Diese Website verwendet Cookies. Weitere Informationen erhalten Sie unter Datenschutz.
1,6 Promille Blutalkohol spricht für Alkoholmissbrauch; Fahrer-laubnis nur nach medizinisch-psychologischer Begutachtung
Datum: 30.08.2012
Kurzbeschreibung: 1,6 Promille Blutalkoholkonzentration 35 Minuten nach einer Trunkenheitsfahrt spricht für Alkoholmissbrauch und kann im Verfahren über die Neuerteilung der vom Strafgericht entzogenen Fahrerlaubnis Zweifel an der Fahreignung begründen. Die Zweifel sind nur durch ein medizinisch-psychologisches Gutachten einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle auszuräumen, das der Fahrerlaubnisbewerber auf Anordnung der Fahrerlaubnisbehörde beibringt. Die Behörde muss die zu untersuchenden Fragen konkret festlegen und dem Fahrerlaubnisbewerber mitteilen. Das hat der 10. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (VGH) mit Urteil vom 18.06.2012 entschieden.
Der Kläger führte im Dezember 2005 unter Alkoholeinfluss einen Pkw. Eine 35 Minuten später entnommene Blutprobe ergab 1,6 Promille Blutalkoholkonzentration. Das Amtsgericht verurteilte ihn zu einer Geldstrafe, entzog ihm die Fahrerlaubnis und bestimmte eine elfmonatige Sperrfrist für deren Neuerteilung; dabei ging es zu seinen Gunsten von 1,58 Promille Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit aus. Im Verfahren über die Neuerteilung der Fahrerlaubnis ordnete das Landratsamt Ortenaukreis (Beklagter) an, dass der Kläger ein medizinisch-psychologischen Gutachten beizubringen habe. Der Kläger folgte dem nicht, weil er die Anordnung für rechtswidrig hielt. Daraufhin lehnte die Behörde seinen Antrag ab. Mit seiner Klage begehrte der Kläger, den Beklagten zur Erteilung der Fahrerlaubnis zu verpflichten; er verwies auf die Einmaligkeit des Vorfalls und machte geltend, keinen Alkohol mehr zu trinken. Das Verwaltungsgericht Freiburg wies die Klage ab. Auf die Berufung des Klägers verpflichtete der VGH den Beklagten, über den Fahrerlaubnisantrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden; im Übrigen blieb die Berufung erfolglos.
Zwar könne aus der Weigerung eines Fahrerlaubnisbewerbers, ein rechtmäßig angeordnetes medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen, auf seine Ungeeignetheit zum Führen eines Kraftfahrzeugs geschlossen werden. Die Anordnung des Landratsamts sei aber formell rechtswidrig. Denn sie lege nicht fest, welche konkreten Fragen zur Fahreignung des Klägers zu untersuchen seien; auch seien solche Fragen dem Kläger nicht mitgeteilt worden.
Der Beklagte sei derzeit gleichwohl nicht zur Erteilung der Fahrerlaubnis verpflichtet. Denn Eignungszweifel wegen einer Alkoholproblematik erforderten eine medizinisch-psychologische Begutachtung des Klägers. Sie ergäben sich zwar nicht allein aus der Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit. Das sei nach der Fahrerlaubnisverordnung erst ab 1,6 Promille der Fall, hier aber zur Zeit der Trunkenheitsfahrt nicht nachzuweisen. Die kurz darauf erreichte Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille spreche aber für Alkoholmissbrauch. Sie belege eine weit überdurchschnittliche Alkoholgewöhnung. Einem durchschnittlich alkoholgewöhnten Menschen sei es unmöglich, diesen Wert durch eigenes Handeln zu erreichen. Auch ein einmaliges Ereignis sei bei einer so hohen Blutalkoholkonzentration nicht glaubhaft. Beides sei wissenschaftlich belegt. Die hohe Alkoholgewöhnung wirke sich beim Kläger auch auf den Straßenverkehr aus, wie die Trunkenheitsfahrt zeige. Der Kläger habe dabei nicht zwischen einem die Fahrsicherheit ausschließenden Alkoholkonsum und dem Führen eines Kraftfahrzeugs getrennt. Zudem habe er bei dieser Fahrt eine Alkoholmenge im Körper gehabt, die später zu 1,6 Promille Blutalkoholkonzentration geführt habe. Eignungszweifel wegen einer Alkoholproblematik ergäben sich ferner auch daraus, dass die frühere Fahrerlaubnis vom Strafgericht wegen Alkoholmissbrauchs entzogen worden sei. Denn das Amtsgericht habe festgestellt, dass der Kläger trotz Fahruntüchtigkeit infolge Alkoholgenusses einen Pkw gefahren habe, und bei der Bemessung der Sperrfrist auch auf den Alkoholisierungsgrad abgestellt.
