Die Klägerin - Bürgerin eines Stadtteils der Stadt Tauberbischofsheim - hatte nach der Gemeinderatswahl am 26.05.2019 Einspruch gegen die Wahl erhoben und diesen u.a. damit begründet, dass die Wahl nach dem System der sog. unechten Teilortswahl verfassungswidrig sei. Dadurch, dass jeder der sechs Ortsteile von Tauberbischofsheim jeweils über einen garantierten Sitz im Gemeinderat unabhängig von deren Einwohnerzahl verfüge, sei eine Stimme eines Bürgers aus einem kleineren Ortsteil mehr wert als die eines Bürgers aus einem größeren Ortsteil, dies verstoße gegen den Grundsatz der Gleichheit der Wahl. Das zuständige Landratsamt wies den Einspruch zurück, woraufhin die Klägerin Klage vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart erhoben hat. Das Verwaltungsgericht gab der Klage mit Urteil vom 04.08.2021 (Az. 7 K 5004/19) statt, da die Klägerin in ihrem Recht auf eine dem Gesetz entsprechende Repräsentation ihres Stadtteils verletzt sei und verpflichtete den Beklagten zur Ungültigerklärung der Wahl. Die Berufung hat es wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Gegen das stattgebende Urteil haben das Land Baden-Württemberg (vertreten durch das Landratsamt Main-Tauber-Kreis) sowie die Stadt Tauberbischofsheim Berufung eingelegt. Sie halten die unechte Teilortswahl für grundsätzlich verfassungsgemäß und die konkrete Sitzverteilung für den Gemeinderat von Tauberbischofsheim für rechtmäßig.
Der VGH hat die Berufung zurückgewiesen. Wie schon das Verwaltungsgericht ging der 1. Senat des VGH davon aus, dass die Klägerin ein subjektives (eigenes) Recht auf entsprechende Repräsentation ihres Wohnbezirks im Gemeinderat hat. Dabei hat der Senat keine grundsätzlichen Bedenken im Hinblick auf die Verfassungsmäßigkeit der unechten Teilortswahl, jedoch muss die Sitzverteilung den gesetzlichen Vorgaben der Gemeindeordnung entsprechen. Nach der Gemeindeordnung (§ 27 Abs. 2 Satz 4 GemO) sind hierfür die „örtlichen Verhältnisse“ und der „Bevölkerungsanteil“ zu berücksichtigen. Über- oder Unterrepräsentationen müssen durch sachliche Gründe gerechtfertigt werden können. Dabei ist immer der Einzelfall zu betrachten.
Im vorliegenden Fall haben weder das beklagte Land noch die beigeladene Stadt Tauberbischofsheim ausreichend dargelegt, wieso in den Stadtteilen Impfingen eine gemessen am Bevölkerungsanteil bestehende Unterrepräsentation von ca. 38 % gerechtfertigt wäre, wohingegen der viel kleinere Teilort Dienstadt gemessen am Bevölkerungsanteil zu ca. 57 % überrepräsentiert ist. Die ursprünglich in den 1970er Jahren geschlossenen Eingliederungsvereinbarungen der Stadt Tauberbischofsheim mit den sechs Teilorten, die diesen jeweils einen Sitz im Gemeinderat garantierten, können seit der Neuregelung der Sitzverteilung 1999 nicht mehr herangezogen werden, da diese Eingliederungsvereinbarungen mit der Änderung der Hauptsatzung 1999 ihre Verbindlichkeit verloren haben. Auch der Verweis auf die gestiegene Bedeutung der Kernstadt Tauberbischofsheim als Schul- und Gewerbestandort liefert keine ausreichende Begründung für die untereinander stark differierenden Repräsentationsquoten der Teilorte.
Die Revision wurde nicht zugelassen. Die Nichtzulassung der Revision kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht angefochten werden (1 S 2975/21).
Hinweis: Auskünfte zur Person der Klägerin werden nicht erteilt.