Diese Website verwendet Cookies. Weitere Informationen erhalten Sie unter Datenschutz.
Geschäftstätigkeit im Jahr 2012: Asylverfahren nehmen weiter zu, Eingänge insgesamt rückläufig Mehr Erledigungen als Eingänge, kürzere Verfahrensdauern
Datum: 07.02.2013
Kurzbeschreibung: Beim Verwaltungsgerichtshof gingen im Geschäftsjahr 2012 mehr Asylverfahren, insgesamt aber deutlich weniger Verfahren als im Vorjahr ein. Mehr Erledigungen als Neueingänge reduzierten den Gesamtbestand und ganz überwiegend auch die durchschnittliche Dauer erledigter Verfahren. Bei den Verwaltungsgerichten stiegen die Eingänge infolge zunehmender Asylverfahren trotz ebenfalls zurückgehender allgemeiner Verfahren insgesamt leicht an. Der Verwaltungsgerichtshof war mit zahlreichen die Öffentlichkeit interessierenden Verfahren befasst, insbesondere erneut mehrfach im Zusammenhang mit dem Projekt Stuttgart 21. Auch im Geschäftsjahr 2013 ist mit Entscheidungen zu diesem Projekt und in anderen Rechtsstreitigkeiten zu rechnen, die das Interesse der Öffentlichkeit finden, wie etwa in mehreren Berufungsverfahren über Klagen gegen den Planfeststellungsbeschluss des Landratsamts Ortenaukreis für den Rückhalteraum (Polder) Elzmündung.
1. Geschäftsentwicklung beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Allgemeine Verfahren beim VGH
In allgemeinen Verfahren gab es 2.141 Neueingänge und damit erheblich weniger als im Vorjahr (3.130). Dies ist im langjährigen Vergleich die geringste Zahl neuer Verfahren in einem Jahr und entspricht etwa dem Stand des Jahres 1976. Der Rückgang betrifft zur Hälfte das Wirtschaftsrecht (Sportwetten) und verteilt sich im Übrigen auf alle allgemeinen Rechtsgebiete. Die Zahl der Erledigungen ging mit 2.286 (Vorjahr 3.029) jedoch nicht gleichermaßen zurück und überstieg die Zahl der Neueingänge. Dadurch konnte der Gesamtbestand am Jahresende auf 816 allgemeine Verfahren reduziert werden. Dies ist das beste Ergebnis im Zehnjahresvergleich.
Zugleich konnte die durchschnittliche Dauer der erledigten allgemeinen Verfahren ganz überwiegend verkürzt werden. Diese betrug bei den durch Urteil erledigten Berufungen 11,7 Monate (Vorjahr 12,8), bei erstinstanzlichen Hauptsachen (Klagen, Normenkontrollanträge) incl. technischer Großvorhaben 13,8 Monate (Vorjahr 15,4) und bei Beschwerden 2,2 Monate (Vorjahr 2,7). Lediglich bei den erledigten Anträgen auf Zulassung der Berufung stieg die durchschnittliche Verfahrensdauer mit 5,7 Monaten geringfügig an (Vorjahr 4,9). In drei der beim VGH anhängigen Verfahren wurden "Verzögerungsrügen" nach dem Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren erhoben. Zwei der Verfahren (aus den Jahren 2009 und 2010) wurden kurz darauf erledigt, das dritte Verfahren betrifft eine im Jahr 2011 eingegangene Berufung.
Die Erfolgsquoten in allgemeinen Verfahren stellen sich beim VGH wie folgt dar: Berufungen hatten zu 16,5% (Vorjahr 10,2%) Erfolg, erstinstanzliche Hauptsachen (Klagen, Normenkontrollanträge) incl. technischer Großvorhaben zu 30,9% (Vorjahr 10,6%), Beschwerden zu 9,5% (Vorjahr 18,8%) und Anträge auf Zulassung der Berufung zu 19,7% (Vorjahr 17,5%). Von allen neu eingegangenen Berufungen waren 117 (Vorjahr 645) oder 35% (Vorjahr 73%) bereits von den Verwaltungsgerichten zugelassen worden.
Asylverfahren beim VGH
In Asylverfahren gab es 378 Neueingänge. Dies waren erneut mehr als im Vorjahr (343), in dem ebenfalls bereits - in Fortsetzung eines seit dem Jahr 2009 anhaltenden Trends - ein Anstieg zu verzeichnen war. Im Zehnjahresvergleich liegen die Eingänge in Asylverfahren beim VGH damit etwa beim Niveau der Jahre 2007/2008. Mit 430 Erledigungen konnte auch hier der Gesamtbestand aller Verfahren am Jahresende auf 67 Asylverfahren reduziert werden, im Zehnjahresvergleich ebenfalls das beste Er-gebnis.
Auch die durchschnittliche Dauer der erledigten Asylverfahren konnte - teilweise deutlich - verringert werden. Sie betrug bei den durch Urteil erledigten Berufungen 7,0 Monate (Vorjahr 20,1 Monate) und bei den Anträgen auf Zulassung der Berufung 2,4 Monate (Vorjahr 2,5 Monate).
