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2G-Regelung an Hochschulen in Baden-Württemberg vorläufig außer Vollzug gesetzt; Kontaktbeschränkungen und Zugangsregeln zu Veranstaltungen, Kultur- und Freizeiteinrichtungen für Nicht-Immunisierte bleiben hingegen in Kraft

Datum: 17.12.2021

Kurzbeschreibung: Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) hat mit Beschluss von heute einem Eilantrag eines Studenten gegen die 2G-Regelung an Hochschulen stattgegeben und § 2 Abs. 5 der CoronaVO Studienbetrieb des Wissenschaftsministeriums vorläufig außer Vollzug gesetzt. Hingegen blieb der Antrag des Studenten gegen die Kontaktbeschränkungen für Nicht-Immunisierte und die Zugangsbeschränkungen zu Veranstaltungen sowie Kultur- und Freizeiteinrichtungen für Nicht-Immunisierte erfolglos.

Sachverhalt

Der Antragsteller wendet sich mit seinem Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO gegen § 2 Abs. 5 CoronaVO Studienbetrieb des Wissenschaftsministeriums in der Fassung vom 24. November 2021 und gegen § 9 Abs. 1 Nr. 2 und 3, § 10 Abs. 1 Nr. 2 sowie § 14 Abs. 1 der CoronaVO der Landesregierung in der Fassung vom 14. Dezember 2021. Er trägt vor, er sei nicht gegen COVID-19 geimpft und studiere Pharmazie an einer Hochschule in Baden-Württemberg. Zur erfolgreichen Durchführung seines Studiums sei er darauf angewiesen, Zugang zu den Räumlichkeiten und der Infrastruktur der Universität zu haben. Nach der Studienordnung müsse er an näher bezeichneten Präsenzveranstaltungen teilnehmen, um nicht seine Studienzeit zu überschreiten und ggf. exmatrikuliert zu werden. Die Kontaktbeschränkungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 und 3 CoronaVO nähmen ihm die Möglichkeit, sich mit einer beliebigen Anzahl an Kommilitonen zu treffen und Lerngruppen zu bilden. § 10 Abs. 1 Nr. 2 CoronaVO begründe unverhältnismäßige Grundrechtseingriffe in die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG). Ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen und kulturellen Leben sei nicht mehr gewährleistet. Fragwürdig sei auch der in § 14 Abs. 1 Nr. 4 CoronaVO normierte Ausschluss der Nicht-Immunisierten von sportlichen Aktivitäten.

2G-Regelung an Hochschulen

§ 2 Abs. 5 Corona Studienbetrieb bestimmt:

„1In der Alarmstufe II nach § 1 Absatz 2 Nummer 4 CoronaVO, frühestens ab 29. November 2021, ist abweichend von § 6 Absatz 1 Satz 1 Halbsatz 1 und § 7 Ab-satz 1 Satz 1 die Teilnahme an Präsenzveranstaltungen in geschlossenen Räumen und die Nutzung studentischer Lernplätze außerhalb der Bibliothek von dem Vorliegen eines Impf- oder Genesenennachweises im Sinne des § 4 Absatz 2 CoronaVO abhängig; § 5 Absatz 1 Satz 3 CoronaVO gilt entsprechend. 2Für

1. Praxisveranstaltungen, die insbesondere spezielle Labor- oder Arbeitsräume an den Hochschulen erfordern, insbesondere Laborpraktika, praktische Ausbildungsanteile mit Patientenkontakt unter Einhaltung der Vorgaben der Klinika und Lehrkrankenhäuser, Präparierkurse, sowie Veranstaltungen mit überwiegend praktischen und künstlerischen Ausbildungsanteilen,

2. Prüfungen, insbesondere Abschlussprüfungen, sowie Zugangs- und Zulassungsverfahren sowie

3. den musikalischen Übebetrieb oder die künstlerische selbständige Arbeit am Werk an Musik- und Kunsthochschulen, Pädagogischen Hochschulen und Akademien nach dem Akademiengesetz

verbleibt es, soweit diese Veranstaltungen zwingend in Präsenz notwendig sind, bei der Regelung des § 6 Absatz 1 Sätze 1 bis 3; die entsprechenden Präsenzveranstaltungen sind im Hygienekonzept darzustellen. § 6 Absatz 3 findet in den Fällen der Sätze 1 und 2 keine Anwendung. 3Die Hochschulen haben die Studierbarkeit der Studiengänge sicherzustellen und daher in ihren Konzepten für den Präsenzstudienbetrieb zu berücksichtigen, dass gegebenenfalls Studierende wegen Satz 1 oder Absatz 3 an Präsenzveranstaltungen nicht teil-nehmen können. 4Absatz 4 Nummern 1, 2 und 4 gelten auch in der Alarmstufe II.“

