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Ludwigsburg: Klage gegen Bauträgergeschäft der städtischen Wohnungsbaugesellschaft abgewiesen

Datum: 11.04.2023

Kurzbeschreibung: Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) hat mit Urteil vom 23. März 2023 die Klage gegen die Bauträgertätigkeit der Wohnungsbaugesellschaft der Stadt Ludwigsburg abgewiesen.

Ludwigsburg: Klage gegen Bauträgergeschäft der städtischen Wohnungsbaugesellschaft abgewiesen

Sachverhalt

Die Geschäftstätigkeit der - im Verfahren beigeladenen - Wohnungsbaugesellschaft Ludwigsburg besteht u.a. aus der Vermietung des eigenen Wohnungsbestands sowie der Errichtung und dem Verkauf von Eigentumswohnungen zu Marktpreisen. Hiergegen wenden sich drei private Bauträgerfirmen (Klägerinnen) mit ihrer gegen die Stadt Ludwigsburg (Beklagte) gerichteten Klage. Sie machen geltend, das Bauträgergeschäft der Ludwigsburger Wohnungsbaugesellschaft verstoße gegen die Vorschrift des § 102 Abs. 1 Nr. 3 GemO, nach der die wirtschaftliche Tätigkeit von Gemeinden außerhalb der kommunalen Daseinsvorsorge nur begrenzt zulässig sei.

Das Verwaltungsgericht Stuttgart wies die Klage mit Urteil vom 8. Juli 2020 ab. Die Errichtung von zum Verkauf bestimmten Eigentumswohnungen durch die von der Stadt Ludwigsburg beherrschte städtische Wohnungsbaugesellschaft habe nicht gegen § 102 Abs. 1 Nr. 3 GemO verstoßen. Die Errichtung von zum Verkauf bestimmten Eigentumswohnungen durch die Beigeladene sei nicht bereits per se der Daseinsvorsorge zuzuordnen. Denn grundsätzlich handele es sich hierbei um eine rein erwerbswirtschaftliche Tätigkeit mit Gewinnerzielungsabsicht. Auch sei der Einsatz von Erlösen aus wirtschaftlicher Betätigung für soziale Zwecke (Querfinanzierung) für sich genommen nicht ausreichend, um die wirtschaftliche Betätigung der Daseinsvorsorge zuzuordnen. Anders verhalte es sich jedoch, wenn mit der wirtschaftlichen Betätigung selbst - wie hier - Gemeinwohlzwecke verfolgt würden. Hinzu komme, dass durch den Bau von frei finanzierten Mietwohnungen, freiwillig preisreduzierten Mietwohnungen sowie zum Verkauf bestimmter Eigentumswohnungen weitere anerkennenswerte Gemeinwohlzwecke verfolgt würden, da hierbei eine soziale Durchmischung verschiedener Bevölkerungsgruppen erreicht und hierdurch stabile Sozialstrukturen in den betroffenen Baugebieten geschaffen würden (siehe Pressemitteilungen des VG Stuttgart vom 1. Juli 2020, vom 13. Juli 2020 und 17. August 2020).

Die Klägerinnen haben gegen dieses Urteil Berufung zum VGH eingelegt und vorgebracht, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht angenommen, dass die Bauträgertätigkeit der städtischen Wohnungsbaugesellschaft der kommunalen Daseinsvorsorge diene.

Urteil des VGH

Der 1. Senat des Verwaltungsgerichtshofs hat die Berufung der Klägerinnen zurückgewiesen und damit das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart bestätigt. Zur Begründung führt er aus, die Vorschrift des § 102 Abs. 1 GemO sei bereits nicht anwendbar. Ihre Anwendbarkeit setze voraus, dass eine Gemeinde ein wirtschaftliches Unternehmen errichte, übernehme, wesentlich erweitere oder sich daran beteilige. Dabei komme es auf den Zeitpunkt des 31. Dezember 2005 an. Denn zum 1. Januar 2006 sei § 102 Abs. 1 GemO in der derzeit geltenden Fassung in Kraft getreten. Mit der seinerzeitigen Gesetzesänderung, die die Nr. 3 der Vorschrift geändert habe, habe der Gesetzgeber bezweckt, dass Gemeinden mit ihrer Wirtschaftstätigkeit privaten Firmen nicht ohne Not Konkurrenz machten. Die Vorschrift des § 102 Abs. 1 Nr. 3 GemO diene auch dem Schutz der privaten Firmen, die sich daher auf diese Vorschrift vor Gericht berufen dürften.