Die Erfolgsquoten in Asylverfahren beim VGH betrugen bei den Anträgen auf Zulassung der Berufung 4,5% (Vorjahr 9,0%) und bei den Berufungen 50% (Vorjahr 12,5%)
Durchschnittliche Richterzahl beim VGH
Die Durchschnittszahl der im Geschäftsjahr 2012 in den 15 Senaten des Verwaltungsgerichtshofs beschäftigten Richterinnen und Richter lag mit 35,33 geringfügig über der des Vorjahres (34,56).
2. Geschäftsentwicklung bei den Verwaltungsgerichten
Allgemeine Verfahren bei den Verwaltungsgerichten
Bei den vier Verwaltungsgerichten im Land gab es insgesamt 10.915 Neueingänge in allgemeinen Verfahren (Vorjahr 11.842). Das ist auch hier im Zehnjahresvergleich die geringste Zahl. Der Rückgang verteilt sich im Wesentlichen auf alle allgemeinen Rechtsgebiete. Die Zahl der Erledigungen ging mit 11.233 (Vorjahr 13.042) zwar zurück, überstieg aber die Zahl der Neueingänge. Dadurch haben die Verwaltungsgerichten den Gesamtbestand am Jahresende auf 6.701 allgemeine Verfahren reduziert und im Zehnjahresvergleich ebenfalls das beste Ergebnis erzielt.
Die durchschnittliche Dauer der erledigten allgemeinen Verfahren erhöhte sich bei den Hauptsachen geringfügig auf 9,1 Monate (Vorjahr 8,2) und sank bei den Eilverfahren auf 2,3 Monate (Vorjahr 2,4). In 24 von den bei allen Verwaltungsgerichten anhängigen Verfahren wurden "Verzögerungsrügen" nach dem Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren erhoben.
Asylverfahren bei den Verwaltungsgerichten
In Asylverfahren gab es bei den Verwaltungsgerichten 4.254 Neueingänge. Das sind erheblich mehr als im Vorjahr (3.213). Insoweit setzte sich auch hier der seit dem Jahr 2009 anhaltende Trend fort. Im Zehnjahresvergleich liegen die Eingänge in Asylverfahren damit etwa bei dem Niveau des Jahres 2006. Dementsprechend stiegen auch die Erledigungszahlen in Asylverfahren auf 3.462 (Vorjahr 2.963) und der Gesamtbestand am Jahresende auf 3.116 Asylverfahren (Vorjahr 2.324) an.
Durchschnittliche Richterzahl bei den Verwaltungsgerichten
Die Durchschnittszahl der im Geschäftsjahr 2012 bei den vier Verwaltungsgerichten des Landes beschäftigten Richterinnen und Richter lag mit 106,5 erneut unter der des Vorjahres (108,31) und erreichte damit im Zehnjahresvergleich einen Tiefstand.
3. Rückblick auf wichtige Entscheidungen des VGH im Jahr 2012
Erneut wurden Verfahren anhängig, die unmittelbar oder mittelbar das Projekt Stuttgart 21 betrafen. Der 5. Senat war in drei Eilverfahren mit Baumaßnahmen beim Vollzug der Planfeststellung für den Abschnitt Talquerung mit neuem Hauptbahnhof befasst. Der 1. Senat hatte in zwei Eilverfahren über ein polizeirechtliches Aufenthalts- und Betretungsverbot für Teile der Mittleren Schlossgartenanlagen in Stuttgart und über ein versammlungsrechtliches Aufzugsverbot für die Kopfbahnsteighalle des Stuttgarter Hauptbahnhofs zu entscheiden. Beim 6. Senat wurde ein Rechtsstreit über öffentliche Verlautbarungen der Industrie- und Handelskammer Ulm zum Projekt Stuttgart 21 durch einen Vergleich beendet. Auch andere Großvorhaben beschäftigten den VGH: Der 3. Senat war erneut mit der Ansiedlung eines IKEA-Einkaufszentrums in Rastatt befasst. Der 5. Senat hatte über Klagen von Anwohnern gegen den Ausbau der Bahnstrecke Bülach-Schaffhausen zu entscheiden. Beim 10. Senat begehrten Anwohner in einem Eilverfahren den vorläufigen Stopp von Maßnahmen zu Stilllegung und Abbau des Kernkraftwerks Obrigheim.
Auf besonderes Interesse der Öffentlichkeit stießen ferner Entscheidungen über das Verbot der Hells Angels Pforzheim, ein versammlungsrechtliches Fackelverbot in Pforzheim sowie Versammlungsverbote in Mannheim und Göppingen, ein Glasverbot am Konstanzer Bodenseeufer, frühmorgendliches liturgisches Glockengeläut in Remshalden-Geradstetten, Gehsteigberatung in Freiburg, ein einsturzgefährdetes Weinberggrundstück in Herbolzheim, die Unternehmensbeteiligung der Stadt Baden-Baden, Kostenerstattung und Unterhaltsvorschuss bei künstlicher Befruchtung mit einer Samenspende, Witwengeld für hinterbliebene Lebenspartner, Lärm vom Kinderspielplatz, raumbedeutsame Windkraftanlagen in Frankenhardt und Ostrach, die Begleitung von Heimbewohnern zum Arzt, ein privates Rückholsystem für Verkaufsverpackungen, Vergnügungssteuer für Gewinnspielautomaten, erhöhte Hundesteuer für Bordeauxdogge und Mastiff, private Badestege am Bodensee, ein Disziplinarverfahren gegen einen Lehrer wegen Besitzes von Kinderpornographie, Verlängerung von Sperrzeiten für Spielhallen und Gaststätten mit Gewinnspielautomaten in Kehl und Pforzheim, irreführende Bezeichnung eines Produkts als "Puten- oder Hähnchen-Filetstreifen, gebraten", Versorgungsbezüge des ehemaligen Bürgermeisters von Haigerloch, die Festlegungen zum Einzelhandel im Regionalplan des Verbands Region Stuttgart, die Ausweisung eines türkischen Staatsangehörigen wegen Unterstützung von Terrorismus und Dschihad in einem YouTube-Video, das Internet-Spiel "Super-Manager" als verbotenes Glücksspiel und die Entscheidung, dass ein Bordell in einem Karlsruher Gewerbegebiet keine städtebauliche Vergnügungsstätte ist.
