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Wohnberechtigungsschein für geduldete erfolglose Asylbewerberin bei dauerhaftem Abschiebungsverbot aus familiären Gründen

Datum: 08.08.2013

Kurzbeschreibung: Ein Wohnberechtigungsschein für eine öffentlich geförderte Mietwohnung kann ausnahmsweise auch einer geduldeten abgelehnten Asylbewerberin erteilt werden, wenn diese zum Schutz ihres Familienlebens dauerhaft nicht abgeschoben werden darf. Das hat der 3. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (VGH) mit einem jetzt veröffentlichten Urteil vom 17.07.2013 entschieden.

Die Klägerin, eine abgelehnte Asylbewerberin aus Kamerun, lebt seit 2005 mit einer Duldung in Deutschland. Sie wohnt mit ihrer 8jährigen Tochter, über deren Asylantrag noch nicht entschieden ist, in einer Gemeinschaftsunterkunft. Der Vater ihrer Tochter, ein Kongolese mit Niederlassungserlaubnis, lebt getrennt von ihr, übt aber mit ihr die elterliche Sorge aus. Das Ausländeramt der Stadt Freiburg (Beklagte) befreite die Klägerin und ihre Tochter im Oktober 2010 von der Pflicht zur Wohnsitznahme in einer Gemeinschaftsunterkunft. Das Sozialamt sicherte zu, die Kosten einer angemessenen Wohnung zu übernehmen. Den Antrag der Klägerin, einen Wohnberechtigungsschein zu erteilen, den sie für die Anmietung einer öffentlich geförderten Wohnung benötigt, lehnte das Amt für Wohnraumversorgung jedoch ab. Die Klägerin und ihre Tochter seien keine Wohnungssuchende im Sinne des Landeswohnraumförderungsgesetzes (LWoFG), weil sie ohne Aufenthaltstitel keinen dauerhaften Wohnsitz begründen könnten. Das Verwaltungsgericht Freiburg folgte dem nicht und verpflichtete die Beklagte zur Erteilung eines Wohnberechtigungsscheins. Die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung der Beklagten blieb erfolglos.

Die Klägerin erfülle unstreitig die finanziellen Voraussetzungen für die Erteilung eines Wohnberechtigungsscheines und sei auch Wohnungssuchende im Sinne des LWoFG. Sie halte sich seit mehr als acht Jahren und damit nicht nur vorübergehend in Baden-Württemberg auf und sei tatsächlich wie rechtlich in der Lage, für sich und ihre Tochter auf längere Dauer einen Wohnsitz als Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen zu begründen und dabei einen selbstständigen Haushalt zu führen. Dem stehe nicht entgegen, dass sie nur eine Duldung und keinen Aufenthaltstitel nach dem Aufenthaltsgesetz besitze. Auch geduldete Ausländer könnten ausnahmsweise wohnungssuchend im Sinne des LWoFG sein. Eine solche Ausnahme liege hier vor, weil die Klägerin nicht zur Wohnsitznahme in einer Gemeinschaftsunterkunft verpflichtet sei, aus familiären Gründen dauerhaft nicht abgeschoben werden dürfe und das Sozialamt ihr zugesichert habe, die angemessenen Kosten für eine private Unterkunft zu übernehmen. Das LWoFG verlange für Ausländer nicht den Besitz eines Aufenthaltstitels. Allerdings folge aus den Begriffen "Wohnsitz" und "längere Dauer", dass Geduldete im Regelfall nicht als wohnungssuchend angesehen werden könnten. Diese Regel gelte aber nicht im Ausnahmefall der Klägerin. Denn sie dürfe, wie auch die Beklagte nicht bezweifle, zum Schutz ihrer Grund- und Menschenrechte auf Achtung des Familienlebens dauerhaft nicht abgeschoben werden. Daher könne sie auch auf längere Dauer einen Wohnsitz im Bundesgebiet begründen. Hierfür spreche auch die mit dem LWoFG bezweckte Familienförderung. Ausländer, deren Abschiebung aus familiären Gründen dauerhaft unmöglich sei, gehörten daher typischerweise zum förderungswürdigen Personenkreis. Schließlich sei zu bedenken, dass das Sozialamt die angemessenen Kosten einer privaten Unterkunft für geduldete abgelehnte Asylbewerber nur unter engen Voraussetzungen übernehme. Seien diese Voraussetzungen - wie im Falle der Klägerin - erfüllt, wäre es ein Wertungswiderspruch, wenn man sich auf den Standpunkt stellte, ihr geduldeter Aufenthalt dürfe nicht durch Zubilligung einer mietverbilligten Sozialwohnung gefördert werden. Vielmehr spreche gerade die Zusicherung des Sozialamtes dafür, die Klägerin und ihre Tochter zum anspruchsberechtigten Personenkreis zu rechnen.


Die Revision wurde nicht zugelassen. Die Nichtzulassung der Revision kann binnen eines Monats nach Zustellung des schriftlichen Urteils durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden (Az.: 3 S 1514/12).

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