Der 1. Senat des VGH gab dem gegen § 2 Abs. 5 der CoronaVO Studienbetrieb des Wissenschaftsministeriums gerichteten Antrag statt und setzte die Norm vorläufig außer Vollzug. Im Übrigen lehnte er den Antrag ab. Zur Begründung führte er u.a. aus:

§ 2 Abs. 5 CoronaVO Studienbetrieb verstoße voraussichtlich gegen das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot. Rechtsvorschriften müssten so gefasst sein, dass der Betroffene die Rechtslage konkret erkennen und sein Verhalten danach ausrichten könne. Aus der Vorschrift ergebe sich jedoch nicht, zu welchen Vorkehrungen Hochschulen im Hinblick auf nicht-immunisierte Studierende verpflichtet seien, um die Studierbarkeit des Studiengangs zu gewähr-leisten. Eine detailliertere Regelung dürfte insbesondere wegen der Auswirkungen auf die Ausbildungsfreiheit der Studierenden geboten sein. Denn Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleiste allen Deutschen das Recht, die Ausbildungs-stätte frei zu wählen. Grundrechtlich geschützt seien nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die im Rahmen der Ausbildung notwendigen Tätigkeiten.

In dieses Recht aus Art. 12 Abs. 1 GG greife § 2 Abs. 5 Satz 1 CoronaVO Studienbetrieb in schwerwiegender Weise ein, da nicht-immunisierte Studierende an Präsenzveranstaltungen ihres Studiengangs - mit Ausnahme der in § 2 Abs. 5 Satz 2 CoronaVO Studienbetrieb vorgesehenen Veranstaltungen - nicht teilnehmen könnten. Durch diese Beschränkung könne, soweit kein anderweitiger Zugang zu diesen Studienangeboten bereitgestellt werde, jedenfalls der erfolgreiche Abschluss eines Semesters konkret gefährdet werden, was zumindest zu einer Verlängerung des Studiums führen könne. Auch die Gefährdung des Studienerfolgs insgesamt sei durch die Beschränkung des Zugangs zu Lehrveranstaltungen möglich.

Zu Recht habe der Antragsgegner daher im Hinblick auf die Verhältnismäßig-keit des Eingriffs in Art. 12 Abs. 1 GG den Ausnahmetatbestand des § 2 Abs. 5 Satz 2 CoronaVO normiert und vorgesehen, dass Hochschulen die Studierbarkeit der Studiengänge sicherzustellen hätten. Ausreichende Vorgaben, welche Maßnahmen die Hochschulen zu ergreifen hätten, um die Studierbarkeit der Studiengänge sicherzustellen, fehlten jedoch. Unklar bleibe, ob Hochschulen - um den schwerwiegenden Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG soweit als möglich abzumildern - verpflichtet sein sollten, Präsenzveranstaltungen regelmäßig als Hybridveranstaltungen durchzuführen oder aufzuzeichnen und diese Aufzeichnungen nicht-immunisierten Studierenden zügig zur Verfügung zu stellen oder ob es nach der Vorstellung des Verordnungsebers ausreichen solle, dies nur für Pflichtveranstaltungen vorzusehen, oder ob es den Hochschulen etwa möglich sein solle, die Studierbarkeit der Studiengänge auf andere Weise nach ihrem freien Ermessen sicherzustellen.

Hingegen sei der gegen § 9 Abs. 1 Nr. 2 und 3, § 10 Abs. 1 Nr. 2 CoronaVO und § 14 Abs. 1 Nr. 4 CoronaVO gerichtete Antrag unbegründet. Die in § 9 Abs. 1 Nr. 3 CoronaVO normierten Kontaktbeschränkungen in der Alarmstufe II griffen in die allgemeine Handlungsfreiheit der Bürger erheblich ein. Die Verbote beträfen den privaten Lebensbereich und schränkten die sozialen Kontaktmöglichkeiten in einem beachtlichen Umfang ein. Die Kontaktbeschränkungen würden jedoch durch zahlreiche Ausnahmen in § 9 Abs. 2 bis 4 CoronaVO relativiert. Diese stellten sicher, dass auch nicht-immunisierte Personen in der Alarmstufe II in erheblichem Umfang private Beziehungen auch durch persönliche Treffen mit anderen Menschen pflegen könnten und ihnen durch die an-gefochtene Vorschrift keine soziale Isolation drohe. Auch die Beschränkungen des Zugangs zu Veranstaltungen und zu Kultur- und Freizeiteinrichtungen seien im Hinblick auf den Gesundheitsschutz beim derzeitigen Stand der Pandemie verhältnismäßig.

Der Beschluss vom 15. Dezember 2021 ist unanfechtbar (1 S 3670/21).

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