4. Verfahren von öffentlichem Interesse, in denen voraussichtlich im Jahr 2013 eine Entscheidung des VGH ansteht.
1. Senat
Verbot von Grabsteinen aus ausbeuterischer Kinderarbeit
Das Bestattungsgesetz Baden-Württemberg bestimmt in seinem am 30. Juni 2012 in Kraft getretenen § 15 Absatz 3: "In Friedhofsordnungen und Polizeiverordnungen kann festgelegt werden, dass nur Grabsteine und Grabeinfassungen verwendet werden dürfen, die nachweislich aus fairem Handel stammen und ohne ausbeuterische Kinderarbeit im Sinne der Konvention 182 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) hergestellt sind." Die Stadt Kehl hat von dieser Ermächtigung Gebrauch gemacht und eine entsprechende Bestimmung in ihre Friedhofs- und Bestattungssatzung vom 4. Oktober 2012 aufgenommen. Dagegen richten sich Normenkontrollanträge von sieben Steinmetzbetrieben aus Mittelbaden. Die Antragsteller machen geltend, § 15 Absatz 3 des Bestattungsgesetzes Baden-Württemberg verstoße gegen höherrangiges Recht. Denn für die Erfüllung völkerrechtlicher Verpflichtungen aus der Konvention 182 der ILO sei der Bund zuständig. Städte und Gemeinden dürften nur Regelungen mit einem örtlichen Bezug treffen. Daran fehle es (1 S 1459/12).
Beteiligung der Gemeinde Gingen an der Fils an den Kosten zur Instandhaltung von Kirchturm, Uhr und Glocken der Johanneskirche in Gingen
Die Gemeinde Gingen (Klägerin) und die Evangelische Kirchengemeinde Gingen (Beklagte) streiten darüber, in welcher Höhe sich die Klägerin an Instandhaltungskosten für Kirchturm, Kirchenuhr und Glocken der Johanneskirche in Gingen beteiligen muss. Die Klägerin begehrt die Herabsetzung ihres bisherigen 5/6-Anteils. Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat ihre Klage abgewiesen. Die Klägerin sei nach dem Württembergischen Evangelischen Kirchengesetz von 1924 verpflichtet, sich an den Instandhaltungskosten zu beteiligen. Ihre Beteiligungsquote folge ebenfalls aus dem Gesetz und sei 1890 in einer "Ausscheidungs- und Abfindungsurkunde" festgelegt worden. Danach habe sie 5/6 der Kosten zu tragen. Diese Verpflichtung sei nicht infolge einer Änderung der maßgebenden Verhältnisse außer Kraft getreten. Zwar hätten der technische Fortschritt und gesellschaftliche sowie arbeitsstrukturelle Gründe etwa hinsichtlich Zeitansage- sowie Tageseinteilungs- und Alarmierungsfunktionen der Kirchturmuhr und mittelbar auch des Kirchturms zu einem Bedeutungswandel geführt. Die "Ausscheidungs- und Abfindungsurkunde" mache aber nicht diese Funktionen, sondern das Nutzungsrecht zur Grundlage der Beteiligungsquote. Allein der Gesetzgeber könne die Beteiligungsquote neu regeln. Gegen dieses Urteil hat die Klägerin die vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Berufung eingelegt, die bislang noch nicht begründet wurde (1 S 2388/12).
Nichtigkeit einer Einbürgerung wegen Angabe falscher Personalien
Der Kläger, ein pakistanischer Staatsangehöriger, war 1995 unter der Identität einer fremden, existierenden Person mit afghanischer Staatsangehörigkeit nach Deutschland eingereist und hatte Asylantrag gestellt. Im Asylverfahren wurde ein Abschiebungsverbot für Afghanistan festgestellt. Daraufhin erhielt der Kläger eine Aufenthaltsgenehmigung. Auf seinen Antrag wurde er im Juli 2004 - unter der Alias-Identität - eingebürgert. Im Oktober 2010 beantragte der Kläger bei der beklagten Landeshauptstadt Stuttgart, seine Personalien zu berichtigen. Er gab zu, dass er während seines Aufenthaltes in Deutschland unter falschen Personalien aufgetreten sei. Die Täuschungshandlung könne ihm aber nicht mehr vorgehalten werden, weil sie länger als fünf Jahre zurückliege. Die Beklagte nahm dies zum Anlass, die Nichtigkeit der Einbürgerung festzustellen. Die dagegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht Stuttgart ab. Gegen dieses Urteil hat der Kläger die vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Berufung eingelegt, die bislang noch nicht begründet wurde (1 S 49/13).
