Pressemitteilung über die Geschäftstätigkeit im Jahr 2010

Datum: 17.03.2011

Kurzbeschreibung: Erstmals seit 2006 sind die Eingänge beim Verwaltungsgerichtshof gegenüber dem Vorjahr insgesamt wieder leicht gestiegen. Betroffen von dem Anstieg waren neben ausländerrechtlichen Verfahren vor allem Asylverfahren, die um etwa 36 % zunahmen, während in allen anderen Rechtsgebieten - mit Ausnahme des Öffentlichen Dienstrechts - ein geringfügiger Verfahrensrückgang zu verzeichnen war.

1. Geschäftsentwicklung beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg

Erstmals seit 2006 sind die Eingänge beim Verwaltungsgerichtshof gegenüber dem Vorjahr insgesamt wieder leicht gestiegen. Betroffen von dem Anstieg waren neben ausländerrechtlichen Verfahren vor allem Asylverfahren, die um etwa 36 % zunahmen, während in allen anderen Rechtsgebieten - mit Ausnahme des Öffentlichen Dienstrechts - ein geringfügiger Verfahrensrückgang zu verzeichnen war.

Die geringere Geschäftsbelastung in den letzten Jahren hat dazu geführt, dass im Berichtsjahr ein Senat weggefallen ist. Die nunmehr auf 15 Senate verteilten 34 Richter und Richterinnen des Verwaltungsgerichtshofs haben - wie im Vorjahr - mehr Verfahren zum Abschluss gebracht als neue Verfahren eingegangen sind. Damit konnte der Bestand an anhängigen Verfahren am Jahresende auf - nur noch - 940 verringert werden.

Die Verfahrenslaufzeiten am Verwaltungsgerichtshof bewegen sich im bundesweiten Vergleich weiterhin im Spitzenfeld. In Berufungs- und Berufungszulassungsverfahren in allgemeinen Verwaltungsrechtssachen sind sie gegenüber dem Vorjahr zwar leicht gestiegen (auf 8,5 statt 7,7 Monate), konnten dafür aber in Asylsachen weiter verkürzt werden (von 6,4 Monaten 2009 auf 5,3 Monate). Verringert haben sich die Laufzeiten auch in Beschwerdeverfahren, und zwar von 2,3 Monaten 2009 auf jetzt nur noch 1,9 Monate. Einen Anstieg der Verfahrensdauer auf 14,8 Monate gibt es bei den erstinstanzlichen Hauptsacheverfahren einschließlich technischer Großverfahren. Dies ist darauf zurückzuführen, dass es sich zumeist um Verfahren von herausgehobener Bedeutung und hoher Komplexität handelt, die mit sehr großem Engagement und hoch spezialisierten Prozessvertretern geführt werden.

Stets interessant ist auch die Frage, zu welchem Anteil die Verfahren Erfolg hatten. Bei den Anträgen auf Zulassung der Berufung lag dieser Anteil im Jahr 2010 in allgemeinen Verwaltungsrechtssachen bei 19,9 %. Berufungen können aber auch direkt von den Verwaltungsgerichten zugelassen werden. Dies war bei einem Viertel der insgesamt anhängig gewordenen Berufungen der Fall. Erfolgreich waren von den Berufungen in allgemeinen Verwaltungsrechtssachen insgesamt 17,8 %, in Asylverfahren - die nur vom Verwaltungsgerichtshof zugelassen werden können - sogar 36,1 %. Von den Beschwerden in allgemeinen Verwaltungsrechtssachen hatten 18,3 % Erfolg.

2. Geschäftsentwicklung bei den Verwaltungsgerichten des ersten Rechtszuges

Bei den vier Verwaltungsgerichten im Land sind die Eingangszahlen 2010 mit 15.705 Verfahren (2009: 15.677) im Wesentlichen konstant geblieben. Im Asylbereich hat es einen spürbaren Anstieg um etwa 800 Verfahren (etwa 38 %) gegeben, dem im Bereich der allgemeinen Verfahren ein Rückgang von etwa 6 % gegenüberstand. Damit kann insgesamt von einer Stabilisierung ausgegangen werden.

