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Beamte dürfen Teilzeitbeschäftigung nicht zur Aufnahme eines Zweitberufs nutzen
Datum: 05.12.2003
Kurzbeschreibung:
Das - im Grundgesetz verankerte - Wesen des Berufsbeamtentums lässt es nicht zu, dass Beamte die durch Teilzeitbeschäftigung gewonnene Freizeit nutzen, um einen Zweitberuf aufzunehmen. Diesen Grundsatz hat der für das Beamtenrecht zuständige 4. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (VGH) im Urteil vom 25.6.2003 hervorgehoben.
Der Beamte (Kläger) ist Lehrer. Er hatte bereits 1999 die Genehmigung für die Übernahme einer Nebentätigkeit als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut für acht Stunden in der Woche (bei einer Teilzeitbeschäftigung von 5/6) erhalten. Im Januar 2000 beantragte er beim Oberschulamt Stuttgart ihm zu erlauben, diese Nebentätigkeit auf bis zu weiteren zwanzig Wochenstunden auszudehnen bei gleichzeitiger Reduzierung seiner Arbeitszeit als Lehrer auf die Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit (40 Stunden in der Woche). Der VGH hat die ablehnenden Entscheidungen des Oberschulamts und des Verwaltungsgerichts Stuttgart aus folgenden Gründen bestätigt:
Nach dem Landesbeamtengesetz sei die Genehmigung für eine Nebentätigkeit zu versagen, wenn sie die Arbeitskraft des Beamten so stark in Anspruch nehme, dass die ordnungsgemäße Erfüllung seiner dienstlichen Pflichten behindert werden könne; diese Voraussetzung gelte in der Regel als erfüllt, wenn die zeitliche Beanspruchung durch Nebentätigkeit(en) ein Fünftel der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit überschreite (§ 83 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 und Satz 3 LBG). Diese Grenze erreiche bereits die derzeitige Nebentätigkeit des Klägers; sie würde bei der beantragten Erweiterung auf bis zu weiteren zwanzig Wochenstunden bei weitem überschritten. Zwar stünde dem Kläger bei einer Reduzierung seiner Arbeitszeit als Lehrer auf zwanzig Wochenstunden erheblich mehr Freizeit zur Verfügung, die er rein tatsächlich für eine vermehrte Tätigkeit als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut nutzen könnte. Das Landesbeamtengesetz verbiete jedoch ausdrücklich, teilzeitbeschäftigten Beamten in größerem Umfang Nebentätigkeiten zu genehmigen als vollzeitbeschäftigten Beamten (§ 153 f Abs. 2 Satz 1 und 3 LBG). Damit sei es Beamten grundsätzlich verwehrt, die durch Teilzeitbeschäftigung frei werdende Zeit zu nutzen, um über eine untergeordnete Nebentätigkeit hinaus in einen Zweitberuf einzusteigen.
Diese gesetzliche „Flexibilisierungsgrenze“ sei auch vereinbar mit der von der Verfassung garantierten Berufsfreiheit. Sie folge nämlich aus dem ebenfalls in der Verfassung verbürgten Wesen des Berufsbeamtentums als einem umfassenden Dienst- und Treueverhältnis. Prägendes Merkmal dieses Verhältnisses sei die Pflicht des Beamten, sich ganz dem öffentlichen Dienst als Lebensberuf zu widmen, die mit der Pflicht des Dienstherrn korreliere, dem Beamten und seiner Familie einen dem Amt angemessenen Lebensunterhalt zu gewähren (Alimentation). Auf diese Weise werde die zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben notwendige persönliche Unabhängigkeit des Beamten und seine Loyalität gegenüber dem Wohl der Allgemeinheit gesichert. Leitbild des Beamtentums sei folglich nicht die Teilzeitbeschäftigung, sondern die Vollzeitbeschäftigung gegen amtsangemessene Alimentation.
Allerdings habe der Gesetzgeber mit der Einführung der nicht an besondere Voraussetzungen - insbesondere familiärer Art - geknüpften Teilzeitbeschäftigung selbst Abstriche vom Prinzip der vollen Hingabe des Beamten an seinen Beruf gemacht. Im Vordergrund habe dabei die Überlegung gestanden, dass die Arbeitszeitflexibilisierung einen neuen sozialen Standard darstelle, dem sich auch das Berufsbeamtentum nicht ganz verschließen könne, ohne Gefahr zu laufen, für qualifizierte Bewerber unattraktiv zu werden. Es sei jedoch nicht darum gegangen, jedem Beamten außerdem die Möglichkeit zu eröffnen, eine zweite berufliche Tätigkeit aufzunehmen und das Beamtenverhältnis mit zeitlich reduzierten Pflichten daneben quasi als „ökonomische Basissicherung“ bestehen zu lassen. Eine derart weitreichende Flexibilisierung wäre auch unvereinbar mit dem Wesen des Beamtentums, wie es das Grundgesetz verbürge. Denn jede weitere berufliche Tätigkeit gefährde die persönliche Unabhängigkeit des Beamten und seine - ungeteilte - Loyalität gegenüber dem Gemeinwohl, weil sie selbst mit Arbeits-, Loyalitäts- und Schutzpflichten gegenüber Dritten verbunden sei. Die mit diesem Grundsatz der Hauptberuflichkeit verbundene Freiheitsbeschränkung sei auch nicht unverhältnismäßig, weil jeder Beamte frei entscheiden könne, ob er Teilzeitbeschäftigung ohne Möglichkeit zu erweiterter Nebentätigkeit beantrage oder Vollzeitbeschäftigung beibehalte. Ausnahmen kämen nur in seltenen Bagatell- und Härtefällen in Betracht. Dies sei hier nicht der Fall; durch die beabsichtigte Erweiterung bekäme die Tätigkeit des Klägers als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut den Charakter eines Zweitberufs, weil sie auf Gewinnerzielung gerichtet sei und über die Schwelle des „Hobbymäßigen“ weit hinaus ginge.
Die Entscheidung ist rechtskräftig geworden (Az.: 4 S 1540/02).
§ 83 Landesbeamtengesetz (Genehmigungspflichtige Nebentätigkeiten)
Abs. 2 Satz 2 Nr. 1: Ein solcher Versagungsgrund liegt insbesondere vor, wenn die Nebentätigkeit nach Art und Umfang die Arbeitskraft des Beamten so stark in Anspruch nimmt, dass die ordnungsgemäße Erfüllung seiner dienstlichen Pflichten behindert werden kann,...
Abs. 2 Satz 3: Die Voraussetzung des Satzes 2 Nr. 1 gilt in der Regel als erfüllt, wenn die zeitliche Beanspruchung durch eine oder mehrere Nebentätigkeiten in der Woche ein Fünftel der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit überschreitet.
§ 153 f Landesbeamtengesetz (Teilzeitbeschäftigung aus sonstigen Gründen)
Abs. 2 Sätze 1-3: Dem Antrag darf nur entsprochen werden, wenn der Beamte sich verpflichtet, während des Bewilligungszeitraums Nebentätigkeiten nur unter den Voraussetzungen und in dem Umfang auszuüben, wie dies nach den nebentätigkeitsrechtlichen Bestimmungen den vollzeitbeschäftigten Beamten gestattet ist. Ausnahmen dürfen nur zugelassen werden, soweit dies mit dem Beamtenverhältnis vereinbar ist. § 83 Abs. 2 Satz 3 gilt mit der Maßgabe, dass von der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ohne Rücksicht auf die Bewilligung von Teilzeitbeschäftigung auszugehen ist. ...