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Staatliche Förderung der Freien Waldorfschulen Musterklage in zweiter Instanz teilweise erfolgreich
Datum: 14.07.2010
Kurzbeschreibung: Der Landesgesetzgeber muss die Förderung der Waldorfschulen überdenken. Das hat der 9. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (VGH) mit einem heute verkündeten Urteil entschieden und damit der Berufung einer Waldorfschule gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart, das die Versagung weiterer Finanzhilfen für rechtmäßig erklärt hatte (Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 27.07.2009), teilweise stattgegeben.
Die Klägerin, ein von Eltern getragener gemeinnütziger Verein, betreibt seit dem Jahr 1976 eine als Ersatzschule anerkannte Freie Waldorfschule, die mit knapp 450 Schülern zu den größten Schulen in Nürtingen gehört. Das Oberschulamt gewährte ihr für das Jahr 2003 einen Betriebskostenzuschuss in Höhe von insgesamt 1.523.660,25 EUR. Der - ungeschmälerte - jährliche „Kopfsatz“ für Schüler der Klassen 1 bis 4 an Waldorfschulen betrug 51,5 % des Grundgehalts der letzten Dienstaltersstufe des Eingangsamts für beamtete Lehrkräfte an öffentlichen Grundschulen, für Schüler der 13. Klasse 86,2 % des Grundgehalts der letzten Dienstaltersstufe des ersten Beförderungsamts für beamtete Lehrkräfte an Gymnasien und für Schüler der Klassen 5 bis 12 der Waldorfschulen 83,3 % hiervon.
Mit dem hiergegen betriebenen Musterverfahren machen die 48 Freien Waldorfschulen im Land geltend, diese Förderung reiche zur Existenzsicherung nicht aus. Trotz eines erheblichen finanziellen Engagements des Trägervereins und seiner Mitglieder, einer Lehrerentlohnung, die mehr als 25 % unter den Sätzen der öffentlichen Schulen liege sowie der Erhebung eines verfassungswidrig hohen Schulgeldes erwirtschafte die von der Klägerin betriebene Schule - ebenso wie alle anderen Waldorfschulen im Land Baden-Württemberg - seit Jahren ein erhebliches Defizit, das für das Schuljahr 2003/2004 über 80.000,-- EUR betrage. Angesichts der Tatsache, dass der Grundstückserwerb und der Schulbetrieb der ersten 3 Jahre überhaupt nicht und die Schulbaukosten nur mit 37 % gefördert würden, sei die Anschubfinanzierung nur auf Darlehensbasis möglich. Diese belaste indes auch den laufenden Betrieb, weil eine durchschnittliche Waldorfschule hierdurch eine Schuldenlast von 1,5 Millionen Euro zu finanzieren habe. Im Falle der Klägerin habe dies im Jahr eine Zins- und Tilgungsrate von über 200.000,-- bedeutet, was bezogen auf jeden Schüler einen Beitrag von 40,-- Euro pro Monat im Jahr 2003 ausgemacht habe.
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart, das diesen Einwänden nicht gefolgt war, hat der VGH jetzt teilweise aufgehoben. Zwar dürfe der Gesetzgeber als Vergleichsbasis die an öffentlichen Schulen entstehenden Kosten heranziehen, das hierzu gewählte Verfahren müsse die Daten aber „realitätsgerecht“ ermitteln, heißt es in den Entscheidungsgründen. Die vom Staat danach festgesetzten Zuschüsse und das von der Privatschule erhobene Schulgeld müssten ausreichen, um die Existenz des laufenden Betriebes zu sichern. Weitere finanzielle Eigenleistungen von in Elternträgerschaft betriebenen allgemeinbildenden Schulen seien weder tatsächlich leistbar noch den Eltern zuzumuten. Insoweit sei auch zu berücksichtigen, dass entsprechende Beiträge faktisch von den Eltern getragen werden müssten und damit dem Schulgeld entsprächen. Die Höhe dieses Schul-geldes habe das Grundgesetz aber bewusst begrenzt, um „Standes- oder Eliteschulen“ zu vermeiden. Nach den Ausführungen der Sachverständigen könne für das Jahr 2003 aber allenfalls ein Satz von 60,-- EUR pro Monat als sozial ver-träglich angesetzt werden, weil ein darüber liegendes Schulgeld „eine Sonderung nach den Besitzverhältnissen fördere“ und damit gegen Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG verstoße. Bei Zugrundelegung dieser niedriger als bisher auch in der Rechtsprechung angenommenen Sätze erweise sich die vom Land gewährte Förderung nicht als zureichend. Dies gelte auch dann, wenn man den Betrag noch um einen moderaten Aufschlag auf 70,-- EUR erhöhe, um die methodischen Unsicherheiten der Sachverständigen-Untersuchung, die ursprünglich auch Bezieher von Sozialleistungen einbezogen hatte, zu kompensieren.