Die Zahl der Erledigungen hat sich gegenüber dem Vorjahr geringfügig vermindert und blieb insgesamt hinter der Zahl der Neueingänge zurück, so dass insoweit der Bestand anhängiger Verfahren im Berichtszeitraum erneut angestiegen ist. Dies erklärt sich durch den Stellenabbau bei den Verwaltungsgerichten, der auch 2010 weiter angehalten hat. Nachdem die Zahl der Richterstellen bereits 2009 von 122 auf 115 verringert worden war, waren 2010 an den Verwaltungsgerichten erneut 5 Richter und Richterinnen weniger tätig als im Vorjahr.

Die bereits erreichte erfreulich kurze Dauer der verwaltungsgerichtlichen Verfahren konnte dennoch gehalten werden. So wurden die Hauptsacheverfahren in allgemeinen Verwaltungsrechtssachen wiederum im Durchschnitt nach 7,9 Monaten abgeschlossen, im Asylbereich mit 9,2 Monaten im Vergleich zum Vorjahr sogar etwas zügiger (2009: 9,9 Monate). Der Eilrechtsschutz wird zeitnah gewährt, nämlich in den allgemeinen Verwaltungsrechtssachen in 2,5 Monaten, in Asylsachen in 1,3 Monaten.

Die Hauptherkunftsländer der Asylkläger sind im Berichtszeitraum weiterhin der Irak, die Türkei und der Kosovo, wobei die Kläger aus dem Irak mit 14,9 % erstmals das Hauptkontingent bilden.


3. Rückblick auf wichtige Entscheidungen im vergangenen Jahr

Der Verwaltungsgerichtshof hat im vergangenen Jahr wiederum eine Vielzahl von Verfahren entschieden, die nicht nur für die Lebensgestaltung der einzelnen Bürgerinnen bzw. Bürger von großer Bedeutung waren, sondern auch für die Träger der öffentlichen Verwaltung, denen er über den Einzelfall hinaus wichtige rechtliche Leitlinien für künftiges Handeln an die Hand gegeben hat. Damit hat er seiner Aufgabe als Obergericht entsprechend zu einer gleichmäßigen Rechtsanwendung im ganzen Land beigetragen. Durch seine zahlreichen Veröffentlichungen fand die Arbeit des Verwaltungsgerichtshofs nicht nur in der Fachöffentlichkeit, sondern auch in den Medien vielfältige Beachtung. So erregte das Urteil des 1. Senats zu der Frage, ob der Austritt aus einer Kirche mit dem Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts auf den staatlichen Rechtskreis beschränkt werden kann, große Aufmerksamkeit. Der Senat hat einen solchen „modifizierten Kirchenaustritt“ für unzulässig erklärt. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision des austrittswilligen Beigeladenen, eines emeritierten Professors für katholisches Kirchenrecht, ist noch beim Bundesverwaltungsgericht anhängig (Az: 7 B 77.10). Erhebliche finanzielle Auswirkungen hat die Entscheidung des 9. Senats im Rahmen einer Musterklage über die Höhe der Zuschüsse für eine private Freie Waldorfschule; das Land wurde verpflichtet, seine Förderung zu überdenken. Die nur teilweise erfolgreichen Kläger haben beim Bundesverwaltungsgericht Revision eingelegt (Az: 6 C 18.10). Für die Beamten war die Frage von Bedeutung, ob sie ihren Anspruch auf Beihilfe verlieren, wenn sie ihrer Verpflichtung nicht nachkommen, eine ergänzende (private) Krankenversicherung abzuschließen. Eine entsprechende Regelung in der Beihilfeverordnung erklärte der 10. Senat für rechtswidrig. Weitreichende Folgen für die Kommunen hatte die Änderung der Rechtsprechung des 2. Senats zur Bemessung der Abwassergebühren. Mit den gesetzlich erweiterten Möglichkeiten der unmittelbaren Bürgerbeteiligung im kommunalen Bereich beschäftigte sich der 1. Senat und erklärte das Bürgerbegehren in Nagold zur geplanten Errichtung einer Treppe zur Burg Hohennagold in einem Eilverfahren für zulässig. Keinen Erfolg bescherte er dagegen einem Bürgerbegehren zum Stadtbahntunnel in Karlsruhe. Grünes Licht für dieses wichtige Verkehrsprojekt gab schließlich der 12. Senat, der eine Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss des Regierungspräsidiums Karlsruhe abwies. Ein weiteres bedeutendes Infrastrukturprojekt war Gegenstand einer Entscheidung des 1. Senats, der in einem Eilverfahren Besitzeinweisungsbeschlüsse zum Bau der Ethylen-Pipeline Süd für rechtmäßig erklärte. Auch die Proteste um „Stuttgart 21“ erreichten den 1. Senat. In einem Eilverfahren ermöglichte er eine Demonstration auf dem Arnulf-Klett-Platz. Die Pressefreiheit stärkte der Senat mit seiner Entscheidung zum Verbot von Bildaufnahmen von einem Spezialeinsatzkommando der Polizei. Gegen die Nichtzulassung der Revision hat das beklagte Land Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht eingelegt (Az: 6 B 64.10). Mit Problemen des Verbraucherschutzes hatte sich der 9. Senat zu befassen. Dabei ging es unter anderem um die richtige Bezeichnung von aufgetautem Räucherlachs und von Meeresfrüchtemischungen mit Surimi. Aufsehen erregte schließlich ein Verfahren des 11. Senats zur Frage der Ausweisung eines türkischen Staatsangehörigen wegen eines „Ehrenmords“, das mit einem Vergleich gütlich beendet werden konnte.


