Pressemitteilung über die Geschäftstätigkeit im Jahr 2009

Datum: 17.03.2010

Kurzbeschreibung: 1. Geschäftsentwicklung beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Im Berichtszeitraum gingen die Eingänge beim Verwaltungsgerichtshof einer schon langjährigen Tendenz folgend im Vergleich zum Vorjahr zurück, und zwar um etwa ein Sechstel. Überdurchschnittlich betroffen waren davon neben den Asylverfahren insbesondere die Hochschulzulassungsverfahren, während etwa im Polizei- und Ordnungsrecht eine geringfügige Steigerung zu verzeichnen war.

Die 33 Richter des Verwaltungsgerichtshofs (2 weniger als im Vorjahr) haben auch im vergangenen Jahr mehr Verfahren zum Abschluss gebracht als, neue Verfahren eingegangen sind. Damit konnte der Bestand an anhängigen Verfahren am Jahresende auf - nur noch - 1203 verringert werden.

Die Verfahrenslaufzeiten am Verwaltungsgerichtshof bewegen sich im bundesweiten Vergleich weiterhin im Spitzenfeld. Sie konnten gegenüber dem Vorjahr sowohl in Berufungs- und Berufungszulassungsverfahren (7,7 Monate in allgemeinen Verwaltungsrechtssachen und 6,4 Monate in Asylsachen) als auch in Beschwerdeverfahren (2,3 Monate) noch verkürzt werden. Lediglich bei den erstinstanzlichen Hauptsacheverfahren einschließlich technischer Großverfahren ist die Verfahrensdauer geringfügig auf 12,8 Monate angestiegen. Hier machen sich weiterhin personelle Lücken in Bausenaten bemerkbar, die für die Überprüfung von Bebauungsplänen zuständig sind.


2. Geschäftsentwicklung bei den Verwaltungsgerichten des ersten Rechtszuges

Bei den vier Verwaltungsgerichten im Land sind 2009 etwa 3 % mehr Verfahren eingegangen als im Vorjahr. Einem weiteren Rückgang im Asylbereich um 9 % stand ein Anstieg im Bereich der allgemeinen Verfahren um etwa 5 % gegenüber. In den ersten Monaten dieses Jahres ist der Anstieg hier sogar noch deutlicher (15 %). Das könnte auf eine dauerhafte Trendumkehr hinweisen.

Die Zahl der Erledigungen blieb im Bereich der allgemeinen Verwaltungsrechtsverfahren hinter der Zahl der Neueingänge zurück, so dass insoweit der Bestand anhängiger Verfahren leicht angestiegen ist. Dies erklärt sich zum einen durch den weiteren Stellenabbau bei den Verwaltungsgerichten, wodurch 7 Richter weniger tätig waren als im Vorjahr; zum anderen sind kurz vor Jahresende noch viele NC-Verfahren eingegangen, die zum Jahreswechsel noch nicht erledigt werden konnten.

Die Dauer der verwaltungsgerichtlichen Verfahren konnte wiederum verkürzt werden. Die Hauptsacheverfahren werden in allgemeinen Verwaltungsrechtssachen im Durchschnitt nach 7,9 Monaten abgeschlossen, Asylklagen nach 9,9 Monaten. Eilrechtsschutz wird in den allgemeinen Verwaltungsrechtssachen in 1,9 Monaten, in Asylsachen in 1,7 Monaten gewährt.

Die Hauptherkunftsländer der Asylkläger sind weiterhin die Türkei gefolgt vom Irak sowie dem Kosovo.


