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Entziehung der Rechtsfähigkeit des Vereins "Scientology Gemeinde Baden-Württemberg e.V." nicht rechtens
Datum: 12.12.2003
Kurzbeschreibung:
Dem Verein „Scientology Gemeinde Baden-Württemberg e.V.“ kann die Rechtsfähigkeit nicht entzogen werden, weil er keinen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb verfolgt. Diese bereits in der Vorinstanz vom Verwaltungsgericht Stuttgart vertretene Auffassung hat der 1. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (VGH) mit seinem heute verkündeten Urteil bestätigt.
Das Regierungspräsidium Stuttgart hatte dem Verein die Rechtsfähigkeit entzogen mit der Begründung, dass er aufgrund seiner Satzung zwar ideelle Ziele verfolge, tatsächlich aber einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhalte. Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat die Entziehungsverfügung auf die Klage des Vereins aufgehoben. Die Berufung des beklagten Landes hat der VGH nunmehr zurückgewiesen.
Dabei hat sich der VGH - in Abkehr von seiner ursprünglichen Rechtsprechung aus dem Jahre 1995 - im Interesse der Rechtsvereinheitlichung den Grundsätzen angeschlossen, die das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 6.11.1997 - 1 C 18.95 - einen anderen Scientology-Verein betreffend aufgestellt hatte. Dies hob VGH-Präsident Dr. Weingärtner in der mündlichen Urteilsbegründung hervor.
Mit dem Bundesverwaltungsgericht sei davon auszugehen, dass die Rechtsform des eingetragenen Vereins nach den Vorschriften des BGB nur solchen Vereinen offen stehe, deren Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet sei (Idealvereine). Wirtschaftlich tätige Vereine müssten sich grundsätzlich der handelsrechtlichen Gesellschaftsformen (z.B. GmbH, AG) bedienen. Diese Regelungen verfolgten im Interesse insbesondere des Gläubigerschutzes das Ziel, dass sich Vereine, die sich unternehmerisch betätigten, nicht den handelsrechtlichen Vorschriften u.a. über die Mindestkapitalausstattung sowie über Bilanzierungs-, Buchprüfungs- und Offenlegungspflichten entzögen. Unternehmerische Tätigkeiten in diesem Sinne seien aber grundsätzlich nicht Leistungen, die ein Verein in Verwirklichung seines ideellen Zwecks seinen Mitgliedern anbiete, weil hier insbesondere der Gesichtspunkt des Gläubigerschutzes nicht greife. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gelte nur, wenn ein Verein (wie z.B. ein Konsumverein oder ein Buchclub) seinen Mitgliedern als Anbieter von Leistungen gegenübertrete, die unabhängig von mitgliedschaftlichen Beziehungen üblicherweise auch von anderen angeboten würden.
In Anwendung dieser höchstrichterlichen Grundsätze ist der VGH zu der Überzeugung gelangt, dass der klägerische Verein keinen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb verfolgt. Die Mitglieder des Klägers nähmen die von diesem angebotenen Leistungen - u.a. geistliche Beratung (Auditing), die Ausbildung zum Auditor sowie weitere Seminare und Kurse - in Anspruch, um auf dem durch die Scientology-Lehre vorgezeichneten Heilsweg höhere Daseinsstufen zu erlangen. Damit seien die Leistungen des Klägers untrennbar mit der scientologischen Lehre verknüpft und könnten - anders als bei Buchclubs oder Konsumvereinen - von anderen Anbietern auf einem allgemeinen Markt in vergleichbarer Weise nicht erbracht werden. Ob es sich bei den gemeinsamen Überzeugungen der Mitglieder um eine „Religion“ im Rechtssinne handelt, sei nicht entscheidend. Der Senat habe diese Überzeugungen auch inhaltlich nicht zu bewerten.
Das beklagte Land könne mit den im Berufungsverfahren vorgebrachten Einwänden nicht durchdringen. Dies gelte zunächst für die Auffassung, wegen der „vollständigen Fremdbestimmung“ des Klägers durch die Mutterorganisation der „Scientology Kirche“ sei auf die „rein wirtschaftlichen“ Vorgaben der „übergeordneten Hierarchie“ abzustellen und nicht auf die subjektiven Vorstellungen der einzelnen Mitglieder. Denn auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts könne sich die Autonomie der Vereinsmitglieder und des Vereins gerade auch in der Einordnung in eine Hierarchie verwirklichen, sofern der Verein noch eigenständig Aufgaben wahrnehme. Dies sei beim Kläger der Fall, da er u.a. in seinem Einzugsbereich Mitglieder werbe und seinen Mitgliedern durch Auditing, Seminare und Kurse die Lehre von Scientology nahe bringe. Im Übrigen hätten sich auch auf der Grundlage aktueller wissenschaftlicher Untersuchungen, die sich mit den Zielen der Scientology-Organisation befasst hätten, keine greifbaren Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Lehre des Scientology-Gründers L. Ron Hubbard als bloßer Vorwand für eine Wirtschaftstätigkeit benutzt wird.
Unerheblich sei auch, dass der Kläger von seinen Mitgliedern zum Teil erhebliche Entgelte für die von ihm erbrachten Leistungen verlange. Denn nach der erwähnten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts komme es für das Vorliegen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs nicht darauf an, in welcher Form die Mitglieder die Tätigkeit ihres Vereins finanzierten. Im Übrigen würden Gefahren für das einzelne Mitglied, die sich in persönlicher oder finanzieller Hinsicht aus der Mitgliedschaft ergeben könnten, vom Schutzweck der Vorschriften über die Entziehung der Rechtsfähigkeit eines Vereins grundsätzlich nicht erfasst. Solchen Gefahren könne ggf. mit anderen hoheitlichen Mitteln, etwa des Gewerberechts oder des Strafrechts, begegnet werden. Dies sei jedoch nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits.
Die Leistungen des Klägers gegenüber Nichtmitgliedern (insbesondere der Verkauf von scientologischen Schriften) könnten einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb des Klägers nicht begründen, weil sie nur einen untergeordneten Teil der Tätigkeit des Klägers ausmachten und deshalb vom sog. Nebenzweckprivileg gedeckt seien.
Die Revision zum Bundesverwaltungsgericht ist nicht zugelassen worden; das beklagte Land kann dagegen noch Beschwerde einlegen (Az. 1 S 1972/00).