VGH bestätigt Zulässigkeit des Bürgerbegehrens in St. Peter

Datum: 01.07.2011

Kurzbeschreibung: Das Bürgerbegehren einer Bürgerinitiative in St. Peter, die die Errichtung eines Lebensmittelmarktes im Gewann "Doldenmatten" verhindern will, ist zulässig. Dies hat der 1. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (VGH) mit einem heute bekannt gegebenen Beschluss entschieden und damit die Beschwerde der Gemeinde St. Peter gegen die gleichlautende vorläufige Feststellung des Verwaltungsgerichts Freiburg (vgl. dessen Pressemitteilung vom 12.05.2011) zurückgewiesen. Allerdings sah der VGH keinen Anlass, der Gemeinde bis zum rechtskräftigen Abschluss des bereits beim Verwaltungsgericht anhängigen Hauptsacheverfahrens darüber hinaus zu untersagen, die Aufstellung eines Bebauungsplans für die Errichtung eines Lebensmittelmarktes auf den "Doldenmatten" zu beschließen. Insoweit hatte die Beschwerde der Gemeinde Erfolg.

Die Gemeinde St. Peter hat im Dezember 2010 ein von knapp 400 Bürgern unterstütztes Bürgerbegehren abgelehnt, mit dem ein Bürgerentscheid zu folgender Frage herbeigeführt werden sollte: „Sind Sie dafür, dass die Doldenmatten nicht für einen Lebensmittelmarkt vorgesehen werden?“ Die Antragsteller, Mitglieder einer Bürgerinitiative und Unterzeichner des Bürgerbegehrens, haben hiergegen beim Landratsamt Breisgau-Hochschwarzwald ohne Erfolg Widerspruch eingelegt. Gemeinde und Landratsamt sind der Auffassung, das Bürgerbegehren sei unzulässig, weil es auf die Vorwegnahme einer Abwägungsentscheidung über die bauplanungsrechtliche Nutzung eines Grundstücks abziele und dies der gesetzgeberischen Absicht widerspreche, bauleitplanerische Abwägungsprozesse dem Gemeinderat als Hauptorgan der Gemeinde zu überlassen. Dem ist das von 16 Antragstellern mit einem Eilantrag angerufene Verwaltungsgericht nicht gefolgt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Gemeinde hatte beim VGH nur in geringem Umfang Erfolg.

Das Bürgerbegehren betreffe zwar die Bauleitplanung, die nach der Gemeindeordnung grundsätzlich nicht bürgerentscheidsfähig sei. Die vielschichtigen Abwägungsprozesse im Rahmen eines solchen Verfahrens könnten nicht auf eine „Ja-Nein-Fragestellung“ reduziert werden, die zwingend Gegenstand eines Bürgerentscheids sein müsste. Sie seien daher dem Gemeinderat als Hauptorgan der Gemeinde vorbehalten. Etwas anderes gelte aber für Grundsatzentscheidungen zur Gemeindeentwicklung im Vorfeld eines bauplanungsrechtlichen Verfahrens. Diese könnten zum Gegenstand eines Bürgerentscheids gemacht werden, heißt es in dem Beschluss des VGH. Die Frage, ob die Gemeinde in einem bestimmten Bereich eine Gewerbeansiedlung zulassen wolle, sei eine primär politische Entscheidung im Rahmen der Planungshoheit der Gemeinde. Solche politischen Grundsatzentscheidungen, bei denen der Bürger lediglich entscheiden müsse, ob er für oder gegen die Planung stimme, seien für ein Bürgerbegehren eröffnet. Dies entspreche auch der Grundkonzeption des Gesetzes, welches mit dem Instrument des Bürgerentscheids die unmittelbare Demokratie stärken und den Bürgern echte Entscheidungskompetenzen einräumen wolle. In zeitlicher Hinsicht sei ein derartiges Bürgerbegehren zulässig, wenn es vor der Einleitung des förmlichen Bebauungsplanverfahrens eingereicht worden sei.

Eine weitere Frist habe die Bürgerinitiative mit ihrem Bürgerbegehren nicht einhalten müssen, so der VGH weiter. Denn dieses richte sich nicht gegen den Gemeinderatsbeschluss vom 02.04.2007, wie die Gemeinde im Beschwerdeverfahren geltend gemacht habe. Der genannte Beschluss, mit dem der Gemeinderat die geplante Erweiterung des Ladengeschäfts begrüßt und seine Unterstützung für den eingebrachten Standort bekundet habe, sei kein weichenstellender Grundsatzbeschluss gewesen, der Gegenstand eines Bürgerbegehrens hätte sein können, sondern nur eine unverbindliche Absichtserklärung. Zudem sei er den Bürgern nicht hinreichend bekannt gegeben worden. Schließlich werde mit dem Bürgerbegehren auch kein Ziel verfolgt, dass mit den Regelungen des Baugesetzbuchs nicht zu vereinbaren wäre. Insbesondere sei es unproblematisch, dass die Fragestellung auf einen Planungsverzicht abziele.

Um die Durchführung des Bürgerbegehrens zu sichern, sei es aber im Regelfall ausreichend, im Wege einer einstweiligen Anordnung vorläufig dessen Zulässigkeit festzustellen. Weitergehende sichernde Anordnungen seien nur erforderlich, wenn ein treuwidriges Verhalten der Gemeinde unmittelbar drohe, welches allein dem Zweck diene, dem Bürgerbegehren die Grundlage zu entziehen. Hierfür sah der VGH keine Anhaltspunkte, da die Gemeinde bereits ankündigt hat, die vorläufige gerichtliche Feststellung beachten zu wollen. Den Beschluss des Verwaltungsgerichts hat der VGH daher insoweit aufgehoben.

Der Beschluss ist unanfechtbar (Az.: 1 S 1509/11).
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