4. Anhängige Verfahren von öffentlichem Interesse

1. Senat

Im Verfahren - 1 S 241/11 - wendet sich ein Anwohner aus dem Rems-Murr-Kreis gegen das tägliche, zweiminütige Glockengeläut (Betläuten) zwischen 6.00 Uhr und 8.00 Uhr morgens aus dem Glockenturm einer evangelischen Kirchengemeinde. Der etwa 100 m entfernt wohnende Kläger macht geltend, er werde durch das liturgische Läuten in seiner grundrechtlich geschützten negativen Bekenntnisfreiheit verletzt. Der Immobilienwert seines Grundstücks sinke, außerdem störe der Lärm der Glocken die Schlafqualität. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen und die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

Um die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens der Bürgerinitiative „Bürgerbegehren Bäderparadies“ streiten die Beteiligten in dem Beschwerdeverfahren - 1 S 303/11 -. Gegenstand des Bürgerbegehrens ist die Frage, ob sich die Stadt Sinsheim finanziell am Bau eines privaten Hallen- und Wellnessbads beteiligen soll. Die Stadt hat die Durchführung des Bürgerbegehrens als unzulässig abgelehnt. Der hiergegen gerichtete Eilantrag einer Unterzeichnerin blieb vor dem Verwaltungsgericht erfolglos. Jetzt muss der Senat entscheiden. Fraglich ist vor allem, ob die Bürgerinitiative das erforderliche Quorum von 2.500 Stimmen erreicht hat.

2. Senat

Im Senat ist das Verfahren einer Großbäckerei gegen einen Bescheid der Stadt Mannheim anhängig, mit dem der von der Firma aufgrund der Abwassersatzung zu bezahlende Starkverschmutzerzuschlag neu berechnet wurde (- 2 S 1202/10 -). Nach der Satzung erhebt die Beklagte - außer einer Niederschlagswassergebühr für das Ableiten des auf dem Grundstück anfallenden Niederschlagswassers - eine Schmutzwassergebühr für das Einleiten von sonstigem Abwasser in die öffentlichen Abwasseranlagen, zu der bei stark verunreinigtem Abwasser ein Zuschlag zu bezahlen ist. Das Verwaltungsgericht hat den angefochtenen Bescheid mit der Begründung aufgehoben, die entsprechenden Bestimmungen in der Satzung der Stadt seien nichtig. Die Stadt untersuche das Abwasser nicht bei allen Betrieben, bei denen Starkverschmutzerzuschläge anfallen könnten, so dass potentielle Schuldner des Zuschlags bewusst nicht zu dieser Abgabe herangezogen würden. Aufgrund dieses Vollzugsdefizits verstießen die betreffenden Bestimmungen in der Satzung gegen Art. 3 GG.