3. Senat
Bau und Betrieb des Rückhalteraums Elzmündung (“Polder Schwanau“)
Die Kläger - die Gemeinde Schwanau und zahlreiche Bürger - begehren die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses des Landratsamts Ortenaukreis vom 20. Dezember 2007, der dem Land Baden-Württemberg (Vorhabenträger) Bau und Betrieb eines Hochwasserrückhalteraums (Polder) Elzmündung sowie Sanierung und Anpassung der Rheinhauptdämme VI und VII gestattet. Der Planfeststellungsbeschluss enthält zahlreiche Auflagen, u.a. zum Schutz von Gebäuden und der Wasserversorgung. Er umfasst auch eine Erlaubnis für die Ableitung von Wasser aus dem Rhein zur Flutung des Polders bei Hochwasser und zu Ökologischen Flutungen sowie für die Wiedereinleitung des Wassers in den Rhein. Die Ökologischen Flutungen sollen Pflanzen, Tiere und die Landschaft an die Flutungen bei Hochwasser anpassen. Der Polder erstreckt sich im Ortenaukreis östlich des Rheins auf Flächen der Gemeinden Kappel-Grafenhausen und Schwanau sowie der französischen Gemeinde Rhinau (auf deutschem Hoheitsgebiet). Er liegt teilweise in Flora-Fauna-Habitat- und Vogelschutzgebieten, die zum europäisch-ökologischen Netz "Natura-2000“ gehören. Das Rückhaltevolumen auf der ca. 469 ha großen Überflutungsfläche beträgt ca. 5,3 Millionen Kubikmeter. Das Verwaltungsgericht Freiburg hat mit Urteilen vom 31. Juli 2010 festgestellt, der Planfeststellungsbeschluss sei wegen Abwägungsmängeln rechtswidrig und dürfe nicht vollzogen werden, und die Klagen im Übrigen abgewiesen. Die Folgen der Ökologischen Flutungen für die öffentliche Trinkwasserversorgung bei Ottenheim und für Gebäude und Einrichtungen in Ottenheim und Allmannsweier seien nicht hinreichend untersucht und abgeschätzt worden. Außerdem sei die naturschutzrechtliche Verträglichkeitsprüfung in Bezug auf die "Bauchige Windelschnecke" und die "Schmale Windelschnecke" fehlerhaft. Beide Fehler könnten aber in einem ergänzenden Verfahren geheilt werden, weshalb der Planfeststellungsbeschluss nicht aufzuheben, sondern nur seine Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit festzustellen seien. Das Verwaltungsgericht hat die Berufungen wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (3 S 284/11, 3 S 285/11, 3 S 286/11 und 3 S 290/11).
Renaturierung des Bodenseeufers vor Kressbronn
Die Kläger, Eigentümer von Grundstücken an einem Bodensee-Uferweg, begehren die Aufhebung eines Planfeststellungsbeschlusses des Landratsamts Bodenseekreis vom 7. Dezember 2001 über die Renaturierung des Bodenseeufers vor Kressbronn. Danach soll das Bodenseeufer zwischen dem Hafen von Kressbronn und der Landesgrenze zu Bayern auf einer Strecke von ca. 750 m in einer Breite von ca. 10 bis 40 m mit Mineralboden und Kies angeschüttet werden, vorhandene Ufermauern sowie Stege, Slipanlagen, Bootsanlegestellen und sonstige Bauten sollen abgebrochen werden. Auf der Anschüttung ist ein ca. 2 m breiter Uferweg geplant. Die von der Umgestaltung betroffene Fläche liegt teilweise in geschützten Biotopen und teilweise in dem nach der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie gemeldeten Gebiet "Eriskircher Ried und Argenufer“. Die Grundstücke der Kläger werden für das Vorhaben benötigt. Die Kläger haben im Januar 2002 beim Verwaltungsgericht Sigmaringen Klagen gegen den Planfeststellungsbeschluss erhoben. Wegen anschließender Ermittlungen des Landratsamts zu Auswirkungen des Vorhabens auf die "Groppen" - eine gefährdete Fischart - in der Kressbronner Bucht ruhte das Klageverfahren bis März 2006. Mit Urteil vom 29. März 2010 hat das Verwaltungsgericht die Klagen abgewiesen. Auf Antrag der Kläger hat der 3. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg im März 2012 die Berufungen zugelassen.
