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OB-Wahl Böblingen: Wahleinspruch trotz zweier Wahlfehler zurückgewiesen

Datum: 03.05.2019

Kurzbeschreibung: 
Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) hat mit Beschluss vom 2. Mai 2019 das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 23. Januar 2019 bestätigt, mit dem der Wahleinspruch einer Klägerin gegen die Oberbürgermeisterwahl der Stadt Böblingen zurückgewiesen wurde. Ohne Rechtsfehler habe das Verwaltungsgericht die Prozessfähigkeit der Klägerin verneint. Schon aus diesem Grund sei ihre gegen die Gültigkeit der Oberbürgermeisterwahl gerichtete Klage vom Verwaltungsgericht zu Recht abgewiesen worden. Die Klage hätte auch in der Sache keinen Erfolg haben können. Zwar habe die Stadt Böblingen zweimal gegen den Grundsatz der Chancengleichheit der Kandidaten verstoßen, indem es während des Wahlkampf die Plakatierungsrichtlinie geändert und die Betriebsratsvorsitzende der Stadtwerke Böblingen in einer Mail an alle Mitarbeiter der Stadtwerke gegen einen der Kandidaten Stellung bezogen habe. Diese Wahlfehler hätten sich jedoch nicht auf das Wahlergebnis ausgewirkt.

Das Regierungspräsidium Stuttgart (Beklagter) hatte den Einspruch der Klägerin gegen die Gültigkeit der Oberbürgermeisterwahl vom 04.02.2018 mit Bescheid vom 07.03.2018 zurückgewiesen. Hiergegen erhob die Klägerin Klage zum Verwaltungsgericht Stuttgart. Dieses wies ihre Klage mit Urteil vom 23.01.2019 ab. Zur Begründung führte das Verwaltungsgericht aus: Die Klage sei bereits unzulässig, da die Klägerin nicht prozessfähig sei. Zudem sei die Klage - die Prozessfähigkeit der Klägerin unterstellt - auch unbegründet, da Wahlfehler nicht vorgelegen hätten. Es sei nicht zu beanstanden, dass die Stadt Böblingen (Beigeladene zu 2) ihre Plakatierungsrichtlinie vom 10. Januar 2018, die allen Bewerbern nur Plakate mit einer Fläche von DIN A 1 erlaubte, am 15. Januar 2018 dahin änderte, dass nun die zulässige Größe DIN A 0 sei. Die Änderung habe ihren Grund darin gehabt, dass nach dem zulässigen Beginn des Plakatierens am 12. Januar 2018 festgestellt worden sei, dass der amtierende Oberbürgermeister, der wieder kandidiert habe, Plakate der Größe DIN A 0 aufgehängt habe, dass eine Aufforderung an diesen zur Beachtung der Vorgaben einschließlich der Androhung, die Plakate durch die Stadt abzuhängen zu lassen, voraussichtlich einige Tage in Anspruch genommen hätte und dass daher eine Gleichbehandlung der Kandidaten durch eine Änderung der Plakatierungsrichtlinie schneller zu erreichen gewesen sei. Ein Wahlfehler liege auch nicht darin, dass die Betriebsratsvorsitzende der Stadtwerke Böblingen im Anschluss an eine Diskussionsveranstaltung im Wahlkampf am 19.01.2018 in einer Mail an alle 80 Mitarbeiter der Stadtwerke geschrieben habe, es alarmiere sie, wenn es im Fall der Wahl des Kandidaten S. auch um Personalabbau bei den Stadtwerken gehe. Da der Betriebsrat ein unabhängiges Organ sei, könne die Äußerung der Stadt Böblingen nicht zugerechnet werden.

Die Klägerin wandte sich gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung an den VGH. Dieser wies den Antrag zurück. Die Klage gegen die Gültigkeit der Oberbürgermeisterwahl ist damit rechtskräftig abgewiesen.

Der 1. Senat des VGH führt zur Begründung seines Beschlusses aus: Das Verwaltungsgericht hat ohne Rechtsfehler die Prozessfähigkeit der Klägerin verneint und die Klage daher zu Recht als unzulässig abgewiesen. Ein weiteres Sachverständigengutachten über die Prozessfähigkeit der Klägerin habe das Verwaltungsgericht nicht einholen müssen, da es ein 2018 in einem Verfahren des Landgerichts Stuttgart erstelltes Gutachten über die Klägerin zulässig herangezogen habe. Zudem habe es sich - was in der Regel nötig sei - in der mündlichen Verhandlung einen persönlichen Eindruck von der Klägerin verschafft.

Die Klage hätte - so der 1. Senat weiter - auch in der Sache keinen Erfolg haben können. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts hätten jedoch zwei Wahlfehler vorgelegen. Es handele sich um eine gesetzwidrige Wahlbeeinflussung, wenn die Stadt Böblingen im Oberbürgermeisterwahlkampf ihre Plakatierungsrichtlinie, die den Kandidaten Plakate bis zur Größe DIN A 1 erlaubt, ad hoc dahin ändere, Plakate bis zur Größe DIN A 0 zu gestatten, nachdem der wieder kandidierende Amtsinhaber unter Verstoß gegen die Plakatierungsrichtlinie Wahlplakate mit der Größe A 0 aufgehängt habe. Die Stadt Böblingen habe damit dem amtierenden Oberbürgermeister einen gleichheitswidrigen Vorteil verschafft. Angesichts des offenkundigen Verstoßes gegen die Plakatierungsrichtlinie und im Hinblick auf die Bedeutung des Grundsatzes der Chancengleichheit hätte die Stadt rechtmäßiger Weise dem Oberbürgermeister eine sehr knapp, nach Stunden bemessene Frist zur Entfernung der unzulässigen Plakate setzen und bei deren Ablauf noch vorhandene unzulässige Plakate auf dessen Kosten umgehend entfernen können. Dies hätte eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes eher minimiert als die vorgenommene Änderung der Plakatierungserlaubnis.

Auch die Mail der Betriebsratsvorsitzenden der Stadtwerke Böblingen sei eine gesetzwidrige Wahlbeeinflussung. Kommunale Bedienstete jedenfalls in Führungspositionen seien bei Äußerungen im Wahlkampf an die Neutralitätspflicht und den Grundsatz der Chancengleichheit gebunden. Dies gelte - trotz der Unabhängigkeit des Betriebsrats - auch für die Betriebsratsvorsitzende der Stadtwerke, da ihre Äußerung als Stellungnahme mit zumindest teilweise amtlichem Charakter wahrgenommen werde. Zudem habe sie sich mit ihrer Mail an alle Mitarbeiter der Stadtwerke des amtlichen Mailverteilers bedient und damit ein Mittel eingesetzt, das dem angegriffenen Bewerber S. nicht zur Verfügung gestanden habe. Die Äußerungen in der Mail seien unzulässig gewesen, da es sich nicht um eine bloße sachbezogene Richtigstellung im Hinblick auf die eigene Tätigkeit bei den Stadtwerken gehandelt habe, sondern angesichts von Stil und Inhalt der Mail um eine allgemeine, warnende Stellungnahme vor der Wahl des Kandidaten S., mithin um eine negativ werbende Wahlkampfäußerung.

Jedoch sei für eine mögliche Ursächlichkeit der beiden Wahlfehler nichts erkennbar. Denn bei der Wahl habe der Gewählte 7361 Stimmen, der damals amtierende Oberbürgermeister 4053 Stimmen, der Kandidat S. 2804 Stimmen, die Klägerin 111 Stimmen und Sonstige 21 Stimmen erhalten.

Der Beschluss vom 2. Mai 2019 ist unanfechtbar (1 S 581/19).

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