In einem anderen Berufungsverfahren - 2 S 2386/10 - geht es um einen Wasserdiebstahl. Die beklagte Stadt Langenburg entdeckte Anfang 2008, dass sich auf dem Grundstück des Klägers eine von der Hausanschlussleitung abzweigende Wasserleitung befindet, die zu zwei auf dem Grundstück vorhandenen, vom Kläger zur Fischzucht verwendeten Wasserbecken führt. Das durch die Zweigleitung fließende Wasser wird von der Uhr nicht erfasst, weil sich die Abzweigstelle vor der in die Hausanschlussleitung eingebauten Wasseruhr befindet. Die Beklagte hat den Kläger daraufhin aufgrund einer Schätzung zu Wassergebühren für die Jahre 1997 bis 2007 in Höhe von insgesamt 163.490,40 € (einschließlich Mehrwertsteuer) sowie Zinsen in Höhe von 46.846,11 € herangezogen. Das Verwaltungsgericht hat den angefochtenen Bescheid aufgehoben, weil die - grundsätzlich zulässige - Schätzung auf einer nicht hinreichenden Tatsachengrundlage beruhe. Die Beklagte habe lediglich den zwischen dem 31.1. und 21.2.2008 gemessenen Wasserbezug hochgerechnet, ohne den tatsächlichen Angaben des Klägers ausreichende Bedeutung beizumessen.

3. Senat

In dem Verfahren - 3 S 2181/10 - hat sich der Senat mit der Renaturierung des Bodenseeufers vor Kressbronn zu befassen. Der Planfeststellungsbeschluss des Landratsamts Bodenseekreis sieht hierzu im Wesentlichen vor, den Uferbereich zwischen dem Gemeindehafen und der Landesgrenze zu Bayern über eine Länge von 750 m durch eine Überschüttung von ca. 2,25 ha im Bereich der Flachwasserzone umzugestalten. Mehrere Anlieger, die durch diese Maßnahme ihre Anliegerstellung verlieren, haben gegen das Vorhaben geklagt, aber vor dem Verwaltungsgericht Sigmaringen verloren. Sie begehren nun die Zulassung der Berufung.

Ein Beschwerdeverfahren des Senats - 3 S 335/11 - betrifft ebenfalls eine wasserrechtliche Planfeststellung und zwar das Wiedervernässungsprojekt der zum Verfahren beigeladenen Stiftung Naturschutz Pfrunger-Burgweiler Ried in der Gemeinde Ostrach im Teilgebiet „Oberer Schnöden“ der Gemarkung Burgweiler. Die Maßnahme ist Teil eines vom Bund geförderten Naturschutzgroßprojekts, das die Erhaltung, bzw. Verbesserung eines der bedeutendsten Moorgebiete Südwestdeutschlands zum Inhalt hat. Der Antragsteller, Eigentümer eines Wohngrundstücks, befürchtet, dass die Maßnahme zu Beeinträchtigungen durch Ungeziefer führt, dass Wildtiere den Ortschaften näherkommen und vermehrt Nebeltage auftreten. Das Verwaltungsgericht Sigmaringen hat das Projekt einstweilen gestoppt, weil der Planfeststellungsbeschluss an einem Verfahrensmangel leide. Hiergegen haben der Antragsgegner und die Beigeladene Beschwerde eingelegt.