3. Rückblick auf wichtige Entscheidungen im vergangenen Jahr

Der Verwaltungsgerichtshof hat auch im vergangenen Jahr in den von ihm entschiedenen Verfahren nicht allein den ihm unterbreiteten Einzelfall in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht bewertet. In vielen Verfahren hat er zugleich Rechtsfragen fallübergreifend beantwortet und damit seiner Aufgabe als Obergericht entsprechend zu einer gleichmäßigen Rechtsanwendung im ganzen Land beigetragen. Nicht nur die juristischen Fachkreise setzen sich mit den Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs auseinander. Zahlreiche Verfahren aus ganz verschiedenen Rechtsgebieten haben auch die Aufmerksamkeit der Medien und damit einer breiteren Öffentlichkeit auf sich gezogen. So hat das Urteil zum Freiburger Alkoholverbot rechtspolitische Diskussionen ausgelöst. Heftige Auseinandersetzungen zog auch die Entscheidung zum Entzug der Chefarztstelle des früheren Leiters der orthopädischen Abteilung der Universitätsklinik Freiburg nach sich. Hochschulen und Studierende haben die Urteile zu den Studiengebühren unterschiedlich aufgenommen. Um finanzielle Belastungen anderer Art ging es bei der vom Verwaltungsgerichtshof gebilligten höheren Besteuerung von sog. Kampfhunden. Demgegenüber können Gartenfreunde nach einer Entscheidung des 2. Senats auf niedrigere Abwassergebühren hoffen. Um große Verdienstmöglichkeiten ging es bei den Sportwetten; hier hat der Verwaltungsgerichtshof jetzt in einem Hauptsacheverfahren die Rechtmäßigkeit des staatlichen Monopols bestätigt. Die Bestrebungen, die Stiftung Liebenau einem größeren staatlichen Einfluss zu unterwerfen, blieben ohne Erfolg; die Stiftung bleibt nach einem Urteil des 1. Senats kirchlich. Die Entscheidung zum Neubau der B 31 bei Friedrichshafen machte den Weg frei für bedeutende staatliche Investitionen in ein wichtiges Infrastrukturprojekt. Dem Bauvorhaben von IKEA in Rastatt standen demgegenüber nach einer Entscheidung des 5. Senats rechtliche Hindernisse entgegen. Mit Problemen des schulischen Alltags befasste sich der 9. Senat, der in mehreren Entscheidungen darüber zu befinden hatte, welches Fehlverhalten einen Schulausschluss rechtfertigt. Die Möglichkeit einer menschenwürdigen Existenz im Heimatland war Maßstab bei der Entscheidung des 11. Senats zur Abschiebung nach Afghanistan.


4. Anhängige Verfahren von öffentlichem Interesse

1. Senat

Im Verfahren - 1 S 1953/09 - streiten die Beteiligten um die Frage, ob der zum Verfahren Beigeladene, ein Professor für katholisches Kirchenrecht im Ruhestand, wirksam aus der katholischen Kirche ausgetreten ist. Der Beigeladene hat beim Standesamt im Formular über den Austritt aus einer Kirche die Religionsgesellschaft, aus der er austrete, mit „römisch-katholisch, Körperschaft des öffentlichen Rechtes“ bezeichnet. Das Erzbistum hält die Austrittserklärung wegen der Ergänzung „Körperschaft des öffentlichen Rechtes“ für unwirksam, weil es sich dabei um einen nach § 26 KiStG unzulässigen Zusatz handele. Das Verwaltungsgericht ist dem nicht gefolgt. Bei den Worten „Körperschaft des öffentlichen Rechtes“ handele es sich nämlich nur um die zutreffende rechtliche Bezeichnung der Religionsgemeinschaft, aus der der Beigeladene austreten wolle. Ob der Beigeladene mit der gewählten Bezeichnung letztlich die Klärung der Frage nach der kirchenrechtlichen und damit innerkirchlichen Wirksamkeit der Austrittserklärung anstrebe, sei unbeachtlich.


2. Senat

Der Kläger im Verfahren - 2 S 2423/08 - wendet sich in der Sache gegen die Gebührensätze in der Abfallgebührensatzung der Stadt Freiburg. Er bemängelt, dass die Stadt die Abfallgebühren in der Folge der Gründung einer privatrechtlich organisierten Abfallentsorgungsgesellschaft für private Haushalte um fast 60 % erhöht habe und damit gegen das Kostenüberschreitungsverbot und den Wirtschaftlichkeitsgrundsatz verstoßen habe.

Im Verfahren - 2 S 939/08 - verlangt die klagende Gemeinde vom Land einen Ausgleich für einen Gewerbesteuerausfall in Höhe von über 350.000 EUR. Ein im Gemeindegebiet ansässiges Unternehmen änderte die Gesellschaftsform. Obwohl die Umwandlung von einer KG in eine GmbH dem Finanzamt mitgeteilt worden war, erließ das Finanzamt Gewerbesteuermessbescheide gegenüber der KG. Später wurde die Nichtigkeit dieser Bescheide festgestellt, so dass auch die darauf beruhenden Gewerbesteuerbescheide der Gemeinde keinen Bestand mehr hatten. Da der Erlass von neuen Gewerbesteuermessbescheiden gegenüber der GmbH wegen der Festsetzungsverjährung nicht mehr möglich war, konnte die Gemeinde keine Gewerbesteuerbescheide auf einer rechtmäßigen Grundlage mehr erlassen. Das Land hat eine Ausgleichspflicht verneint. Dem ist das Verwaltungsgericht gefolgt. Es ist der Ansicht, dass eine Haftung des Landes schon deswegen ausscheidet, weil das Finanzamt hier gegenüber der Gemeinde nicht hoheitlich handele; Finanzamt und Gemeinde wirkten vielmehr an einem gleichgerichteten Verfahren mit.

