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Bundesverfassungsgericht muss seine für die juris GmbH aufbereiteten Entscheidungen auch anderen Dritten übermitteln
Datum: 27.05.2013
Kurzbeschreibung: Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ist aus Gründen der Gleichbehandlung verpflichtet, seine der juris GmbH (Beigeladene) mit Orientierungssätzen zur Veröffentlichung überlassenen Entscheidungen zu denselben Bedingungen und in derselben Form auch anderen Dritten (Klägerin) zu übermitteln. Das hat der 10. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (VGH) mit einem den Beteiligten jetzt zugestellten Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung vom 7. Mai 2013 entschieden. Damit hatte die Berufung der Klägerin gegen ein klageabweisendes Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe Erfolg.
Die Beigeladene betreibt aufgrund von Verträgen mit der Bundesrepublik Deutschland (Beklagte) von 1991 und 1994 arbeitsteilig mit dem BVerfG und den obersten Bundesgerichten ein computergestütztes Rechtsinformationssystem. Die Dokumentationsstelle des BVerfG erzeugt anhand von Ordnungsmerkmalen der Beigeladenen (XML-Dateien) Datensätze zu Entscheidungen des BVerfG. Dokumentare des Gerichts verfassen hierzu auch Orientierungssätze über den Entscheidungsinhalt. Die Beigeladene übernimmt die Datensätze in eine Datenbank und vermarktet sie. Die Klägerin bietet ebenfalls eine juristische Datenbank an. Anfang Juni 2009 beantragte sie, ihr alle ab dem 1. Juni 2009 vom BVerfG an die Beigeladene dokumentarisch aufbereitet übermittelten Entscheidungen in identischer (elektronischer) Form zu übermitteln. Das BVerfG lehnte dies mangels Rechtsgrundlage ab. Mit ihrer Klage berief sich die Klägerin auf einen Gleichbehandlungsanspruch nach dem Informationsweiterverwendungsgesetz (IWG). Danach ist "jede Person bei der Entscheidung über die Weiterverwendung vorhandener Informatio-nen öffentlicher Stellen, die diese zur Weiterverwendung zur Verfügung gestellt haben, gleich zu behandeln." Das Verwaltungsgericht Karlsruhe wies die Klage ab. Das IWG sei nicht anwendbar, weil die Orientierungssätze als persönliche geistige Schöpfungen der Dokumentare des BVerfG urheberrechtlich geschützt und keine amtlichen Werke seien. Der VGH folgte dem nicht und gab der Klage statt.
Das IWG sei auf den geltend gemachten Anspruch anwendbar. Die Erstellung der streitigen Informationen gehöre zu den öffentlichen Aufgaben des BVerfG. Das folge aus den Vorgaben der Richtlinie 2003/98/EG über die Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors, die das IWG umsetze. Auch seien die begehrten Informationen, einschließlich der Orientierungssätze, nicht urheberrechtlich geschützt. Die Orientierungssätze stellten als "amtlich verfasste Leitsätze" gemeinfreie amtliche Werke dar. Für die Amtlichkeit eines Werks genüge, dass es von einem Bediensteten des Amtes, zu dem auch die Gerichtsverwaltung zähle, geschaffen sei. Das sei der Fall. Die Dokumentare des BVerfG verfassten die Orientierungssätze nicht als Privatpersonen, sondern als Beschäftigte in der Dokumentationsstelle des BVerfG.
Die Anwendbarkeit des IWG scheitere auch nicht an einem urheberrechtlichen (Investitions-)Schutz der Beigeladenen als Datenbankherstellerin. Insoweit folge der Senat dem Bundesgerichtshof, der die Vorschrift des Urheberrechtsgesetzes über die Gemeinfreiheit amtlicher Werke auf "amtliche Datenbanken" entsprechend anwende. Die Klägerin verlange auch keinen Zugriff auf Datenbanken der Beigeladenen. Dass sie mit den nach Vorgaben der Beigeladenen (XML-Dateien) erstellten Datensätzen an "unerwünschte Informationen" gelangen könnte, sei nur der vertraglich vereinbarten Arbeitsteilung zwischen der Beklagten und der Beigeladenen geschuldet. Diese Arbeitsteilung sei rechtlich nicht geboten. Entweder könnte die Beigeladene die Entscheidungen durch eigenes Personal dokumentarisch bearbeiten oder das BVerfG könnte alle mit der Rechtsprechungsdatenbank verbundenen Aufgaben selbst durchführen.
