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Schwerwiegendes wissenschaftliches Fehlverhalten rechtfertigt Entziehung des Doktorgrades wegen Unwürdigkeit
Datum: 14.09.2011
Kurzbeschreibung: Die Universität Konstanz hat einem 1997 bei ihr promovierten Physiker wegen schweren wissenschaftlichen Fehlverhaltens zu Recht nachträglich den Doktorgrad entzogen. Dies hat der 9. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (VGH) mit Urteil vom 14.09.2011 entschieden. Er hob damit eine anderslautende Entscheidung des Verwaltungsgerichts Freiburg auf (vgl. dessen Pressemitteilung vom 27.09.2010).
Der Kläger war nach der an der Universität Konstanz abgelegten Promotion an einer US-amerikanischen Forschungseinrichtung im Bereich der Herstellung von Nano-Bauelementen für die Supraleitung beschäftigt und an über 70 wissenschaftlichen Publikationen beteiligt, die teilweise als „bahnbrechend“ gewürdigt worden waren. Nach dem Ergebnis einer von seinem Arbeitgeber aufgrund von Hinweisen eingesetzten Kontrollkommission hat der Kläger einen Großteil der behaupteten Ergebnisse indes durch Datenmanipulationen und Datensubstituierungen produziert und eine Überprüfung durch mangelnde Dokumentation der von ihm durchgeführten Experimente unmöglich gemacht. Auch die Deutsche Forschungsgemeinschaft hatte dem Kläger nach eigenständiger Prüfung eine Rüge wegen wissenschaftlichen Fehlverhaltens erteilt und ihn befristet von der Antragstellung und der Gutachtertätigkeit ausgeschlossen. Nachdem auch der Fachbereich Physik der Universität Konstanz die Vorwürfe bestätigt hatte, beschloss deren Promotionsausschuss dem Kläger den Doktorgrad wegen Unwürdigkeit zu entziehen. Diese Entscheidung hat das Verwaltungsgericht Freiburg aufgehoben, weil die nachträgliche Unwürdigkeit, die das Landeshochschulgesetz für den Entzug des Doktorgrades voraussetze, nicht allein mit wissenschaftlichem Fehlverhalten nach der Promotion begründet werden könne. Eine ehrenrührige Straftat, die eine Abwertung der Persönlichkeit begründen könne, habe der Kläger aber nicht begangen (vgl. zum Sachverhalt auch die Pressemitteilung Nr. 36 vom 09.09.2011). Der VGH hat sich dieser Auffassung nicht angeschlossen.
Der Begriff der „Unwürdigkeit“ im Sinne des § 35 Abs. 7 Landeshochschulgesetz könne auch wissenschaftsbezogen ausgelegt werden, führte der Senat bei der Verkündung seiner Entscheidung aus. Für sich genommen erscheine er zwar konturlos, durch die Verknüpfung mit der Führung des Doktorgrades könne er aber hinreichend konkretisiert werden. Ebenso wie bei anderen, auf die Unwürdigkeit gestützten Entzugstatbeständen des Berufsrechts - wie etwa beim Widerruf der Approbation - müsse ein schwerwiegendes Fehlverhalten verlangt werden, durch das die weitere Ausübung der verliehenen Erlaubnis untragbar erscheine. Bezugspunkt der Betrachtung sei daher der Regelungsgehalt der verliehenen Befugnis, den Doktorgrad führen zu dürfen. Hiermit werde der Promovierte zwar nicht mehr in ein standesähnliches Doktorkollegium aufgenommen, wohl aber öffentlich sichtbar als Mitglied der „Wissenschaftsgemeinde“ ausgewiesen. Mit der Verleihung des Doktorgrades werde dem Promovierten die Befähigung zu selbständiger wissenschaftlicher Arbeit bestätigt. Demgemäß könne er selbständig Forschungsanträge stellen und genieße - gerade auch bei anderen Forschern und Publikationsorganen - einen erhöhten Vertrauensvorschuss. Als untragbar und „unwürdig“ zur Führung des verliehenen Grades habe sich ein Titelinhaber deshalb erwiesen, wenn sich der mit der Verleihung des Doktorgrades begründete Anschein wissenschaftskonformen Arbeitens angesichts gravierender Verstöße gegen die Grundsätze guter wissenschaftlicher Praxis und Redlichkeit als unzutreffend herausgestellt habe und zum Schutz vor Irreführung korrigiert werden müsse.