In diesem Verfahren wurde Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt auf

Donnerstag, den 25. März 2010, 10.00 Uhr

Im Dienstgebäude des Verwaltungsgerichtshofs, 1. OG, Sitzungssaal II.


3. Senat

In den Verfahren - 3 S 1391/08 - und - 3 S 1392/08 - wenden sich die Antragsteller gegen die Veränderungssperre, die von der Stadt Weinheim zur Sicherung der Planung im Bereich des Pophyrsteinbruchs am Wachenberg beschlossen wurde. Antragstellerin ist zum einen die Gemeinde Hirschberg, die Eigentümerin der betroffenen Grundstücke auf Weinheimer Gemarkung ist, und zum anderen die Betreiberin des Steinbruchs. Die Stadt Weinheim möchte mit ihrer Planung insbesondere den Gesteinsabbau steuern und dadurch sicherstellen, dass die Kuppe des Wachenbergs mit dem Wahrzeichen Weinheims, der Wachenburg, in ihrem Erscheinungsbild erhalten bleibt. Die Antragsteller sind der Auffassung, die Planung verfolge unzulässige Ziele und sei mit dem Regionalplan nicht vereinbar, der das Gebiet als Vorranggebiet für den Abbau von Rohstoffen ausweise.

Das Verfahren - 3 S 2099/08 - betrifft einen Normenkontrollantrag gegen den von der Stadt Mannheim beschlossenen Bebauungsplan „Ehemalige Tennisanlage Rheinauer See“. Das Gelände soll mit Wohnhäusern bebaut werden. Die Antragsteller sind Eigentümer von Grundstücken in der Nähe des Plangebiets. Sie befürchten insbesondere negative Auswirkungen in klimaökologischer Hinsicht und eine erhebliche Zunahme des Kraftfahrzeugverkehrs.


5. Senat

Die Bekämpfung des Kormorans in einem Naturschutzgebiet am Bodensee ist Gegenstand des Verfahrens - 5 S 644/09 - . Das Regierungspräsidium Freiburg hat es erlaubt, den Kormoranbestand durch die Störung des Brutgeschäfts mit Halogenscheinwerfern und dem dadurch verursachten Auskühlen des Geleges zu verringern. Diese Vergrämungsmaßnahme wurde mit hohen Schäden bei den Berufsfischern sowie dem Schutz der heimischen Fischarten, insbesondere der auf der Roten Liste der bedrohten Tierarten verzeichneten Äsche, begründet. Die hiergegen gerichtete Klage des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) hatte vor dem Verwaltungsgericht keinen Erfolg.

Im Verfahren - 5 S 1043/09- steht die Planfeststellung der B 31 (neu) im Abschnitt Stockach-Überlingen im Streit. Die Kläger, deren Grundstück von der Straßenplanung in Anspruch genommen wird, wenden sich gegen den geplanten Anschluss einer Gemeindeverbindungsstraße an die B 31 (neu) bei Überlingen. Sie machen insbesondere geltend, das Anschlussalternativen nicht erwogen und dem Lärmschutz der Anwohner nicht hinreichend Rechnung getragen worden seien.


6. Senat

Im Verfahren - 6 S 1939/09 - und - 6 S 1940/09 - ist streitig, ob ein Anspruch auf Verlängerung einer bergrechtlichen Erlaubnis zur Aufsuchung insbesondere von Erdwärme besteht. Das Unternehmensziel der klagenden GmbH ist darauf gerichtet, Geothermiekraftwerke zu planen und zu betreiben. Sie erhielt im Jahr 2000 Erlaubnisse zur Aufsuchung von Erdwärme in einem 244 km² großen Erlaubnisfeld Hockenheim-Philippsburg und in einem 385 km² großen Erlaubnisfeld bei Rastatt. Die Erlaubnisse wurden 2005 jeweils um 2 Jahre verlängert. Einen weiteren Verlängerungsantrag lehnte das Regierungspräsidium Freiburg 2007 ab. Das Verwaltungsgericht hat die Verpflichtungsklage der Klägerin abgewiesen, weil das Unternehmen die von ihm vorgelegten und behördlich geprüften Arbeitsprogramme nicht einmal ansatzweise erfüllt habe. Sie habe nicht einen möglichen Standort durch Aufsuchungsarbeiten so überprüft, dass eine Erkundungsbohrung sinnvoll erscheine. Die Klägerin macht geltend, dass es nur darauf ankomme, was von einem durchschnittlichen Erlaubnisinhaber angesichts der konkreten Umstände habe erwartet werden können. Angesichts der schwierigen Rahmenbedingungen für die Geothermie in den letzten Jahren habe sie diese Anforderungen erfüllt.