Der VGH könne die Fahreignung nach den Regelungen der Fahrerlaubnisverordnung nicht selbst durch Sachverständigengutachten klären. Dem berechtigten Anliegen des Klägers, sich erst medizinisch-psychologisch untersuchen zu lassen, wenn gerichtlich geklärt sei, ob die dafür nötigen Voraussetzungen der Fahrerlaubnisverordnung erfüllt seien, könne nur durch eine Verpflichtung des Beklagten zur erneuten Entscheidung über den Fahrerlaubnisantrag Rechnung getragen werden. Die Behörde habe somit nach dem Gerichtsverfahren zunächst die Beibringung des Gutachtens formell rechtmäßig anzuordnen. Komme der Kläger der Anordnung nach, sei auf der Grundlage des Gutachtens zu entscheiden, ansonsten könne auf seine Nichteignung geschlossen werden.
Die Revision wurde nicht zugelassen. Die Nichtzulassung der Revision kann binnen eines Monats nach Zustellung des Urteils durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht angefochten werden (Az.: 10 S 452/10).
Zwar könne aus der Weigerung eines Fahrerlaubnisbewerbers, ein rechtmäßig angeordnetes medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen, auf seine Ungeeignetheit zum Führen eines Kraftfahrzeugs geschlossen werden. Die Anordnung des Landratsamts sei aber formell rechtswidrig. Denn sie lege nicht fest, welche konkreten Fragen zur Fahreignung des Klägers zu untersuchen seien; auch seien solche Fragen dem Kläger nicht mitgeteilt worden.
Der Beklagte sei derzeit gleichwohl nicht zur Erteilung der Fahrerlaubnis verpflichtet. Denn Eignungszweifel wegen einer Alkoholproblematik erforderten eine medizinisch-psychologische Begutachtung des Klägers. Sie ergäben sich zwar nicht allein aus der Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit. Das sei nach der Fahrerlaubnisverordnung erst ab 1,6 Promille der Fall, hier aber zur Zeit der Trunkenheitsfahrt nicht nachzuweisen. Die kurz darauf erreichte Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille spreche aber für Alkoholmissbrauch. Sie belege eine weit überdurchschnittliche Alkoholgewöhnung. Einem durchschnittlich alkoholgewöhnten Menschen sei es unmöglich, diesen Wert durch eigenes Handeln zu erreichen. Auch ein einmaliges Ereignis sei bei einer so hohen Blutalkoholkonzentration nicht glaubhaft. Beides sei wissenschaftlich belegt. Die hohe Alkoholgewöhnung wirke sich beim Kläger auch auf den Straßenverkehr aus, wie die Trunkenheitsfahrt zeige. Der Kläger habe dabei nicht zwischen einem die Fahrsicherheit ausschließenden Alkoholkonsum und dem Führen eines Kraftfahrzeugs getrennt. Zudem habe er bei dieser Fahrt eine Alkoholmenge im Körper gehabt, die später zu 1,6 Promille Blutalkoholkonzentration geführt habe. Eignungszweifel wegen einer Alkoholproblematik ergäben sich ferner auch daraus, dass die frühere Fahrerlaubnis vom Strafgericht wegen Alkoholmissbrauchs entzogen worden sei. Denn das Amtsgericht habe festgestellt, dass der Kläger trotz Fahruntüchtigkeit infolge Alkoholgenusses einen Pkw gefahren habe, und bei der Bemessung der Sperrfrist auch auf den Alkoholisierungsgrad abgestellt.
Der VGH könne die Fahreignung nach den Regelungen der Fahrerlaubnisverordnung nicht selbst durch Sachverständigengutachten klären. Dem berechtigten Anliegen des Klägers, sich erst medizinisch-psychologisch untersuchen zu lassen, wenn gerichtlich geklärt sei, ob die dafür nötigen Voraussetzungen der Fahrerlaubnisverordnung erfüllt seien, könne nur durch eine Verpflichtung des Beklagten zur erneuten Entscheidung über den Fahrerlaubnisantrag Rechnung getragen werden. Die Behörde habe somit nach dem Gerichtsverfahren zunächst die Beibringung des Gutachtens formell rechtmäßig anzuordnen. Komme der Kläger der Anordnung nach, sei auf der Grundlage des Gutachtens zu entscheiden, ansonsten könne auf seine Nichteignung geschlossen werden.
Die Revision wurde nicht zugelassen. Die Nichtzulassung der Revision kann binnen eines Monats nach Zustellung des Urteils durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht angefochten werden (Az.: 10 S 452/10).