Diese Lücke könne - und müsse - aber teilweise dadurch geschlossen werden, dass den privaten Ersatzschulen, die ihren Schülern eine (partielle) Befreiung von der Schulgeldpflicht gewährt haben, ein Ausgleich hierfür zu gewähren sei. Die Landesverfassung habe sich bewusst für eine Schulgeldfreiheit entschieden. Soweit diese auch von Privatschulen gewährt werde, folge unmittelbar aus Art. 14 Abs. 2 Satz 3 der Landesverfassung ein „Anspruch auf Ausgleich der hierdurch entstehenden finanziellen Belastung“. Zwar sei eine Anrechnung auf die staatlichen Zuschüsse rechtlich möglich; dies gelte aber nicht, sofern sich die Förderbeträge ohnehin - wie hier - als defizitär erwiesen. Soweit das Land auch einen Ausgleich für die von der Klägerin gewährten Schulgeldbefreiungen versagt hatte, hat der VGH es daher zur Neubescheidung verpflichtet.
Keinen Erfolg hatte die Berufung dagegen mit dem Anliegen, eine weitere Berücksichtigung der Investitionskosten zur erreichen. Vielmehr sei die vom Landesgesetzgeber gewählte Aufspaltung in einen jährlichen Betriebskostenzuschuss (§ 18 Abs. 2 PSchG) und eine separat hiervon ausgestaltete Baukostenförderung (§ 18 Abs. 7 PSchG) rechtlich zulässig. Letztere stehe bei der bereits 1976 errichteten Schule der Klägerin nicht in Streit. Allerdings hat der Senat Bedenken an der bestehenden Investitionsförderung des Landes geäußert. Angesichts der Tatsache, dass die laufenden Zuschüsse eine Rückführung der in der Gründungsphase angefallenen Verbindlichkeiten nicht zuließen, sei eine an-wachsende Schuldenspirale kaum zu verhindern. Die im Jahr 1995 eingeführte Baukostenbezuschussung habe jedenfalls faktisch nicht ausgereicht, diese Entwicklung zu stoppen. Vielmehr wachse die Verschuldung der Waldorfschulen stetig an und habe mit fast 80 Millionen Euro im Jahr 2007 ein beachtliches Ausmaß erreicht. Es sei daher Aufgabe des Gesetzgebers, die tatsächliche Entwicklung zu beobachten, um möglichen Verstößen gegen die aus Art. 7 Abs. 4 GG folgende Förderpflicht für Privatschulen angemessen begegnen zu können. Hieran sei die künftige Ausgestaltung der Privatschulförderung zu messen.
Die Revision zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig wurde wegen der vom VGH angenommenen grundsätzlichen Bedeutung des Rechtsstreits zugelassen (9 S 2207/09).
Mit dem hiergegen betriebenen Musterverfahren machen die 48 Freien Waldorfschulen im Land geltend, diese Förderung reiche zur Existenzsicherung nicht aus. Trotz eines erheblichen finanziellen Engagements des Trägervereins und seiner Mitglieder, einer Lehrerentlohnung, die mehr als 25 % unter den Sätzen der öffentlichen Schulen liege sowie der Erhebung eines verfassungswidrig hohen Schulgeldes erwirtschafte die von der Klägerin betriebene Schule - ebenso wie alle anderen Waldorfschulen im Land Baden-Württemberg - seit Jahren ein erhebliches Defizit, das für das Schuljahr 2003/2004 über 80.000,-- EUR betrage. Angesichts der Tatsache, dass der Grundstückserwerb und der Schulbetrieb der ersten 3 Jahre überhaupt nicht und die Schulbaukosten nur mit 37 % gefördert würden, sei die Anschubfinanzierung nur auf Darlehensbasis möglich. Diese belaste indes auch den laufenden Betrieb, weil eine durchschnittliche Waldorfschule hierdurch eine Schuldenlast von 1,5 Millionen Euro zu finanzieren habe. Im Falle der Klägerin habe dies im Jahr eine Zins- und Tilgungsrate von über 200.000,-- bedeutet, was bezogen auf jeden Schüler einen Beitrag von 40,-- Euro pro Monat im Jahr 2003 ausgemacht habe.
