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Rechtsextreme dürfen am 1. Mai in Heilbronn demonstrieren Beschwerde der Stadt Heilbronn erfolgslos

Datum: 28.04.2011

Kurzbeschreibung: Die am 1. Mai in Heilbronn geplante Demonstration unter dem Motto "Fremdarbeiterinvasion stoppen!", zu der das "Nationale und soziale Aktionsbündnis 1. Mai" aufgerufen hat, darf stattfinden. Das hat der 1. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (VGH) mit einem heute bekannt gegebenen Beschluss entschieden und damit eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Stuttgart bestätigt, die von der Stadt Heilbronn mit der Beschwerde angefochten worden war.

Der VGH hat - wie das Verwaltungsgericht - keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür gesehen, dass eine strafbare Verletzung der Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit zu besorgen sei. Insbesondere ein Verstoß gegen den Straftatbestand der Volksverhetzung sei nicht zu befürchten. Der Begriff „Fremdarbeiter“ sei zwar durch seinen Gebrauch während der Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland im Zusammenhang mit erzwungener Arbeit negativ besetzt. Die schlagwortartig zusammengefasste Parole werde jedoch bei der gebotenen objektiven Auslegung nicht mit Zwangsarbeit assoziiert, sondern erfasse in erster Linie die Arbeitskräfte, die aus dem Ausland zur Arbeit in die Bundesrepublik Deutschland kommen wollten, aber auch die bereits in Deutschland lebenden ausländischen Arbeitnehmer. Aus dem Kontext ergebe sich, dass die Versammlung im Zusammenhang mit der vollständigen Herstellung der Freizügigkeit für Unionsbürger aus den am 01.05.2004 der EU beigetretenen mittel- und osteuropäischen Staaten stehe. Es sei nicht erkennbar, dass den ausländischen Arbeitnehmern ein ungeschmälertes Lebensrecht als gleichwertigen Persönlichkeiten in der staatlichen Gemeinschaft bestritten und ihre Menschenwürde in Frage gestellt oder gar angegriffen werde. Denn die Kritik richte sich nicht primär gegen die Personengruppe der ausländischen Arbeitskräfte als solche, sondern gegen das vom Aktionsbündnis angeprangerte System. Die Parole gebe auch keinen Anlass für die Befürchtung, dass eine nicht verfassungs- und gesetzmäßige gewaltsame Vertreibung der in der Bundesrepublik Deutschland lebenden ausländischen Arbeitnehmer angestrebt werde.

Anhaltspunkte für eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch illegale Graffiti bestünden ebenfalls nicht, so der VGH weiter. Auch sei die angemeldete Demonstration am 1. Mai nicht deshalb verboten, weil dieser Tag auf den „weißen Sonntag“ falle. Ein Verstoß gegen die durch Art. 4 Abs. 2 GG geschützte Religionsausübung sei nicht zu befürchten. Es sei nicht erkennbar, dass der bereits um 10:00 Uhr beginnende Festgottesdienst in dem in der Innenstadt gelegenen Deutschordensmünster (Pfarrei St. Peter und Paul) durch den erst um 11:30 Uhr beginnenden Aufzug unmittelbar gestört werden könnte. Den berechtigten Belangen der Gottesdienstbesucher an einer ungestörten Religionsausübung könnte im Übrigen gegebenenfalls durch geeignete und angemessene, beide Interessen berücksichtigende versammlungsrechtliche Auflagen hinsichtlich der Streckenführung ausreichend Rechnung getragen werden.

Schließlich sei auch nicht ersichtlich, dass die geplante Versammlung die öffentliche Ordnung gefährden könnte. Die den Inhalt von Meinungsäußerungen beschränkenden Straftatbestände seien grundsätzlich abschließend und verwehrten der Versammlungsbehörde den Rückgriff auf den Schutz der öffentlichen Ordnung. Allein wegen der inhaltlichen Ausrichtung einer Versammlung könne, soweit nicht die Verwirklichung eines Straftatbestandes drohe, ein Versammlungsverbot daher nicht verhängt werden.

Der Beschluss ist unanfechtbar (Az.: 1 S 1250/11).

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