Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Die Stadt handele über ihre Beteiligung an der OHG außerhalb der Daseinsvorsorge. Dazu gehörten zwar nicht nur klassische Versorgungs- und Entsorgungsaufgaben, sondern auch andere Aufgaben im örtlichen Wirkungskreis wie etwa Stadtplanung und -entwicklung, sozialer Wohnungsbau oder kommunale Wirtschaftsförderung. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers sollten Gemeinden der Privatwirtschaft aber nicht ohne Not schrankenlos Konkurrenz machen. Deshalb sei im Einzelfall unter Bewertung und Abwägung der Belange der Privat- und Kommunalwirtschaft zu entscheiden, ob eine kommunale wirtschaftliche Betätigung im Schwerpunkt Daseinsvorsorge sei. Das sei hier nicht der Fall. Der Schwerpunkt der OHG liege im Bau von Wohnungen für gehobenen Wohnbedarf. Das unterscheide sich in nichts von der erwerbswirtschaftlichen Betätigung eines beliebigen privaten Bauträgers. Die bloße Benennung von Stadtplanung und Stadtentwicklung im Gesellschaftsvertrag der OHG sei unerheblich. Denn die Bauleitplanung erfolge mit den im Baugesetzbuch vorgesehenen Instrumenten und Verfahren. Daher habe die Stadt auch zu Recht einen Bebauungsplan für das betreffende Areal aufgestellt. Um dieses Areal städtebaulich aufzuwerten, benötigten die Beklagte bzw. die OHG das Eigentum an den Grundstücken nicht. Die Beteiligung an der OHG könne auch nicht - wie in der Berufungsverhandlung geschehen - nachträglich ergänzend damit gerechtfertigt werden, dass die Stadt damit eine gemeinverträgliche Ansiedlungspolitik verfolge und es darum gehe, auch bei der Vermarktung der Wohnungen einen gewissen Nutzungsmix sicherzustellen. Die Beklagte müsse sich vielmehr an den Zielen festhalten lassen, die sie im Zeitpunkt ihrer Entscheidung über die Beteiligung an der OHG als wesentlich erachtet habe; insoweit sei eine Beschlussvorlage für den Gemeinderat vom 11. Juli 2011 maßgeblich. Im Übrigen sei auch die Feinsteuerung bei der Vermarktung von Wohnungen für den - wie die Beklagte zugestehe - gehobenen Wohnbedarf mit dem Ziel, in diesem Marktsegment einen gewissen Nutzungsmix zu erreichen, keine Daseinsvorsorge. Gleiches gelte für die angeführten fiskalischen Interessen. Die Verfolgung fiskalischer Interessen sei schon kein öffentlicher Zweck, der geeignet wäre, die wirtschaftliche Betätigung einer Gemeinde zu rechtfertigen. Die Kostenentscheidung des VG sei zu korrigieren, weil sie das teilweise Unterliegen der Klägerin zu hoch bewerte.
Der VGH hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Diese Entscheidung kann binnen eines Monats nach Zustellung des Urteils durch Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden (Az.: 1 S 2333/13).
§ 102 Absatz 1 der Gemeindeordnung für Baden-Württemberg lautet:
"Die Gemeinde darf ungeachtet der Rechtsform wirtschaftliche Unternehmen nur errichten, übernehmen, wesentlich erweitern oder sich daran beteiligen, wenn
1. der öffentliche Zweck das Unternehmen rechtfertigt,
2. das Unternehmen nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zur Leistungsfähigkeit der Gemeinde und zum voraussichtlichen Bedarf steht und
3. bei einem Tätigwerden außerhalb der kommunalen Daseinsvorsorge der Zweck nicht ebenso gut und wirtschaftlich durch einen privaten Anbieter erfüllt wird oder erfüllt werden kann."