4. Senat

Die Frage, ob die Zeit, in der ein Polizeibeamter seine Uniform anlegt und seine persönlich zugeteilte Ausrüstung vor dem Dienstbeginn aufnimmt (sog. Rüstzeit), zum Dienst im Sinne des beamtenrechtlichen Arbeitszeitrechts gehört, wird der 4. Senat in den Verfahren - 4 S 1676/10 - und - 4 S 1677/10 - zu klären haben. Geklagt haben zwei Polizeibeamte aus Mannheim und dem Main-Tauber-Kreis, die von ihrem Dienstherrn für das An- und Ablegen der Dienstkleidung pro geleisteter Dienstschicht eine Gutschrift von zusätzlich 15 Minuten Arbeitszeit begehren. Die Verwaltungsgerichte Karlsruhe und Stuttgart haben die Klagen abgewiesen. Der Senat hat im letzten Jahr die Berufungen der beiden Polizeibeamten zugelassen und wird sie voraussichtlich im zweiten Quartal dieses Jahres entscheiden.

5. Senat

In einem beim 5. Senat anhängigen Verfahren - 5 S 739/10 - begehrt eine Gemeinde (Lottstetten) eine Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses des Regierungspräsidiums Freiburg für die auf deutschem Gebiet vorgesehenen Maßnahmen (teilweiser Doppelspurausbau) der schweizerischen Eisenbahnstrecke 770 Bülach - Schaffhausen im Zuge des Projekts „HGV (Hochgeschwindigkeitsverkehrs) - Anschluss Bülach - Schaffhausen“. Die Klägerin sieht sich durch den von der Eisenbahnstrecke künftig ausgehenden Schienenlärm sowohl in ihrer Planungshoheit als auch in ihrem Eigentum verletzt, weshalb Schutzauflagen erforderlich seien. Bei der nach ihrer Auffassung gebotenen Anwendung der Verkehrslärmschutzverordnung (16. BImSchV) sei ergänzend ein Spitzenpegelkriterium festzusetzen und der sog. Schienenbonus unberücksichtigt zu lassen.

In dem unter dem Aktenzeichen 5 S 927/10 geführten Parallelverfahren machen auch 9 Einwohner der vorbezeichneten Gemeinde entsprechende Planergänzungsansprüche geltend. Sie sehen sich durch den Schienenlärm in ihrem Eigentum und ihrer Gesundheit beeinträchtigt.

In einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes - 5 S 2757/10 - begehrt eine Gemeinde (March) im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung, eine Rechtsverordnung des Regierungspräsidiums Freiburg über die Festlegung eines Planungsgebiets zur Sicherung des Neubaus einer bewirtschafteten Rastanlage am Standort ‚March‘ (Raststätte „Schauinsland-Nord“) im Zuge der BAB 5 bis zu einer Entscheidung ihres Normenkontrollantrags - 5 S 2723/10 - außer Vollzug zu setzen. Die Antragstellerin sieht sich in ihrer Planungshoheit verletzt, weil sich das in der Rechtsverordnung festgelegte Planungsgebiet in weiten Teilen mit dem von ihr zuvor beschlossen Bebauungsplan ‚Gewerbegebiet Neufeld‘ überschneide. Darüber hinaus wäre das Regierungspräsidium gehalten gewesen, seine Planung der vom Gemeindeverwaltungsverband (March-Umkirch) beschlossenen Änderung des Flächennutzungsplans anzupassen. Würde von der begehrten einstweiligen Anordnung abgesehen, hätte dies für sie, einem an einer Gewerbeansiedlung besonders interessierten Unternehmen sowie einer Vielzahl von Gemeinden, die Kunden dieses Unternehmens seien, gravierende Nachteile.

6. Senat

In einem Normenkontrollverfahren - 6 S 707/10 - wendet sich die Betreiberin eines Altenpflegeheims im Main-Tauber-Kreis gegen Änderungen der Landesheimbauverordnung. Sie sieht in den neuen Regelungen gravierende Verschärfungen gegenüber dem bisherigen Recht. Insbesondere die künftige Pflicht zur Bereitstellung von Einzelzimmern statt wie bisher von Doppelzimmern, die Bildung von Nutzungseinheiten für zwei Personen sowie die Vorgaben für die Zimmergröße, die Raumbreite sowie für die Sanitärbereiche hält sie für verfassungswidrig.