5. Senat
Projekt Stuttgart 21, Planfeststellung für Abschnitte 1.1 (Talquerung mit Haupt-bahnhof) und 1.2 (Fildertunnel)
Planfeststellungsbeschlüsse vom 28.01.2005 und vom 19.08.2005
Das Eisenbahn-Bundesamt stellte im Jahr 2005 die Pläne für die Abschnitte 1.1 (Talquerung mit Hauptbahnhof) und 1.2 (Fildertunnel) fest. Der Kläger ist Miteigentümer eines Wohnhausgrundstücks, das für diese Planung teilweise beansprucht wird. Er klagte gegen die Planfeststellung für den Abschnitt 1.1. Mit Urteil vom 6. April 2006 (5 S 848/05) wies der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH) seine Klage ab. Das Urteil ist seit Ende Juni 2006 rechtskräftig. Mit seiner im November 2012 eingegangenen erneuten Klage begehrt der Kläger, das Eisenbahn-Bundesamt zu verpflichten, die beiden Planfeststellungsbeschlüsse aus dem Jahr 2005 aufzuheben. Die Entscheidungen seien mangels ausreichender Finanzierung des Vorhabens sowie infolge planerischer Missgriffe rechtswidrig. Ein im Sommer 2012 gestellter Eilantrag des Klägers, mit dem er einen vorläufigen Baustopp erstrebte, blieb ebenso erfolglos wie seine nachfolgende Anhörungsrüge (5 S 2429/12).
Fünfte Planänderung für Abschnitt 1.1 (Talquerung mit Hauptbahnhof)
Im Oktober 2012 stellte das Eisenbahn-Bundesamt - nach Aufhebung einer ersten Entscheidung über die Fünfte Planänderung durch den VGH (Urteil vom 15. Dezember 2011, 5 S 2100/11) - erneut die Fünfte Änderung der Planfeststellung für den Abschnitt 1.1 (Talquerung mit Hauptbahnhof) fest und ordnete die sofortige Vollziehung dieser Entscheidung an. Gegenstand dieser Änderung ist die Zentralisierung der Abwasserreinigungsanlagen (sog. Grundwassermanagement). Um die Baugruben beim Bahnhof und den Anfahrbereich des Fildertunnels trocken zu halten, muss das Grundwasser abgesenkt werden. Es wird mit oberirdischen Rohrleitungen abgepumpt und an anderen Stellen über Infiltrationsbrunnen wieder in den Untergrund geleitet. Mit ihren im Dezember 2012 und im Januar 2013 eingegangenen Klagen begehren zwei Grundstückseigentümer die Aufhebung der Fünften Planänderung. Sie machen geltend, aufgrund der Beschaffenheit des Untergrundes (quellfähiger Gipskeuper) sei damit zu rechnen, dass eingeleitetes Wasser ihre Gebäude beschädige. Außerdem beanstanden sie, dass sie am Planänderungsverfahren nicht beteiligt worden seien (5 S 2326/12 und 5 S 199/13). Einer der beiden Kläger beantragt ferner, die aufschiebende Wirkung seiner Klage wiederherzustellen. Über diesen Eilantrag wird der 5. Senat voraussichtlich zeitnah nach Eingang der Antragserwiderungen des Eisenbahn-Bundesamtes und der beigeladenen DB Netz AG entscheiden (5 S 2327/12)
Zehnte Planänderung für Abschnitt 1.1 (Talquerung mit Hauptbahnhof)
Im Mai 2012 entschied das Eisenbahn-Bundesamt, dass für die Zehnte Änderung der Planfeststellung für den Abschnitt 1.1 (Talquerung mit Hauptbahnhof) von einem neuen Planfeststellungsverfahren abgesehen und der ursprüngliche Plan aufgehoben wird, soweit er mit der Zehnten Planänderung nicht übereinstimmt. Gegenstand dieser Entscheidung ist eine Gradientenänderung der bergmännischen Stadtbahntunnel im Bereich der Heilbronner Straße (Tieferlegung der Tunnelsohle). Mit seiner im Januar 2013 eingegangenen Klage begehrt ein Grundstückseigentümer die Aufhebung dieser Entscheidung des Eisenbahn-Bundesamts. Er beanstandet, dass er nicht am Planänderungsverfahren beteiligt worden sei, und macht Gefahren für sein Grundstück durch die Zehnte Planänderung aufgrund der Beschaffenheit des Untergrundes geltend (5 S 220/13).
Neubau der B 311 bei Erbach (Alb-Donau-Kreis) als Querspange zur B 30
Im Dezember 2011 stellte das Regierungspräsidium Tübingen den Plan für den Neubau der B 311 bei Erbach als Querspange zur B 30 fest. Dagegen haben im Februar 2012 eine Bürgerinitiative "Lebenswertes Erbach Donaurieden e.V.“ und 39 Bürger aus Erbach sowie 6 Bürger aus Dellmensingen Klagen erhoben. In den zwei Verfahren geht es insbesondere um den Lärm, den der Verkehr auf der neuen Straße verursacht. Der 5. Senat beabsichtigt, die Klagen im Mai 2013 vor Ort zu verhandeln (5 S 369/12 und 5 S 370/12).