Die Ludwigsburger Wohnungsbaugesellschaft sei bereits 1953 gegründet worden. Die Vorschrift des § 102 Abs. 1 GemO könne daher hier nur Anwendung finden, wenn die Stadt Ludwigsburg die Wohnungsbaugesellschaft nach dem 31. Dezember 2005 wesentlich erweitert habe. Daran fehle es hier. Der Begriff der wesentlichen Erweiterung sei jedenfalls für ein kommunales Unternehmen in der Form einer GmbH in Anlehnung an § 103a Nr. 2 GemO als die Übernahme neuer Aufgaben von besonderer Bedeutung im Rahmen des Unternehmensgegenstandes zu verstehen. § 103a GemO wolle für die in der kommunalen Praxis besonders häufig gewählte privatrechtliche Unternehmensform der GmbH den kommunalen Einfluss sichern, indem die Kompetenzen der Gesellschafterversammlung gewahrt würden. Die Anforderungen an kommunale Unternehmen in der Rechtsform einer GmbH in § 103a GemO knüpften daran an, dass die Gemeinde ein Unternehmen errichte, übernehme, wesentlich erweitere oder sich daran beteilige. Es handele sich um dieselben Begriffe wie in § 102 Abs. 1 GemO, die aus systematischen Gründen auch denselben Inhalt haben müssten. In § 103a Nr. 2 GemO regele der Gesetzgeber den Begriff der wesentlichen Erweiterung.

Eine neue Aufgabe von besonderer Bedeutung im Sinne von § 103a Nr. 2 GemO liege nicht vor, wenn eine GmbH nach dem 31. Dezember 2005 eine Aufgabe wahrnehme, die sie schon vor dem 1. Januar 2006 in einem nicht zu vernachlässigenden Umfang wahrgenommen habe. Auch wenn eine solche schon vor dem 1. Januar 2006 in einem nicht zu vernachlässigenden Umfang wahrgenommene Aufgabe nach dem 31. Dezember 2015 in größerem Umfang als zuvor wahrgenommen werde, handele es sich nicht um eine neue Aufgabe von besonderer Bedeutung und daher nicht um eine wesentliche Erweiterung im Sinne von § 102 Abs. 1 GemO, wenn sich durch die Ausweitung dieser Tätigkeit der Schwerpunkt der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft nicht verändere.

So liege es im Fall der beigeladenen Wohnungsbaugesellschaft. Sie habe schon vor dem 1. Januar 2006 in nicht zu vernachlässigenden Umfang Eigentumswohnungen errichtet und veräußert. Zudem habe sie diese Tätigkeit nicht in einem solchen Umfang ausgeweitet, dass sich hierdurch der Schwerpunkt der Geschäftstätigkeit der Wohnungsbaugesellschaft verändert habe. Die Ludwigsburger Wohnungsbaugesellschaft könne sich daher für ihre schon vor dem 1. Januar 2006 ausgeübte Bauträgertätigkeit auf Bestandsschutz berufen. Auf die Frage, ob diese Tätigkeit der kommunalen Daseinsvorsorge zuzuordnen sei, komme es daher nicht an.

Die Revision zum Bundesverwaltungsgericht wurde nicht zugelassen. Die Nicht­zulassung der Revision kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten wer­den (Az. 1 S 2793/20).

Wortlaut des § 102 Abs. 1 GemO:

Die Gemeinde darf ungeachtet der Rechtsform wirtschaftliche Unternehmen nur errichten, übernehmen, wesentlich erweitern oder sich daran beteiligen, wenn

  1. der öffentliche Zweck das Unternehmen rechtfertigt,
  2. das Unternehmen nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zur Leistungsfähigkeit der Gemeinde und zum voraussichtlichen Bedarf steht und
  3. bei einem Tätigwerden außerhalb der kommunalen Daseinsvorsorge der Zweck nicht ebenso gut und wirtschaftlich durch einen privaten Anbieter erfüllt wird oder erfüllt werden kann.

Wortlaut des § 103a GemO:

Die Gemeinde darf unbeschadet des § 103 Abs. 1 ein Unternehmen in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung nur errichten, übernehmen, wesentlich erweitern oder sich daran beteiligen, wenn im Gesellschaftsvertrag sichergestellt ist, dass die Gesellschafterversammlung auch beschließt über

  1. den Abschluss und die Änderung von Unternehmensverträgen im Sinne der §§ 291und 292 Abs. 1 des Aktiengesetzes,
  2. die Übernahme neuer Aufgaben von besonderer Bedeutung im Rahmen des Unternehmensgegenstands,
  3. die Errichtung, den Erwerb und die Veräußerung von Unternehmen und Beteiligungen, sofern dies im Verhältnis zum Geschäftsumfang der Gesellschaft wesentlich ist,
  4. die Feststellung des Jahresabschlusses und die Verwendung des Ergebnisses.

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