8. Senat

Im Verfahren - 8 S 1530/10 - steht die Wirksamkeit der im März 2006 in Kraft getretenen Teilfortschreibung “Windenergie“ des Regionalplans Heilbronn-Franken 2020 im Streit. Das klagende Unternehmen möchte auf einem Grundstück im Außenbereich des Ortsteils Honhardt der Gemeinde Frankenhardt eine Windkraftanlage (Gesamthöhe 167 m) errichten und begehrt hierfür die Erteilung eines Bauvorbescheids. Das Landratsamt Schwäbisch Hall hat dies unter Hinweis auf den Regionalplan abgelehnt, da dieser für den geplanten Standort der Anlage keine Vorrangfläche ausweise. Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat der Klage des Unternehmens dagegen stattgegeben. Nach seiner Auffassung ist die Teilfortschreibung des Regionalplans unwirksam, weil der Regionalverband abwägungsfehlerhaft nicht nur einzelne, sondern eine Vielzahl (27 von 80) der für eine Windenergienutzung möglicherweise geeigneten Flächen als Vorranggebiete ausgeschlossen habe.

In zwei Normenkontrollverfahren - 8 S 3048/08 - und - 8 S 833/10 - geht es um die Gültigkeit des Bebauungsplans “Sondergebiet Kreiskrankenhaus Winnenden“ der Stadt Winnenden. Der Bebauungsplan soll die planungsrechtlichen Voraussetzungen schaffen, um die bisherigen Krankenhäuser Waiblingen und Backnang am Standort Winnenden in einem Neubau zusammenzuführen. Die Antragsteller sind Eigentümer von Wohngrundstücken im angrenzenden Wohngebiet. Der Gemeinderat habe ihre privaten Belange fehlerhaft abgewogen. Das Sondergebiet lasse einen massiven Gebäudekomplex zu, der ihre Nachbargrundstücke unzumutbar verschatte und die Frischluftzufuhr von der Talaue des Zipfelbachs blockiere. Zudem führten ein im Plangebiet zulässiger Hubschrauberlandeplatz sowie der Zu- und Abfahrtverkehr zur geplanten Rettungswagenhalle mit 31 vorgelagerten Stellplätzen zu unzulässigem Lärm. Eine rechtmäßige Abwägung erfordere einen mindestens 30 m breiten Grünstreifen als Übergang zur Wohnbebauung. Auf der Grundlage des angegriffenen Bebauungsplans hat der Gemeindeverwaltungsverband Winnenden eine Baugenehmigung zur Errichtung eines Kreiskrankenhauses mit Werkstattgebäude und Stellplätzen erteilt. Das Vorhaben ist derzeit im Bau. Ein hiergegen gerichtetes Eilverfahren eines der Antragsteller blieb erfolglos.

In dieser Sache wurde Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt auf

Dienstag, den 12.04.2011, 10:00 Uhr

im Dienstgebäude des Verwaltungsgerichtshofs, Untergeschoss, Sitzungssaal III.

9. Senat

In zwei Berufungsverfahren von Klägern aus dem Ortenaukreis - 9 S 988/09 - und - 9 S 989/09 - ist die Frage zu entscheiden, ob Automaten-Videotheken an Sonn- und Feiertagen betrieben werden dürfen. In mehreren Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes hatte der Senat dies bisher unter Hinweis auf das Feiertagsgesetz und die verfassungsrechtlich geschützte Sonntagsruhe verneint.