6. Senat
Beginn der Sperrzeit in der Heidelberger Altstadt
Die beiden Kläger bewohnen in der Heidelberger Altstadt eine Eigentumswohnung. In der Umgebung gibt es zahlreiche Schank- und Speisewirtschaften. Die landesweit geltende Sperrzeit für solche Gaststätten und öffentliche Vergnügungsstätten wurde durch eine Änderung der baden-württembergischen Gaststättenverordnung vom November 2009 verkürzt, und zwar durch Hinausschiebung ihres Beginns am Wochenende (Nacht zu Samstag/Sonntag) von 3 Uhr auf 5 Uhr und an anderen Werktagen von 2 Uhr auf 3 Uhr (bei gleichbleibendem Ende um 6 Uhr). Anlässlich dieser Änderung machte die Stadt Heidelberg von der Möglichkeit Gebrauch, die allgemeine Sperrzeit durch örtliche Verordnung abweichend zu regeln. Mit Verordnung vom 17. Dezember 2009 legte sie für die Heidelberger Altstadt mit Ausnahme des Karlstorbahnhofes den Sperrzeitbeginn wie zuvor am Wochenende auf 3 Uhr und an Werktagen auf 2 Uhr fest. Die Kläger halten dies wegen Lärmbelästigungen für nicht ausreichend. Sie begehren eine weitergehende Vorverlegung des Sperrzeitbeginns durch örtliche Verordnung auf 2 Uhr an Wochenenden und auf 1 Uhr an Werktagen. Das Verwaltungsgericht Karlsruhe hat ihre darauf zielende Klage im November 2011 abgewiesen. Dagegen richtet sich die Berufung der Kläger (6 S 1566/12).
In dieser Sache wurde Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt auf
Dienstag, 16. April 2013 11.00 Uhr
im Landgericht Heidelberg, Kurfürstenanlage 15, Erdgeschoss, Saal II.
Wetten auf das Wetter
Die Klägerin betreibt ein Möbel-Einrichtungshaus. Sie plant eine Werbeaktion unter dem Slogan “Sie bekommen die Ware geschenkt, wenn es am….regnet“. Teilnehmen können Kunden, die im Aktionszeitraum Waren zum Preis von mindestens 100 Euro kaufen. Wenn es an einem festgelegten Stichtag ungefähr drei Wochen nach der Teilnahme zwischen 12 und 13 Uhr am Flughafen Stuttgart amtlich festgestellt mindestens 3ml/m2 regnet, will die Klägerin jedem Teilnehmer den Kaufpreis erstatten. Das Regierungspräsidium Karlsruhe hält die Aktion für unerlaubtes und nicht erlaubnisfähiges öffentliches Glücksspiel. Auf die Klage der Klägerin hat das Verwaltungsgericht Stuttgart festgestellt, dass die geplante Werbeaktion kein unerlaubtes Glücksspiel im Sinne des Glücksspielstaatsvertrags darstellt. Dagegen richtet sich die vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene Berufung des beklagten Landes Baden-Württemberg (6 S 892/12).
In dieser Sache wurde Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt auf
Dienstag, 9. April 2013 11.00 Uhr
im Dienstgebäude des Verwaltungsgerichtshofs, Erdgeschoss, Sitzungssaal I.
Werbung für Website, die Sportwetten sowie Casino- und Pokerspiele anbietet
Die Antragstellerin betreibt eine populäre deutschsprachige Nachrichten-Website. Darauf macht sie u.a. auf eine Website der Firma X aufmerksam, die Sportwetten sowie Casino- und Pokerspiele anbietet. Beim Abspielen der Nachrichtenvideos wird ein Logo mit dem Inhalt der Website von X eingeblendet und auf bestimmten Unterseiten erscheinen Banner mit der Aufschrift „UND BIS ZU €1.000 CASHBACK - JETZT ANMELDEN - ...“. Das Regierungspräsidium Karlsruhe untersagte der Antragstellerin im April 2012 jegliche Werbung für unerlaubtes Glücksspiel, insbesondere für die Website der Firma X in Baden-Württemberg, und drohte ihr ein Zwangsgeld von 10.000 Euro an. Dagegen erhob die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht Karlsruhe Klage, über die noch nicht entschieden ist. Ihren Eilantrag, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen, lehnte das Verwaltungsgericht im August 2012 ab. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin (6 S 1968/12).
8. Senat
Ethylen-Pipeline Süd
Mit Beschluss vom 11.07.2008 sowie Änderungsbeschluss vom 12.07.2010 stellte das Regierungspräsidium Stuttgart den Plan für eine Teilstrecke der Ethylen-Pipeline Süd im Regierungsbezirk Stuttgart fest. Anschließend ordnete es den Sofortvollzug dieser Entscheidungen an. Mehrere Eigentümer von Grundstücken, über die diese Teilstrecke verläuft oder die in deren Nähe liegen, erhoben beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klagen gegen die Planfeststellungsbeschlüsse. Im März 2011 gab zunächst das Verwaltungsgericht Anträgen auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes von vier Klägern wegen möglicher Sicherheitsbedenken statt. Im nachfolgenden Beschwerdeverfahren beim VGH blieben alle Eilanträge jedoch letztlich erfolglos (VGH, Beschluss vom 14.11.2011, 8 S 1281/11). Mit Urteilen vom 29. März 2012 hat das Verwaltungsgericht die Klagen abgewiesen. Mit ihren im September 2012 gestellten Anträgen auf Zulassung der Berufung machen die Kläger ernstliche Zweifel an der Richtigkeit dieser Urteile, besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten sowie eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssachen geltend (8 S 1963/12, 8 S 2005/12, 8 S 2227/12 und 8 S 2228/12).