Der geradezu idealtypische Fall hierfür liege mit der Fälschung von Forschungsergebnissen vor, wenn also Daten erfunden und verändert würden oder behauptete Versuchsergebnisse gar nicht oder nicht auf dem beschriebenen Wege gewonnen worden seien. Demgemäß definiere auch das Landeshochschulgesetz vorsätzliche oder grob fahrlässige Falschangaben in wissenschaftserheblichem Zusammenhang als Regelbeispiel für einen Verstoß gegen die allgemein anerkannten Grundsätze guter wissenschaftlicher Praxis und Redlichkeit. Die Einhaltung der allgemein anerkannten Grundätze wissenschaftlicher Mindeststandards sei wesensbestimmendes Grundsatzmerkmal und unverzichtbare Basis wissenschaftlichen Wirkens. Darauf, ob mit dem Fehlverhalten auch ein Straftatbestand erfüllt worden sei, komme es dagegen nicht an. Denn insoweit stehe nicht ein personenbezogener Würdebegriff und ein hierauf zielendes Unwerturteil in Rede, sondern die Verletzung der wissenschaftlichen Kernpflichten.
Dass der Kläger die ihm zur Last gelegten Verstöße gegen die Grundsätze wis-senschaftlicher Redlichkeit tatsächlich begangen habe, folge schon aus einem Beweis des ersten Anscheins. Es entspreche allgemeiner Lebenserfahrung, dass Experimente, deren Wiederholung - auch dem Kläger selbst - nicht gelinge, die niemand beobachtet habe und deren Ablauf nicht dokumentiert worden sei, so auch nicht stattgefunden hätten. Im Übrigen seien die Verstöße auch von drei unabhängigen Kommissionen ausführlich und nachvollziehbar aufgezeigt und begründet worden. Der Kläger setze dem allein seine eigene Meinung entgegen.
Die Entziehung des Doktorgrades erweise sich schließlich auch als verfassungsgemäß. Sie ergehe im Interesse einer funktionstüchtigen Wissenschaft und diene damit dem Schutz eines überragend wichtigen Gemeinschaftsinteresses, das ebenfalls Verfassungsrang genieße. Gravierende Fälle wissenschaftlicher Unredlichkeit könnten das Vertrauen in die Wissenschaft ebenso untergraben wie das Vertrauen der Wissenschaftler untereinander zerstören, ohne das erfolgreiche wissenschaftliche Arbeit nicht möglich sei. Im Übrigen werde der Kläger durch die Entziehung nicht zur Beendigung seiner Berufstätigkeit gezwungen, er könne vielmehr auch ohne Doktortitel weiter als Physiker arbeiten.
Die Revision wurde nicht zugelassen. Die Nichtzulassung der Revision kann binnen eines Monats nach Zustellung des schriftlichen Urteils durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht angefochten werden (Az.: 9 S 2667/10).