Gegen die Entziehung seines Doktorgrades wendet sich ein Physiker in dem Verfahren - 9 S 2667/10 -. Hintergrund des Verfahrens sind Vorwürfe im Zusammenhang mit Forschungsarbeiten des Klägers, die er während seiner vierjährigen Tätigkeit für eine US-amerikanische Forschungseinrichtung angefertigt hat. Nach dem Ergebnis einer wissenschaftlichen Untersuchungskommission dieser Einrichtung (sog. „Beasley Report“) wird ihm in 16 von 24 untersuchten Veröffentlichungen wissenschaftliches Fehlverhalten angelastet. Die Universität Konstanz, die dem Kläger im Jahr 1997 den Grad eines Doktors der Naturwissenschaften verliehen hatte, untersuchte daraufhin seine dort durchgeführten, im wesentlichen mit seiner Dissertation zusammenhängenden Forschungsarbeiten und stellte zwar handwerkliche Fehler, jedoch kein wissenschaftliches Fehlverhalten im Sinne einer bewussten Datenmanipulation fest. Der Promotionsausschuss der Universität beschäftigte sich aber auch mit dem Beasley-Report und gelangte zu der Auffassung, dass dem Kläger insoweit Datenmanipulation, Präsentation von Daten in falschem Zusammenhang und künstliche Erzeugung von Daten zweifelsfrei nachgewiesen seien. Aufgrund dieses beispiellosen Fehlverhaltens habe er sich der Führung des Doktorgrades als unwürdig erwiesen. Diese Entscheidung hat das Verwaltungsgericht Freiburg aufgehoben, weil die nachträgliche Unwürdigkeit, die das Landeshochschulgesetz für den Entzug des Doktorgrades voraussetze, nicht allein mit wissenschaftlichem Fehlverhalten nach der Promotion begründet werden könne.

In dem Verfahren - 9 S 194/11 - ist die Frage zu klären, ob die klagende Gemeinde Kusterdingen zusammen mit den beigeladenen Gemeinden Kirchentellinsfurt und Wannweil auch für die Klassen 8 und 9 eine Werkrealschule an unterschiedlichen Standorten führen darf. Das Verwaltungsgericht Sigmaringen hat diese Frage bejaht. Nach seiner Auffassung schließt die gesetzliche Regelung eine (vertikale) Verteilung der Schule auf mehrere Standorte nicht aus. Auch eine Zustimmung durch die Schulbehörde sei hierfür nicht erforderlich. Hiergegen haben die Gemeinde Kusterdingen und das beklagte Land Berufung eingelegt. Das Land hat seine Berufung noch nicht begründet.

10. Senat

Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb eines weiteren Blocks (Block 9) des Großkraftwerks Mannheim ist Gegenstand des Verfahrens 10 S 2102/09 . Der klagende Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) beanstandet u.a., dass das Regierungspräsidium bei der Bewertung der Immissionsbelastung den neu beantragten Block 9 des steinkohlebefeuerten Kraftwerks isoliert betrachtet habe; stattdessen hätten die Emissionen der Gesamtanlage, also einschließlich der bestehenden Kraftwerksanlagen, einbezogen werden müssen. Weitere Rügen betreffen einen unzureichenden Nachweis der Anlagen- und Betriebssicherheit sowie Verstöße gegen das Naturschutzrecht und Vorgaben zum Gewässerschutz.

In diesem Verfahren wurde Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt auf

Dienstag, den 07.06.2011, 10:00 Uhr
und
Mittwoch, den 08.06.2011, 10:00 Uhr

im Dienstgebäude des Verwaltungsgerichtshofs, Untergeschoss, Sitzungssaal III.

11. Senat

Im Verfahren - 11 S 308/11 - wendet sich der Kläger, ein libanesischer Staatsangehöriger, der seit vielen Jahren legal in Deutschland lebt, gegen seine Ausweisung. Er ist seit Jahren im Vorstand des Islamischen Kulturvereins Sindelfingen/Stuttgart. Dieser wird vom beklagten Land als eine Organisation qualifiziert, die den Terrorismus, nämlich die Hisbollah im Libanon unterstützt, weshalb der Kläger unter Anordnung der sofortigen Vollziehung ausgewiesen wurde. Der Kläger stellt dies grundsätzlich in Frage und macht geltend, die Tätigkeit des Vereins sei rein karitativ und kulturell. Im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes war der Kläger erfolglos ebenso wie im Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht. Er hat mittlerweile das Land verlassen und ist in den Libanon zurückgekehrt, wo seine Frau und die Kinder ebenso leben wie seine gesamte Familie.

In diesem Verfahren wurde Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt auf

Mittwoch, den 25.05.2011, 10:00 Uhr

im Dienstgebäude des Verwaltungsgerichtshofs, 1. OG, Sitzungssaal II.

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