Oberschwäbischer Gewerbe- und Industriepark Bad Wurzach (OGI)
Die Stadt Bad Wurzach im Landkreis Ravensburg (Klägerin) möchte auf bislang landwirtschaftlich genutzten Flächen südöstlich des Weilers Zwings ein 27,84 ha großes Gewerbe- und Industriegebiet realisieren. Hierzu gründete sie zusammen mit den Gemeinden Bad Waldsee, Wolfegg und Bergatreute den Zweckverband "Oberschwäbischer Gewerbe- und Industriepark Bad Wurzach (OGI)". Mit der vom Gemeinderat der Klägerin im Februar 2009 beschlossenen 2. Änderung des Flächennutzungsplanes sollen die planungsrechtlichen Voraussetzungen für das Städtebauprojekt geschaffen werden. Den Antrag der Klägerin, diese Änderung ihres Flächennutzungsplanes zu genehmigen, lehnte das Landratsamt Ravensburg im Juni 2009 ab. Den Widerspruch der Klägerin wies das Regierungspräsidium Tübingen im Februar 2010 zurück. Die anschließende Verpflichtungsklage hat das Verwaltungsgericht Sigmaringen mit Urteil vom 30. November 2011 mit der Begründung abgewiesen, die 2. Änderung des Flächennutzungsplans sei wegen verschiedener Abwägungsmängel rechtswidrig. Dagegen richtet sich die vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene Berufung der Klägerin (8 S 808/12).
9. Senat
Deutsches Reinheitsgebot für Mineralwasser
Die Klägerinnen vertreiben gewerblich Mineralwasser. Das Chemische und Veterinäruntersuchungsamt Stuttgart stellte im Brunnenwasser ihrer Quellen Abbauprodukte (Metaboliten) von Pflanzenschutzmittelwirkstoffen fest, die nicht gesundheitsschädlich sind. Anschließend widerrief das Regierungspräsidium Stuttgart die für die Quellen erteilten amtlichen Anerkennungen und Nutzungsgenehmigungen. Die Anforderungen des deutschen Rechts an ein natürliches Mineralwasser, insbesondere an dessen “ursprüngliche Reinheit“, seien nicht mehr erfüllt. Das Verwaltungsgericht Stuttgart hob die Widerrufsbescheide auf. Es sei zweifelhaft, ob das deutsche Recht mit der Mineralwasser-Richtlinie der Europäischen Union (Richtlinie 2009/54/EG) vereinbar sei. Denn diese regele detailliert nur mikrobiologische Belastungen, nicht aber chemische oder sonstige Verunreinigungen des Mineralwassers. Unabhängig davon habe die Behörde jedenfalls ihr Widerrufsermessen rechtswidrig ausgeübt. Sie habe nicht erwogen, ein in der Mineralwasser-Richtlinie geregeltes Verfahren zur Festlegung von Grenzwerten durch die EU-Kommission anzustrengen, das in Betracht komme, wenn ein Mitgliedsstaat den Gesundheitsschutz für unzureichend halte oder den Begriff “ursprüngliche Reinheit“ anders verstehe. Ein solches Vorgehen wäre ein milderes Mittel als ein Widerruf gewesen. Gegen die Urteile hat das beklagte Land Baden-Württemberg die vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufungen eingelegt (9 S 2883/11, 9 S 2884/11, 9 S 2885/11, 9 S 2886/11 und 9 S 2887/11)
Staatliche Förderung der Freien Waldorfschulen
Der Kläger ist ein von Eltern getragener gemeinnütziger Verein. Er betreibt in Nürtingen eine als Ersatzschule anerkannte Freie Waldorfschule. Auf seinen Antrag gewährte ihm das Oberschulamt Stuttgart für das Rechnungsjahr 2003 nach dem Privatschulgesetz rund 1,5 Mill. Euro Zuschuss zu laufenden Betriebskosten. Der Kläger hält diese staatliche Förderung für unzureichend. Sie sichere nicht das Existenzminimum des Schultyps Freie Waldorfschule und verletze die im Grundgesetz geschützte Privatschulfreiheit. Das Verwaltungsgericht Stuttgart wies die Klage ab. Auf die Berufung des Klägers verpflichtete der 9. Senat das beklagte Land Baden-Württemberg mit Urteil vom 14. Juli 2010 (9 S 2207/09), über einen Zuschuss zu laufenden Betriebskosten neu zu entscheiden und dem Kläger weitere Zuschüsse als Ausgleich für gewährte Schulgeldbefreiungen zu bewilligen. Im Übrigen blieb die Berufung erfolglos. Auf die Revisionen der Beteiligten hat das Bundesverwaltungsgericht das Urteil aufgehoben und die Sache zur weiteren Klärung des Sachverhalts zurückverwiesen. Die Klage könne nur Erfolg haben, wenn der Gesetzgeber seine Schutz- und Förderungspflicht gegenüber privaten Ersatzschulen so gröblich vernachlässigt habe, dass das Ersatzschulwesen bei weiterer Untätigkeit in seinem Bestand evident gefährdet gewesen wäre. Insoweit ließen die bisherigen Feststellungen keine abschließende Beurteilung zu. Bei der gebotenen Gesamtschau sei zudem der Prognose- und Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers zu beachten (9 S 233/12).
In dieser Sache wurde Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt auf
Donnerstag, 11. April 2013 14.00 Uhr
im Dienstgebäude des Verwaltungsgerichtshofs, Untergeschoss, Sitzungssaal III.
“Puten-Formschnitte Cordon Bleu“ ohne Schweineschinken irreführend ?