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart, das diesen Einwänden nicht gefolgt war, hat der VGH jetzt teilweise aufgehoben. Zwar dürfe der Gesetzgeber als Vergleichsbasis die an öffentlichen Schulen entstehenden Kosten heranziehen, das hierzu gewählte Verfahren müsse die Daten aber „realitätsgerecht“ ermitteln, heißt es in den Entscheidungsgründen. Die vom Staat danach festgesetzten Zuschüsse und das von der Privatschule erhobene Schulgeld müssten ausreichen, um die Existenz des laufenden Betriebes zu sichern. Weitere finanzielle Eigenleistungen von in Elternträgerschaft betriebenen allgemeinbildenden Schulen seien weder tatsächlich leistbar noch den Eltern zuzumuten. Insoweit sei auch zu berücksichtigen, dass entsprechende Beiträge faktisch von den Eltern getragen werden müssten und damit dem Schulgeld entsprächen. Die Höhe dieses Schul-geldes habe das Grundgesetz aber bewusst begrenzt, um „Standes- oder Eliteschulen“ zu vermeiden. Nach den Ausführungen der Sachverständigen könne für das Jahr 2003 aber allenfalls ein Satz von 60,-- EUR pro Monat als sozial ver-träglich angesetzt werden, weil ein darüber liegendes Schulgeld „eine Sonderung nach den Besitzverhältnissen fördere“ und damit gegen Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG verstoße. Bei Zugrundelegung dieser niedriger als bisher auch in der Rechtsprechung angenommenen Sätze erweise sich die vom Land gewährte Förderung nicht als zureichend. Dies gelte auch dann, wenn man den Betrag noch um einen moderaten Aufschlag auf 70,-- EUR erhöhe, um die methodischen Unsicherheiten der Sachverständigen-Untersuchung, die ursprünglich auch Bezieher von Sozialleistungen einbezogen hatte, zu kompensieren.
Diese Lücke könne - und müsse - aber teilweise dadurch geschlossen werden, dass den privaten Ersatzschulen, die ihren Schülern eine (partielle) Befreiung von der Schulgeldpflicht gewährt haben, ein Ausgleich hierfür zu gewähren sei. Die Landesverfassung habe sich bewusst für eine Schulgeldfreiheit entschieden. Soweit diese auch von Privatschulen gewährt werde, folge unmittelbar aus Art. 14 Abs. 2 Satz 3 der Landesverfassung ein „Anspruch auf Ausgleich der hierdurch entstehenden finanziellen Belastung“. Zwar sei eine Anrechnung auf die staatlichen Zuschüsse rechtlich möglich; dies gelte aber nicht, sofern sich die Förderbeträge ohnehin - wie hier - als defizitär erwiesen. Soweit das Land auch einen Ausgleich für die von der Klägerin gewährten Schulgeldbefreiungen versagt hatte, hat der VGH es daher zur Neubescheidung verpflichtet.
Keinen Erfolg hatte die Berufung dagegen mit dem Anliegen, eine weitere Berücksichtigung der Investitionskosten zur erreichen. Vielmehr sei die vom Landesgesetzgeber gewählte Aufspaltung in einen jährlichen Betriebskostenzuschuss (§ 18 Abs. 2 PSchG) und eine separat hiervon ausgestaltete Baukostenförderung (§ 18 Abs. 7 PSchG) rechtlich zulässig. Letztere stehe bei der bereits 1976 errichteten Schule der Klägerin nicht in Streit. Allerdings hat der Senat Bedenken an der bestehenden Investitionsförderung des Landes geäußert. Angesichts der Tatsache, dass die laufenden Zuschüsse eine Rückführung der in der Gründungsphase angefallenen Verbindlichkeiten nicht zuließen, sei eine an-wachsende Schuldenspirale kaum zu verhindern. Die im Jahr 1995 eingeführte Baukostenbezuschussung habe jedenfalls faktisch nicht ausgereicht, diese Entwicklung zu stoppen. Vielmehr wachse die Verschuldung der Waldorfschulen stetig an und habe mit fast 80 Millionen Euro im Jahr 2007 ein beachtliches Ausmaß erreicht. Es sei daher Aufgabe des Gesetzgebers, die tatsächliche Entwicklung zu beobachten, um möglichen Verstößen gegen die aus Art. 7 Abs. 4 GG folgende Förderpflicht für Privatschulen angemessen begegnen zu können. Hieran sei die künftige Ausgestaltung der Privatschulförderung zu messen.
Die Revision zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig wurde wegen der vom VGH angenommenen grundsätzlichen Bedeutung des Rechtsstreits zugelassen (9 S 2207/09).