Die Voraussetzungen des Gleichbehandlungsanspruchs nach dem IWG seien erfüllt, insbesondere habe das BVerfG die streitigen Informationen bereits der Beigeladenen zur eigenen "Weiterverwendung" zur Verfügung gestellt. Zwar fungiere die Beigeladene nach der vertraglichen Konstruktion als Verwaltungshelfer der Beklagten, um die Dokumentationsarbeit des BVerfG zu erfüllen. Ihre vertragliche Nutzungsbefugnis an den Dokumenten des BVerfG gehe aber deutlich über die Verwaltungshilfe hinaus. Die Beigeladene habe ein Geschäftsmodell entwickelt, das am Markt kommerziell überaus erfolgreich agiere. Die vertraglich sowie satzungsrechtlich intendierte und abgesicherte "Weiterverwendung" von Informationen des öffentlichen Sektors stelle ein Kernelement dieses Geschäftsmodells dar.
Dem Gleichbehandlungsanspruch stehe auch nicht entgegen, dass die Beklagte der Beigeladenen vertraglich das ausschließliche Recht zur Weiterverwendung eingeräumt habe. Dieses Exklusivrecht sei mit Ablauf des 31. Dezember 2008 kraft Gesetzes erloschen. Diese Rechtsfolge gelte zwar nicht für Exklusivrechte, die zur Bereitstellung eines Dienstes im öffentlichen Interesse erforderlich seien. Die Beklagte und die Beigeladene hätten aber nicht ausreichend dargetan, dass das Exklusivrecht der Beigeladenen zur Bereitstellung der "automatisierten Rechtsdokumentation" des BVerfG im Rechtssinne erforderlich sei. Dies wäre nur der Fall, wenn diese - im öffentlichen Interesse liegende - Aufgabe marktwirt-schaftlich nicht zu erfüllen wäre. Das werde üblicherweise in einem Markterkundungsverfahren ermittelt. Das IWG verpflichte insoweit - auch für ältere Exklusivrechte - zu einer regelmäßigen Überprüfung mindestens alle drei Jahre. Die Beklagte und speziell das BVerfG seien diesem Überprüfungsgebot nicht nachgekommen. Zwar möge das Exklusivrecht in der Anfangsphase der "automatisierten Rechtsdokumentation" alternativlos gewesen sein. Seither hätten sich die Verhältnisse im Markt der juristischen Dienstleister aber grundlegend verändert. Ohne ein Markterkundungsverfahren, eine Evaluierung der Gründe für ein Ausschließlichkeitsrecht oder ein sonstiges transparentes Verfahren fehle es an der Grundlage für die Annahme der "Erforderlichkeit" eines Exklusivrechts.
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass sich der geltend gemachte Anspruch auch aus dem allgemeinen Gleichheitssatz des Grundgesetzes ergebe. Das ausschließliche Nutzungsrecht der Beigeladenen stelle im Vergleich mit Wettbewerbern eine sachlich nicht gerechtfertigte Privilegierung dar.
Die Revision wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Sie kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig eingelegt werden (Az.: 10 S 281/12).
Das IWG sei auf den geltend gemachten Anspruch anwendbar. Die Erstellung der streitigen Informationen gehöre zu den öffentlichen Aufgaben des BVerfG. Das folge aus den Vorgaben der Richtlinie 2003/98/EG über die Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors, die das IWG umsetze. Auch seien die begehrten Informationen, einschließlich der Orientierungssätze, nicht urheberrechtlich geschützt. Die Orientierungssätze stellten als "amtlich verfasste Leitsätze" gemeinfreie amtliche Werke dar. Für die Amtlichkeit eines Werks genüge, dass es von einem Bediensteten des Amtes, zu dem auch die Gerichtsverwaltung zähle, geschaffen sei. Das sei der Fall. Die Dokumentare des BVerfG verfassten die Orientierungssätze nicht als Privatpersonen, sondern als Beschäftigte in der Dokumentationsstelle des BVerfG.