Die Klägerin stellt Geflügelfleischerzeugnisse her. Sie vertreibt unter der Verkehrsbezeichnung "Puten-Formschnitte Cordon Bleu; Schnitte aus zum Teil fein zerkleinertem Putenfleisch zusammengefügt, mit Schinken und Käse gefüllt, paniert und gegart“ das Produkt "Puten-Formschnitte ‘Cordon Bleu‘“. Das Landratsamt Schwäbisch Hall beanstandete dies wegen der Verwendung von Putenschinken als irreführend und erließ einen Bußgeldbescheid. Die Klägerin legte dagegen beim Amtsgericht Einspruch ein und begehrte beim Verwaltungsgericht Stuttgart die Feststellung, dass ihr Produkt nicht unter irreführender Bezeichnung in den Verkehr gebracht wird. Das Verwaltungsgericht wies die Klage im Februar 2012 ab. Die Verkehrsbezeichnung verstoße gegen das Irreführungsverbot des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs (LFGB). Nach allgemeiner Verkehrsauffassung weise die Angabe "Schinken“ auf Schweineschinken hin. Da das Produkt Putenschinken enthalte, sei diese Angabe geeignet, den Verbraucher über Art und Herkunft des Schinkens zu täuschen. Der Verbraucher erwarte bei "Cordon Bleu“ eine Füllung mit Schweineschinken. Auch die Verwendung des Begriffs "Käse“ für die Füllung der Putenschnitte sei irreführend. Denn die Klägerin verwende eine Schmelzkäsezubereitung und spiegele deshalb mit dem Begriff "Käse" bewusst eine höherwertige Beschaffenheit der Füllung vor. Die Klägerin beantragt, die Berufung gegen das verwaltungsgerichtliche Urteil zuzulassen (9 S 623/12).
10. Senat
Anspruch auf Übermittlung dokumentarisch aufbereiteter Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts ?
Die beigeladene juris GmbH betreibt arbeitsteilig mit dem Bundesverfassungsgericht und den obersten Gerichtshöfen des Bundes ein computergestütztes Rechtsinformationssystem. Grundlage sind zwei Verträge mit der beklagten Bundesrepublik Deutschland aus den Jahren 1991 und 1994. Die Klägerin, eine GmbH mit Sitz in Baden-Württemberg, bietet über das Internet eine juristische Datenbank an und möchte darin u.a. auch die zur Veröffentlichung bestimmten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts aufnehmen. Zu diesem Zweck beantragte sie, ihr alle ab dem 1. Juni 2009 vom Bundesverfassungsgericht an die Beigeladene übermittelten - dokumentarisch aufbereiteten - Entscheidungen in identischer (elektronischer) Form zur Verfügung zu stellen. Das Bundesverfassungsgericht lehnte dies ab. Die Klägerin erhob im September 2009 Klage gegen die - durch das Bundesverfassungsgericht vertretene - Beklagte mit dem Ziel, kostenlos und zeitgleich sowie im selben Format vom Bundesverfassungsgericht alle Dokumente zu erhalten, die der Beigeladenen sei Juni 2009 zur Veröffentlichung zur Verfügung gestellt worden sind. Sie stützt ihr Begehren auf das Gleichbehandlungsgebot in Verbindung mit der Informationsfreiheit sowie auf das Informationsweiterverwendungsgesetz (IWG). Das Verwaltungsgericht hat die Klage im November 2011 abgewiesen. Der geltend gemachte Anspruch bestehe nicht, weil das IWG wegen urheberrechtlichen Schutzes der vom Bundesverfassungsgericht dokumentarisch aufbereiteten Entscheidungen nicht anwendbar sei. Dagegen richtet sich die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung der Klägerin (10 S 281/12).
5. VGH Baden-Württemberg MootCourt Öffentliches Recht
Am 20. Juli 2012 fand am VGH - in Kooperation mit dem Landesjustizprüfungsamt, der Arbeitsgemeinschaft Verwaltungsrecht im Deutschen AnwaltVerein und den juristischen Fakultäten in Baden-Württemberg - mit großem Erfolg der 1. VGH-MootCourt Öffentliches Recht statt (zum Konstanzer Glasverbots-Fall, 1 S 2603/11). Auch im Jahr 2013 wird am Montag, dem 22. Juli 2013, am VGH - mit Zustimmung der echten Beteiligten - ein aktuell noch nicht entschiedener Fall von den jeweils im universitätsinternen Auswahlverfahren ausgewählten Studierenden aus Freiburg, Heidelberg, Konstanz und Tübingen verhandelt. Jede Fakultät schickt ihr Spitzenreiter-Team mit je vier Studierenden ins Rennen. Bewertet werden insbesondere die Eingangsplädoyers, die Leistungen im Rechtsgespräch sowie die Schlussplädoyers. Die Öffentlichkeit ist herzlich eingeladen. Durch den VGH-MootCourt soll die Praxistauglichkeit der angehenden Juristinnen und Juristen in unserem Bundesland gefördert werden.
Weitere Informationen gibt es auf der Homepage des VGH unter dem Link "VGH MootCourt", konkrete Fragen beantwortet gern der Projektleiter VRaVG Prof. Dr. Jan Bergmann beim Verwaltungsgericht Stuttgart (0711/6673-6916).