Der Begriff der „Unwürdigkeit“ im Sinne des § 35 Abs. 7 Landeshochschulgesetz könne auch wissenschaftsbezogen ausgelegt werden, führte der Senat bei der Verkündung seiner Entscheidung aus. Für sich genommen erscheine er zwar konturlos, durch die Verknüpfung mit der Führung des Doktorgrades könne er aber hinreichend konkretisiert werden. Ebenso wie bei anderen, auf die Unwürdigkeit gestützten Entzugstatbeständen des Berufsrechts - wie etwa beim Widerruf der Approbation - müsse ein schwerwiegendes Fehlverhalten verlangt werden, durch das die weitere Ausübung der verliehenen Erlaubnis untragbar erscheine. Bezugspunkt der Betrachtung sei daher der Regelungsgehalt der verliehenen Befugnis, den Doktorgrad führen zu dürfen. Hiermit werde der Promovierte zwar nicht mehr in ein standesähnliches Doktorkollegium aufgenommen, wohl aber öffentlich sichtbar als Mitglied der „Wissenschaftsgemeinde“ ausgewiesen. Mit der Verleihung des Doktorgrades werde dem Promovierten die Befähigung zu selbständiger wissenschaftlicher Arbeit bestätigt. Demgemäß könne er selbständig Forschungsanträge stellen und genieße - gerade auch bei anderen Forschern und Publikationsorganen - einen erhöhten Vertrauensvorschuss. Als untragbar und „unwürdig“ zur Führung des verliehenen Grades habe sich ein Titelinhaber deshalb erwiesen, wenn sich der mit der Verleihung des Doktorgrades begründete Anschein wissenschaftskonformen Arbeitens angesichts gravierender Verstöße gegen die Grundsätze guter wissenschaftlicher Praxis und Redlichkeit als unzutreffend herausgestellt habe und zum Schutz vor Irreführung korrigiert werden müsse.
Der geradezu idealtypische Fall hierfür liege mit der Fälschung von Forschungsergebnissen vor, wenn also Daten erfunden und verändert würden oder behauptete Versuchsergebnisse gar nicht oder nicht auf dem beschriebenen Wege gewonnen worden seien. Demgemäß definiere auch das Landeshochschulgesetz vorsätzliche oder grob fahrlässige Falschangaben in wissenschaftserheblichem Zusammenhang als Regelbeispiel für einen Verstoß gegen die allgemein anerkannten Grundsätze guter wissenschaftlicher Praxis und Redlichkeit. Die Einhaltung der allgemein anerkannten Grundätze wissenschaftlicher Mindeststandards sei wesensbestimmendes Grundsatzmerkmal und unverzichtbare Basis wissenschaftlichen Wirkens. Darauf, ob mit dem Fehlverhalten auch ein Straftatbestand erfüllt worden sei, komme es dagegen nicht an. Denn insoweit stehe nicht ein personenbezogener Würdebegriff und ein hierauf zielendes Unwerturteil in Rede, sondern die Verletzung der wissenschaftlichen Kernpflichten.
Dass der Kläger die ihm zur Last gelegten Verstöße gegen die Grundsätze wis-senschaftlicher Redlichkeit tatsächlich begangen habe, folge schon aus einem Beweis des ersten Anscheins. Es entspreche allgemeiner Lebenserfahrung, dass Experimente, deren Wiederholung - auch dem Kläger selbst - nicht gelinge, die niemand beobachtet habe und deren Ablauf nicht dokumentiert worden sei, so auch nicht stattgefunden hätten. Im Übrigen seien die Verstöße auch von drei unabhängigen Kommissionen ausführlich und nachvollziehbar aufgezeigt und begründet worden. Der Kläger setze dem allein seine eigene Meinung entgegen.
Die Entziehung des Doktorgrades erweise sich schließlich auch als verfassungsgemäß. Sie ergehe im Interesse einer funktionstüchtigen Wissenschaft und diene damit dem Schutz eines überragend wichtigen Gemeinschaftsinteresses, das ebenfalls Verfassungsrang genieße. Gravierende Fälle wissenschaftlicher Unredlichkeit könnten das Vertrauen in die Wissenschaft ebenso untergraben wie das Vertrauen der Wissenschaftler untereinander zerstören, ohne das erfolgreiche wissenschaftliche Arbeit nicht möglich sei. Im Übrigen werde der Kläger durch die Entziehung nicht zur Beendigung seiner Berufstätigkeit gezwungen, er könne vielmehr auch ohne Doktortitel weiter als Physiker arbeiten.
Die Revision wurde nicht zugelassen. Die Nichtzulassung der Revision kann binnen eines Monats nach Zustellung des schriftlichen Urteils durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht angefochten werden (Az.: 9 S 2667/10).