In diesem Verfahren wurde Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt auf

Donnerstag, den 21. April 2010, 11.00 Uhr

im Dienstgebäude des Verwaltungsgerichtshofs, EG, Sitzungssaal I.


9. Senat

Im Verfahren - 9 S 1910/09 - ist darüber zu entscheiden, wie ein bestimmter Räucherlachs im Interesse des Verbraucherschutzes zutreffend bezeichnet werden muss. Der fertig verpackte „Räucherlachs Premium Qualität“ wird im Laufe des Produktionsprozesses nach dem Räuchern zum Aufschneiden gefroren. Die Verbraucherschutzbehörde meint, dass der Räucherlachs deswegen nicht als Frischware verkauft werden darf, sondern den Hinweis „aufgetaut" tragen muss. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen.

Im Verfahren - 9 S 2207/09 - streiten die private Freie Waldorfschule Rudolf Steiner Schule in Nürtingen und das Regierungspräsidium Stuttgart um die Höhe des Zuschusses des Landes nach dem Privatschulgesetz. Im angefochtenen Bescheid wurde der Schule für das Rechnungsjahr 2003 ein Zuschuss von ca. 1,5 Millionen EUR bewilligt. Die Rudolf Steiner Schule hält diesen Betrag für zu niedrig; eine verfassungsmäßige Förderung müsse bedeutend höher ausfallen. Das Verwaltungsgericht hat die Klage in diesem Musterverfahren, das sich auf weitere ungefähr 40 Verfahren bezieht, abgewiesen.


10. Senat

Im Verfahren - 10 S 2020/09 -  klagt das Energieversorgungsunternehmen Vattenfall auf Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung; es will ein sogenanntes Ersatzbrennstoff-Heizkraftwerk auf dem Betriebsgelände des Zementwerkes in Schelklingen errichten. Das Regierungspräsidium Tübingen hat den Antrag abgelehnt, weil die Stadt Schelklingen sich im Anschluss an ein erfolgreiches Bürgerbegehren gegen das Projekt stellt. Sie hat zur Sicherung eines Bebauungsplans, mit denen der Bau des Heizkraftwerk auf Dauer verhindert werden soll, eine Veränderungssperre erlassen und das in dieser Situation erforderliche Einvernehmen zu dem geplanten Vorhaben versagt. An diese Versagung ist das Regierungspräsidium bei seiner Entscheidung, im Unterschied zu den Gerichten, gebunden.

Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb eines Steinkohlenblocks (Block 9) des Großkraftwerks Mannheim ist Gegenstand des Verfahrens - 10 S 2102/09 - . Der klagende Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) beanstandet u.a., dass das Regierungspräsidium bei der Bewertung der Emissionsbelastung den neu beantragten Block 9 des Kraftwerks isoliert betrachtet habe; stattdessen hätten die Emissionen der Gesamtanlage, also einschließlich der bestehenden Kraftwerksanlagen, einbezogen werden müssen. Weitere Rügen betreffen einen unzureichenden Nachweis der Anlagen- und Betriebssicherheit sowie Verstöße gegen das Naturschutzrecht und Vorgaben zum Gewässerschutz.

Im Verfahren - 10 S 470/10 - geht es um Fragen der grenzüberschreitenden Abfallverbringung. Die klagenden Unternehmen, die Abfälle sortieren und damit handeln, haben gemischte Kunststoffabfälle nach Ungarn exportiert. Das beklagte Land ist der Ansicht, dass die Ausfuhr gegen europäisches Abfallrecht verstoßen habe. Es hat die Firmen deswegen zur Rückholung und ordnungsgemäßen Entsorgung von ca. 1800 t nach Ungarn verbrachter Abfälle verpflichtet. Für den Rücktransport und die Entsorgung, die das Land selbst veranlasst hat, nachdem die Firmen nicht tätig geworden waren, sind Kosten in Höhe von über 530.000 EUR angefallen. Das Verwaltungsgericht hat die Klagen abgewiesen.

In diesem Verfahren wurde Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt auf

Dienstag, den 13. Juli 2010, 11.00 Uhr

im Dienstgebäude des Verwaltungsgerichtshofs, EG, Sitzungssaal I.

 

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