Die Anwendbarkeit des IWG scheitere auch nicht an einem urheberrechtlichen (Investitions-)Schutz der Beigeladenen als Datenbankherstellerin. Insoweit folge der Senat dem Bundesgerichtshof, der die Vorschrift des Urheberrechtsgesetzes über die Gemeinfreiheit amtlicher Werke auf "amtliche Datenbanken" entsprechend anwende. Die Klägerin verlange auch keinen Zugriff auf Datenbanken der Beigeladenen. Dass sie mit den nach Vorgaben der Beigeladenen (XML-Dateien) erstellten Datensätzen an "unerwünschte Informationen" gelangen könnte, sei nur der vertraglich vereinbarten Arbeitsteilung zwischen der Beklagten und der Beigeladenen geschuldet. Diese Arbeitsteilung sei rechtlich nicht geboten. Entweder könnte die Beigeladene die Entscheidungen durch eigenes Personal dokumentarisch bearbeiten oder das BVerfG könnte alle mit der Rechtsprechungsdatenbank verbundenen Aufgaben selbst durchführen.
Die Voraussetzungen des Gleichbehandlungsanspruchs nach dem IWG seien erfüllt, insbesondere habe das BVerfG die streitigen Informationen bereits der Beigeladenen zur eigenen "Weiterverwendung" zur Verfügung gestellt. Zwar fungiere die Beigeladene nach der vertraglichen Konstruktion als Verwaltungshelfer der Beklagten, um die Dokumentationsarbeit des BVerfG zu erfüllen. Ihre vertragliche Nutzungsbefugnis an den Dokumenten des BVerfG gehe aber deutlich über die Verwaltungshilfe hinaus. Die Beigeladene habe ein Geschäftsmodell entwickelt, das am Markt kommerziell überaus erfolgreich agiere. Die vertraglich sowie satzungsrechtlich intendierte und abgesicherte "Weiterverwendung" von Informationen des öffentlichen Sektors stelle ein Kernelement dieses Geschäftsmodells dar.
Dem Gleichbehandlungsanspruch stehe auch nicht entgegen, dass die Beklagte der Beigeladenen vertraglich das ausschließliche Recht zur Weiterverwendung eingeräumt habe. Dieses Exklusivrecht sei mit Ablauf des 31. Dezember 2008 kraft Gesetzes erloschen. Diese Rechtsfolge gelte zwar nicht für Exklusivrechte, die zur Bereitstellung eines Dienstes im öffentlichen Interesse erforderlich seien. Die Beklagte und die Beigeladene hätten aber nicht ausreichend dargetan, dass das Exklusivrecht der Beigeladenen zur Bereitstellung der "automatisierten Rechtsdokumentation" des BVerfG im Rechtssinne erforderlich sei. Dies wäre nur der Fall, wenn diese - im öffentlichen Interesse liegende - Aufgabe marktwirt-schaftlich nicht zu erfüllen wäre. Das werde üblicherweise in einem Markterkundungsverfahren ermittelt. Das IWG verpflichte insoweit - auch für ältere Exklusivrechte - zu einer regelmäßigen Überprüfung mindestens alle drei Jahre. Die Beklagte und speziell das BVerfG seien diesem Überprüfungsgebot nicht nachgekommen. Zwar möge das Exklusivrecht in der Anfangsphase der "automatisierten Rechtsdokumentation" alternativlos gewesen sein. Seither hätten sich die Verhältnisse im Markt der juristischen Dienstleister aber grundlegend verändert. Ohne ein Markterkundungsverfahren, eine Evaluierung der Gründe für ein Ausschließlichkeitsrecht oder ein sonstiges transparentes Verfahren fehle es an der Grundlage für die Annahme der "Erforderlichkeit" eines Exklusivrechts.
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass sich der geltend gemachte Anspruch auch aus dem allgemeinen Gleichheitssatz des Grundgesetzes ergebe. Das ausschließliche Nutzungsrecht der Beigeladenen stelle im Vergleich mit Wettbewerbern eine sachlich nicht gerechtfertigte Privilegierung dar.
Die Revision wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Sie kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig eingelegt werden (Az.: 10 S 281/12).